Das Volksurteil und die Empörungsmaschine

Eine Spiegel-Online-Umfrage zeigt auf, dass die Schweizer Stimmbürger nicht alleine sind mit ihrer Zustimmung zur Initiative “Gegen den Bau von Minaretten”.

Tag 1 nach der Annahme der Initiative “Gegen den Bau von Minaretten”. Für viele deutsche Zeitungen ist die Entscheidung das Thema des Tages und der Aufmacher auf der Titelseite. Neben den Artikeln, die über die Geschehnisse aufklären, finden sich Kommentare, die sich kritisch mit dem direktdemokratischen Entscheid auseinandersetzen.

Vergessen wir nicht, Deutschland ist in der bedauernswerten Lage, über keine direkte Demokratie zu verfügen. Was aber nicht heisst, dass es keine Möglichkeit gibt, diese Meinung mittels einer Online-Umfrage zu messen:

Umfrage Minarett-Initiative von Spiegel Online
Bild: Screenshot spiegel.de

Schon seit gestern abend zeigt das linksliberale Portal regelmässige Werte mit fast 80 Prozent Zustimmung. Auch wenn es bei Online-Befragungen in aller Regel Manipulationen von beiden Seiten gibt, ist die Zahl doch eindeutiger als die 57.5 Prozent der zustimmenden Schweizer. Da wir es nicht wissen, müssen wir einfach mal dahinstellen, wer sich daran beteiligt hat.

SPIEGEL-ONLINE-Votes sind keine repräsentativen Umfragen. Sie geben lediglich ein Stimmungsbild derjenigen wieder, die bei den Votes mitmachen.

Wer jetzt meint: „Da sieht man mal, wohin es führen würde, wenn man auch in Deutschland direkte Demokratie zulassen würde.“ – So ist das nicht. Eine Onlineumfrage bringt schwelende Emotionen ans Tageslicht. Eine Abstimmung hingegen ist ein ernsthafter demokratischer Vorgang, bei dem jeder Wähler die Verantwortung für sein Handeln trägt. Angenommen wurde die Vorlage, weil sie von den Gegnern, die sich zu einem guten Teil aus Akademikern zusammensetzt, unterschätzt wurde. Die demokratiefeindlichen Aussagen von Exponenten der sogenannten Elite im Vorfeld der Abstimmung, das Plakat dazu sollte verboten werden, hat meines Erachtens die Befürworter erst recht mobilisiert.

Vergessen wir nicht: Die Bürger lassen sich heute nicht mehr von den Zeitungen und anderen Sendermedien instrumentalisieren. Sie bilden sich ihre Meinung aus den verschiedensten Quellen, wozu durchaus auch sehr fragwürdige gehören können. Und auch wenn sie bei den Telefonumfragen noch etwas ganz anderes sagen – spätestens an der Urne drücken sie aus, was sie wirklich denken.

Nochmals: Das ist gut so. Die demokratisch Unterlegenen haben das zu akzeptieren.

Nachtrag, 12:30 Uhr: Roger Köppel äussert sich in einem Videokommentar zur Reaktion der Medien auf das Ergebnis der Abstimmung.

10 Gedanken zu „Das Volksurteil und die Empörungsmaschine“

  1. Vergessen wir nicht: Die Bürger lassen sich heute nicht mehr von den Zeitungen und anderen Sendermedien instrumentalisieren. Sie bilden sich ihre Meinung aus den verschiedensten Quellen, wozu durchaus auch sehr fragwürdige gehören können.

    Vielleicht etwas gar idealistisch. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass rund 1/3 der Abstimmenden überhaupt nicht verstehen, worüber sie gerade abstimmen. (Gruner/Hertig 1983) Folglich dürften sich diese Personen schon durch Zeitungen/Medien instrumentalisieren lassen.

    Jochen Hoff: Godwin’s Law hat wohl bereits im ersten Kommentar hier zugeschlagen.

  2. @Pascal: Dem stimme ich zu. Und darüber hinaus gibt es noch viel banalere Missverständnisse: Mein Nachbar, ein glühender Minarettgegner, hat sich zuerst über das Ja bei der Abstimmung aufgeregt, bis er dann im Verlauf der Diskussion gemerkt hat, dass dieses Ja genau in seinem Sinne war. (Keine Ahnung, ob und vor allem wie er selber abgestimmt hat ;-)

  3. @Pascal Witzig: Mag sein, aber Menschen entscheiden ständig aus dem Bauch heraus – meistens gar nicht schlecht … und bei Abstimmungen könnte man davon ausgehen, dass es «instrumentalisierte» Personen in beiden Meinungslagern gibt, so dass sich das Problem auflöst.

    Direkte Demokratie hat gerade den Vorteil, dass alle Stimmbürger mitbestimmen dürfen – unabhängig von ihrem Wissen und so weiter.

    Nebenbei: Ich empfinde die offiziellen Abstimmungsinformationen häufig als irreführend. Bei der Vorlage zu den neuen Luftfahrt-Subventionen beispielsweise wurde völlig unterschlagen, dass nun Freizeitpiloten die kommerzielle Luftfahrt subventionieren müssen – Erstere zahlen Treibstoffsteuern, Letztere nicht, doch wird nun Letztere aus den Treibstoffsteuern der Ersteren subventioniert …

  4. Auf Duckhome hat sich Jochen Hoff verschiedentlich abschätzig über die Schweiz geäussert, aber es würde mich schon sehr interessieren was hier gelöscht wurde und warum??

  5. Ich habe die erste Nachricht dieses angeblichen Jochen Hoff vom 30. November zufällig gelesen, da sie kurzfristig online war, und finde die Löschung absolut gerechtfertigt. (Was er geschrieben hat, weiss ich nicht mehr, weil ich für Bullshit zum Glück kein Langzeitgedächtnis habe; ich erinnere mich nur noch, dass es unsachlich und beleidigend war und die Grenzen des Anstandes signifikant unterschritten hat.)

Schreibe einen Kommentar zu Andreas Stricker Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert