Zum Bezahlüberfall des Abendblatts

Das „Hamburger Abendblatt“ macht einige Artikel seines Online-Angebots kostenpflichtig. In den Kommentaren zur Ankündigung wird deutlich, dass die Leser sehr wohl bereit sind, für Journalismus Geld auszugeben.

Mit dem Artikel „In eigener Sache: abendblatt.de gibt es jetzt als Abo“ eröffnet der Axel-Springer-Verlag auch bei den Online-Portalen die Bezahlinhalt-Offensive. Einige Artikel sind weiterhin frei zugänglich, bei anderen sieht es ab sofort so aus:

Screenshot abendblatt.de

In den Kommentaren dazu äussern sich die Leser zu über 90 Prozent negativ. Was nicht anders zu erwarten ist – wer bricht schon in Begeisterungsstürme aus, wenn etwas, das es immer kostenlos gab, plötzlich kosten soll?

Da ich nun über 300 der bisher aufgelaufenen Kommentare gelesen habe, kann ich einschätzen, was die sich online äussernden Leser denken:

1. Abendblatt.de ist kein Qualitätsjournalismus. Wäre es welcher, wären wir durchaus bereit, dafür zu bezahlen.
2. Claus Strunz hat die Printausgabe zu einer Art „Bild“-Zeitung gemacht. Das wollen wir nicht.
3. Tschüß Abendblatt, dann gehen wir halt zu …
4. Wieso sollen wir für etwas bezahlen, was via Google, Bing und Google News noch immer frei zugänglich ist?

Punkt 4 ist tatsächlich wahr derzeit. Wer einen von Abendblatt.de aus gesperrten Artikel lesen will, der muss nur auf news.google.de den Titel eintippen (zum Beispiel „Feuerwehrmann schildert seine Eindrücke“, dpa/abendblatt.de) und dann auf den betreffenden Artikel klicken – und schon kann er ihn in voller Länge lesen. Das geht übrigens auch, wenn man danach mit Google oder Bing sucht.

Der Leser soll also die Artikel brav von Abendblatt.de aus lesen und bezahlen. Wenn er aber vom bösen Google oder anderen Suchmaschinen kommt, dann will man seinen Klick aber trotzdem ausweisen können für die IVW? Das ist dreist. Jeder Leser, der sich von so einer Strategie verschaukelt vorkommt, kommt sich zurecht verschaukelt vor. Das heisst nichts anderes, dass der Bezahlwillige dafür bezahlt, von Abendblatt.de auf den Artikel zu kommen.

Der Axel-Springer-Verlag sollte die Reaktionen der Leser genau zur Kenntnis nehmen. Das Bild vom Leser, der nicht für Journalismus bezahlen will, wird deutlich widerlegt: Zum Bezahlüberfall des Abendblatts weiterlesen