Die Ausschaffungsinitiative als Wegweiser

Die Ausschaffungsinitiative empört die Medienmacher. Jene, die die tägliche Integrationsarbeit leisten, haben aber trotzdem „Ja“ dazu gesagt. Härtere Ausländergesetze sind zukünftig europaweit zu erwarten.

Wer gestern auf Twitter unterwegs war, konnte von Leuten lesen, die …

… sich fragten, ob die Schweiz „ein einig Volk von SVP-Patridioten“ sei.
… fanden, dass jeder, der mit „Ja“ abgestimmt hat, „ein Scheiss Nazi!!!!!!!!!“ sei.
… einfach nur „Kotz!“ riefen.

Fuck SVP
Bild: CC Nicolas Nova, BY-Lizenz

In der nicht als linksextrem verdächtigen „Welt“ glaubt Annette Prosinger in einem Kommentar unter dem Titel „Unschweizerischer“, den Schweizern würden jetzt ihre Ausländer zu viel – die in der Initiative zwingend mit der Ausschaffung verbundene Kriminalität kommt darin nicht vor:

Es ist ein Unbehagen an der modernen Welt, am Tempo der Globalisierung. Ein Problem, das viele Länder haben. Doch die vor hundert Jahren noch weitgehend bäuerlich strukturierte Schweiz tut sich damit besonders schwer.

Klar, andere Länder waren vor hundert Jahren natürlich ganz woanders.

Die Frage, die @blinski stellt, ist also nur folgerichtig:

Ausschaffungsinitiative

Handelt es sich also bei der Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer um Neonazis? Kann die Schweizerische Volkspartei SVP, die hinter der mit rund 53 Prozent aller Stimmen angenommenen Volksinitiative steckt, tatsächlich als „rechtspopulistische Hassgruppierung“ gesehen werden, wie es Mathias Möller sieht? Auch wenn sie in den letzten Parlamentswahlen 2007 29 Prozent aller Wählerstimmen auf sich vereinte und damit als grösste Partei der Schweiz jeden dritten oder vierten Schweizer Bürger vertritt?

Ich finde: Nein. Wie schlimm oder erfreulich das, was beschlossen wurde, tatsächlich ist, mag jeder für sich entscheiden. Ich habe die Ausschaffungsinitiative und die Argumente ihrer Gegner in diesem Beitrag auf direktdemokratie.com zusammengefasst.

Zur Entscheidung anzumerken sind folgende Punkte:

1. Die Schweiz hat mit 21.6 Prozent (Stand: 2009) den nach Liechtenstein und Luxemburg höchsten Ausländeranteil Europas. Zum Vergleich: In Deutschland sind 8.9 Prozent der Bevölkerung Ausländer (Stand: 2008). Man kann so wohl von einem erhöhten Druck sprechen, der auf den Stimmberechtigen lastet. Ich meine damit den Kampf um Arbeitsplätze, um Beförderungen, um Wohnraum, aber auch eine erhöhte Steuerbelastung durch staatlich verordnete Integrationsbemühungen.

2. Mit Rassismus hat die in Punkt 1 beschriebene Lage nichts zu tun. Jemand, der rassistisch ist, ist das in allen möglichen Konstellationen.

3. Sind kriminelle Ausländer ein Problem in der Schweiz oder nicht? Die Frage hat das Land schon vor der Abstimmung gespalten. Man kann einwenden, dass die doofen Schweizer Landeier doch bitteschön keine Angst vor kriminellen Ausländern haben sollen. Aber Angst ist nun mal ein Gefühl, das zu sehr vielen Entscheiden führt, auch zu politischen. Wer sich über die ängstliche Rechte mokiert, soll sich bitte auch vor Augen führen, vor was sich Nicht-Rechte alles fürchten und welche Massnahmen (und Kosten für die Allgemeinheit) das mit sich bringt: Sicherheitsvorschriften, Verbote, Waldsterben, Feinstaub, Handystrahlen, BSE, Vogelgrippe, Schweinegrippe – die Liste scheint endlos.

Angst ist nichts mehr als eine mögliche Erklärung. Man kann auch ganz rational auf die Erkenntnis kommen, dass es völlig in Ordnung ist, wenn ein Land jene Kriminellen, die sie ausweisen kann, auch ausweist.

Der Artikel 25 der Schweizer Bundesverfassung ist übrigens nach wie vor in Kraft. In Absatz 2 und 3 heisst es:

– Flüchtlinge dürfen nicht in einen Staat ausgeschafft oder ausgeliefert werden, in dem sie verfolgt werden.

– Niemand darf in einen Staat ausgeschafft werden, in dem ihm Folter oder eine andere Art grausamer und unmenschlicher Behandlung oder Bestrafung droht.

4. Würde die gleiche Abstimmung in anderen europäischen Ländern auf ganz andere Ergebnisse kommen? Ich glaube nicht.

Es ist nicht auszuschliessen, dass andere europäische Länder, sollte der Druck der Zuwanderung Bestand haben, bald ähnliche Gesetze beschliessen. Die eher grundlagenlose, nicht direktdemokratisch legitimierte Verlagerung von Roma aus Frankreich nach Bulgarien und Rumänien der Regierung Sarkozy ist wohl als Vorbote einer solchen Entwicklung zu werten.

5. Der Gegenentwurf des Parlaments, in dem die Integration von Ausländern mit einem sechsteiligen Artikel (Art. 121a) in der Bundesverfassung verankert werden sollte, wurde klar abgelehnt. Man muss davon ausgehen, dass die Bürger kein Interesse an Paragrafen haben, die nur schwer mit der Realität in Verbindung gebracht werden können und meist nur graue Theorie bleiben.

6. Der nun in der Bundesverfassung verankerte Text muss erst mal in Gesetze umgewandelt werden. Das wird nochmals zu Diskussionen führen. Es ist aber ziemlich sicher, dass niemand, der ein Formular falsch ausfüllt oder für einen Kleinbetrag Cannabis verkauft, in Zukunft auf der Stelle ausgewiesen wird. Es handelt es sich dabei um Schreckensszenarien, die nur eine sehr kleine Chance haben, Realität zu werden. Es ist aber zum Beispiel so, dass ein in der Schweiz geborener Österreicher, der seine Frau umbringt, nach Verbüssung seiner Strafe ausgewiesen wird und für 5 bis 15 Jahre die Schweiz nicht mehr betreten darf.

7. Was von vielen oft vergessen oder absichtlich nicht erwähnt wird: Die Initiative richtet sich nicht gegen Ausländer an sich, sondern gegen schwerkriminelle Ausländer und solche, die vorsätzlich den Sozialstaat betrügen. Es haben sich im Vorfeld einige in der Schweiz lebende Ausländer für die Initiative ausgesprochen – schliesslich fühlen sich rechtschaffene und sich hervorragend integrierende Ausländer von ihren kriminellen Landsleuten zu Unrecht ins Zwielicht gerückt.

8. Die Ausschaffung, bzw. Ausweisung ist die Strafe an sich. Glaubt jemand tatsächlich, dass sich ein rechtskräftig wegen schwerem Drogenhandel verurteilter Nigerianer, der den weiten und harten Weg bis in die Schweiz geschafft hat, von Schweizer Gefängnissen abschrecken lässt, einen nächsten Gesetzesbruch zu unterlassen, wenn ihm keine andere Optionen offenstehen?

9. Die klaffende Lücke zwischen Elite und Volk, über die ich vor einem Jahr schon mal geschrieben habe, ist wie schon bei der Minarett-Initiative sehr schön zu sehen. Nehmen wir dazu die Auszählung der Bezirke der Stadt Zürich (Ja-Stimmen in Prozent):

Ausschaffungsinitiative Kanton Zürich

Die tiefste Zustimmung zur Initiative findet sich in den Kreisen 4 und 5 – frühere Arbeiterquartiere, die heute zu einem guten Teil von Studenten, Medienschaffenden und Künstlern bewohnt werden. Die höchste Zustimmung hingegen findet sich im Kreis 12, dem Armenquartier Schwamendingen (wenn man denn in Zürich überhaupt von Armenquartieren reden kann).

Überhaupt muss sich die gesamte Elite tiefgreifende Gedanken machen, ob sie die Stimmbürger überhaupt vertritt. Schliesslich wurde die „Ja“-Parole nur von der (die Volksinitiative einreichenden) SVP, der EDU und der Lega ausgegeben. Alle anderen haben vorgeschlagen, mit „Nein“ zu stimmen. Namentlich sind das die Regierung, das Parlament, die Parteien FDP, CVP, SP, GPS, BDP, EVP, GLP, CSP und PdA, die Verbände SGB (Gewerkschaftsbund) und Travailsuisse, der Kirchenbund, die Bischofskonferenz und die Flüchtlingshilfe.

10. Lautes Geschrei über den Ausgang der Abstimmung und leise Genugtuung über die nachfolgenden, undemokratischen Ausschreitungen ist vor allem von Leuten zu hören, die (schon finanziell) dazu in der Lage sind, sich alle problematischen Ausländer schön vom Leibe zu halten. Viele von ihnen leben zwar gerne neben und mit Ausländern – aber wenn es konkret darum geht, ihr Kind in einer Schule unterzubringen, in der es in der deutschsprachigen Minderheit wäre, bringen sie alles in Bewegung, damit das nicht geschieht und flüchten. Die meisten von Ihnen leisten kaum (unbezahlte) Integrationsarbeit – spielen sich aber gerne als moralische Instanz auf, wie bitteschön alle anderen denken sollen und wie sie sich zu verhalten haben.

Andere können das nicht. Sie sind am Arbeitsplatz und in der Freizeit dazu gezwungen, sich im eigenen Land mit Leuten zu arrangieren, die andere Sitten pflegen und andere Sprachen sprechen. Trotzdem sind sie sind es, die den Grossteil der konkreten Integrationsarbeit leisten. Die Frage, ob diese überhaupt notwendig ist oder ob verschiedene Kulturen und Sprachen tatsächlich völlig problemlos nebeneinander her leben können, sei mal dahingestellt.

Nochmals: Die tatsächliche Integrationsarbeit mit Ausländern, die nicht komplett problemlos zu integrieren sind, wird zumeist nicht von Journalistinnen, Künstlern oder Studenten in den Zürcher In-Bezirken geleistet. Sondern von Kindergärtnerinnen in Schwamendingen, von Fussballtrainern in Bülach und von Sanitärinstallateuren in Fehraltorf.

Diese Leute kommen mehrheitlich gut klar mit Ausländern, aber mit Kriminellen wollen sie nichts zu tun haben. Und genau so haben sie auch abgestimmt.

Andere Stimmen:

Kommentar von Andreas Von Gunten auf merelythinking.net
„Auswirkungen der Ausschaffungsinitiative“ (integrations-politik.blogspot.com, Semih Kutluca)
„Gefährliche Minderheiten-Sonderregelungen“ (augenreiberei.ch, ts)
„Die Zeichensetzer marschieren durch“ (wahlkampfblog.ch, Mark Balsiger)

22 Gedanken zu „Die Ausschaffungsinitiative als Wegweiser“

  1. Diese Ausführungen geben sich den Anschein, sachlich zu sein – sind es aber in den wenigsten Punkten.
    Nur zwei Bemerkungen:
    1. Die Schweiz hat einen so hohen Ausländeranteil, weil sie eine extrem restriktive Einbürgerungspraxis hat und es insbesondere für EU-Ausländer nicht attraktiv ist, sich einbürgern zu lassen. Würde sie einbürgern wie die USA, wäre der Ausländeranteil bei 6%.
    2. Der Widerstand gegen die Initiative geht nicht von einer Elite aus, welche sich die Schulen selber aussucht und nicht mit den AusländerInnen zusammenlebt, sondern gerade von Leuten, welche intensiven Kontakt mit AusländerInnen pflegen und die Situation auch gut kennen (auch die Schulen). Die Kreise 4 und 5 weisen immer noch die höchsten Ausländeranteile auf (gefolgt von 12, zugegeben) – und die Kantone mit den höchsten Ja-Anteilen die geringsten Ausländeranteile.

    Eine Frage, die ich andernorts schon einmal gestellt habe: Übernimmt Ronnie Grob bald eine Funktion innerhalb der SVP?

  2. @philippe: word! (@ronnie: du findest also, dass 47.1% eine elite sind. hm…;)
    @ronnie: die demokratie darf nicht zur diktatur der mehrheit werden! deshalb hat die schweiz damals einen ständerat und das ständemehr eingeführt. dieser minderheitenschutz hat jedoch seine grenzen und ist z.t. überholt. ich schätze dein engagement für die demokratie ausserordentlich. etwas mehr selbstkritik würde die glaubwürdigkeit desselben massiv stärken…:)

  3. Nein, Neonazis sind die 52,9% wohl nicht. Verängstigt und von rechter Propaganda geblendet aber zu einem guten Teil schon. Ein paar Reaktionen:

    1. Philippe hat dazu schon alles gesagt
    2. Wenn ein Gesetz oder eine verfassungsgrundlage für Personen mit unterschiedlicher Herkunft nicht gleich sind, muss man das schon als rassistisch bezeichnen
    3. Die Zuwanderung mag Probleme schaffen, diese Initative löst keines davon
    4. Da hast du recht. Das ist aber nicht relevant für die Beurteilung der Initiative
    5., 6., 7., 8. Mag sein. Der gestrige Entscheid schafft aber dennoch zweierlei Recht und ist schon alleine deshalb eines demokratischen Rechtsstaates unwürdig.
    9. Der Ausländeranteil in den Kreisen 4+5 ist enorm hoch, dennoch wurde die Initiative dort – wie in Basel, Bern, Lausanne, Genf etc. abgelehnt. Generell lehnen also Menschen in Gebieten mit hohem Ausländeranteil die Initiative eher ab. Dass dies Schwamendingen, Bümpliz und ähnlichen Quartieren anders aussieht, ist eine Tatsache, kann aber genauso gut mit dem Bildungs- nud Wohlstandsniveau dieser Quartiere zusammenhängen.

  4. Das man über solche Themen abstimmt ist ok, das so ein Ergebnis dabei rauskommt spricht auch nicht unbedingt gegen die direkte Demokratie, aber ja: Ich finde das Ergebnis zum Kotzen. Und das wird man ja wohl noch sagen dürfen (um mal mit Sarrazin zu argumentieren).

    Den grössten Anteil von Ausländern hast Du übrigens nicht in Bümpliz-Süd, sondern zentral in Zürich. Ich arbeite in einem Team mit Holländern, Indern, Chinesen, Spaniern, Franzosen, Rumänen, Russen, Amerikanern, Briten und Schweizern. Und das sehr gerne und sehr gut.

    Übrigens halte ich die wiederholte Forderung nach Integration zumindest diskussionswürdig. Ich wüsste nicht mal welche Kriterien hier anzulegen wären. Bist Du in Berlin integriert? Ab wann bist Du das? Nur weil Du die Sprache sprichst? Was ist der Massstab für gelungene Integration? Sprache, Geld, Einkommen, gemeinsame Hobbys? Ich finde es völlig in Ordnung, wenn z.B. ein Inder in Zürich wohnt und sich hier nicht integriert. Das ist schlichtweg seine Sache, da bin ich zutiefst liberal.

    In Zürich-Seebach z.B. will ich mich nicht integrieren, von dort will ich nur schnell wegziehen. Zu viele Kleingeister da.

  5. @Philippe Wampfler: Nein, ich werde „keine Funktion innerhalb der SVP“ übernehmen. Ich habe kein Kontakt zu dieser Partei. Warum fragst Du?

    Zu 1: Und was ist mit diesen Bestimmungen?

    Zu 2: Ich wurde heute auf diesen Artikel in der „Zitty“ hingewiesen. Das geht es um Berlin Kreuzberg, was etwas vergleichbar ist mit den Zürcher Kreisen 4 und 5.

    @philipp meier: In diesem Fall haben sich die Initianten vorbildlich demokratisch verhalten. Von einigen aus dem gegnerischen Lager kann man das nicht behaupten.

    @Matthias Fiechter: Die Mehrheit der Schweizer Stimmbürger ist also „von rechter Propaganda geblendet“? Tatsächlich?

    @Moritz Adler: Mir leuchtet Deine Position ein, Henryk M. Broder hat kürzlich auf „Spiegel Online“ genau diese Position auch vertreten.

    Der Massstab für gelungene Integration ist tatsächlich nicht so leicht anzusetzen, vielleicht haben sich darum auch die Stimmbürger gegen den im Gegenentwurf angestrebten Integrationsartikel entschieden, der kaum konkrete Auswirkungen gehabt hätte, schwammig geblieben wäre.

    Stattdessen haben sie sich entschieden, dass jene, die schwerkriminell sind oder Sozialbetrug zu verantworten haben, gehen müssen.

  6. Ich frage nach Verbindungen zur SVP, weil hier und in Kommentaren an anderen Orten der Versuch unternommen wird, die Ausschaffungsinitiative als ein legitimes und mit demokratischen Grundprinzipien locker zu vereinbarendes Anliegen zu bezeichnen. Ich kenne in der Schweiz keine mit den Prinzipien von demokratischen Rechtsordnungen vertrauten Menschen, welche eine solche Position vertreten – ausser sie vertreten direkt oder indirekt die Interessen der SVP. Und ich kann mir gut vorstellen, dass du in der SVP schnell Karriere machen würdest.

  7. @Philippe Wampfler: die Ausschaffungsinitiative wurde vom Parlament akzeptiert, ist jetzt von der Mehrheit der Bevölkerung angenommen und wird nächstens umgesetzt, so wie jede andere angenommene Initiative auch – was daran nicht demokratisch oder legitim sein soll, ist mir schleierhaft.

    Ich finde es unangemessen, wenn Du Leuten, die Deine Vorstellungen nicht teilen, selbständiges Denken absprichst. Wer nicht mit Dir ist, ist SVP, so lautet offenbar vereinfacht Deine Denkweise. Ein etwas gar simples Konzept, finde ich.

  8. @ Philippe Wampfler und der Demokratie
    Ich glaube, dein Verständnis von Politik ist eingeschränkt, ebenso Dein Networking mit anderen Personen in der CH mit bürgerlichen Einstellung die dazu stehen, dass sie für die Initiative waren. Ich bin keine SVP-lerin, vertrete aber die Meinung des Autors. Und bedenke, Deine Einstellung ist knapp in der Minderheit, also versuche die Mehheit oder den Autor nicht als einzelne/r Extremist/en darzustellen.

  9. @Philipp Meier (und auch @Philippe Wampfler): Du bist herzlich dazu eingeladen, Deine Gedanken dazu in einem Gastbeitrag auf direktedemokratie.com zu äussern. Einfach hier einsenden, das würde mich freuen.

    Für mich ist klar, dass Minderheiten in einer Demokratie in Extremfällen geschützt werden müssen, aber die Panik vor der „Diktatur des Volkes“ halte ich einfach nur für übertrieben. Demokratie, also Volksherrschaft, läuft nun mal so – es entscheidet die Mehrheit. Wer das nicht so will, muss sich die Frage gefallen lassen, ob er demokratisch gesinnt ist.

  10. @ronnie: wir schreien aus dem wald, wie du rein schreist. nur weil ich gewisse demokratische verfahren oder strukturen hinterfrage, stellst du gleich meine demokratische gesinnung in frage? was soll das bitte?! ich mache mir viel mehr sorgen um die demokratie als du! du feierst sie blind, hebst sie auf den sockel; derweil mache ich mir sorgen! es ist doch dasselbe, wie bei frisch und dürrenmatt. sie wurden als nestbeschmutzer beschimpft, stattdessen sorgten sie sich um die schweiz.

    hier «mein» text: http://www.journal21.ch/weshalb-die-svp-das-volk-hinter-sich-bringt

  11. Zum Thema: freie, selbstständige Meinung

    Die Entscheidung ist nur dann demokratisch, wenn alle Meinungen gleichberechtigt dargestellt werden. Wenn, wie in diesem Fall, den Bürgern die Anliegen der SVP von oben und unten, links und rechts in alle Eingänge gestopft werden und die gegenteilige Meinung kaum zu lesen ist im öffentlichen Raum, dann ist der Entscheidungsprozess undemokrtaisch zustande gekommen. Er ist erkauft (auf teuren Plakatwänden landesweit), um die Macht der SVP zu erhalten und zu stärken. Das ist unmoralisch und verwerflich. Gefährlich deswegen, weil eine so grosse Gruppe in der Scheizerischen Gesellschaft diffamiert und in Verdacht gezogen worden ist.
    Die SVP hat nichts gegen Ausländer, nein sie zieht sie lautstark als schwarzen Peter in ihrer Parteinwerbung aus dem Aermel, mit dem sie trefflich zu verunsichern weiss und so die weissen Schafe und sogar einige schwarze in ihr kaltes Gatter lockt. Warum muss man sich denn noch die umfangreichen Texte im Abstimmungsbüchlein durchlesen, wenn doch schon alles von den Plakaten winkt? Gruslige ausländische Vergewaltiger, schwarze kriminelle Schafe. Klare Sache. Raus damit. Mit einfachen Parolen kann man viele holen!

    Und jetzt kann man nicht einfach da stehen und mit den Achseln zucken und behaupten: «ja… die Mehrheit hat entschieden… da kann man jetzt nichts mehr machen… so ist das halt in einer direkten Demokratie. Pech gehabt liebe Ausländer jetzt gibts halt ein hartes Gesetz für euch und ein weicheres für die schweizer Bürger. Aber direkte Demokratie ist halt so, und weil sie so ist ist sie gerecht»

    Bedauerlich, dass die mitte und links Parteien nichts, aber auch gar nichts der Propagandawalze entgegenzusetzen hatte.
    Bedauerlich, dass so eine Abstimmung überhaupt zur Abstimmung zugelassen worden ist.

  12. @Christian Schnur: Angesichts der Tatsache, dass nahezu jeder Journalist aus den Schweizer Medien, den ich so kennenlerne, grundsätzlich linksgrün eingestellt ist, verwundert mich die Einschätzung etwas, dass die Schweizer Konsumenten mit Rechtspropaganda überflutet worden sind. Persönlich habe ich vor der Wahl den Aufruf „2x Nein“ hundertfach gelesen, untergegangen kann der also nicht sein.

    Ich glaube ausserdem, dass es bei der Abstimmung mehr um Kriminelle als um Ausländer ging. Auch wenn man wollte: Schweizer Kriminelle kann man nun mal nicht ausschaffen – höchstens verwahren. Es hat sicher auch mit dem Wohlstand in der Schweiz zu tun, dass man sich so vor Kriminalität fürchtet.

    @Ugugu: Gut möglich. Was mich zudem interessieren würde: Das Abstimmungsverhalten kürzlich Eingebürgerter.

  13. @Ugugu
    Von Letzeren kenne ich Einige:
    Die frisch eingebürgerten Bekannten von mir waren deutlich mehr als 53% für diese Initiative! Weil es eben worum geht? Nicht Ausländer auszuschaffen, sondern kriminelle Ausländer auszuschaffen. Und die machen den sozialisierten Ausländern in der Schweiz und ihrem Status in der Gesellschaft schwer zu schaffen. Und glaub mir, ein schweizer Mörder, Vergewaltiger oder Dieb, dem würden wir am Liebsten nach Vergewaltigung sein bestes Stück, beim Klauen seine Hand abhacken oder ein Mörder am Galgen aufhängen und danach im See ersäufen. Dies ist aber nur eine Wunschvorstellung und nicht erlaubt, daher füttern wir die Schweizer bei 4. Gang-Menue im Gefängnis durch – und die Krönung – die Ausländer ja auch, weil sie erst danach ausgeschafft werden können.
    Die Schweizer haben generell Nichts gegen Ausländer nur Kriminelle wollen wir definitiv aus dem Weg haben! Weil – es in der Schweiz für JEDEN möglich ist – ob Ausländer oder Schweizer – hier ein ruhiges, gesittetes Leben zu führen. Wir haben so viele Sozialinstitutionen, wo hier Bedürftigte unterstützen und es muss gar Niemandem schlecht gehen hier. Also sollen sie sich auch so verhalten – Ausländer wie Schweizer.

  14. @sibylle: nur ganz kurz zwei Anmerkungen:
    1. „ausländer“ meint auch hier in der Schweiz geborene Menschen (wir haben v.a. deshalb einen so hohen Ausländer-Anteil, weil die hier geborenen nicht automatisch eingebürgert werden; nicht mal in der zweiten oder dritten Generation).
    2. Was, aus welchen gründen auch immer, kaum jemand weiß: Die Ausländer zahlen mehr in die schweizer Sozialwerke ein, als sie je beziehen (apropos „Sozialhilfebetrug“)
    Ich finde es einer Demokratie unwürdig, wenn keine differenzierte Meinungsbildung mehr möglich ist und nur noch polemisiert wird…

  15. @ Ronnie Grob
    Ein Stimmbürger sollte nicht zu einem «Konsumenten» gemacht werden. Ein Konsument nimmt unreflektiert auf. Aber in der Tat, durch die Plakatkampagne -und das ist der SVP trefflich gelungen- wurde der Bürger zum Konsumenten gemacht.
    Ich bin beruflich fast täglich in der ganzen Schweiz unterwegs und mir sind ununterbrochen und überall und immer die Plakate der SVP im Gesichtsfeld gewesen. Ich habe kein einziges gesehen, das für den Gegenvorschlag oder 2x Nein geworben hätte. Ich hatte leider keine Zeit welche zu malen, noch hatte ich die Kohle so viele APG Plakatflächen zu mieten.

    Jeder darf natürlich für seine Initiative werben und informieren in dem Rahmen den er sich leisten kann. Nur wenn das nur einer tut, dann ist die Entscheidungsfindung nicht mehr demokratisch. Denn der, der am lautesten Schreit hat die meisten Kunden oder Zustimmer.

    Ich kenne nun von Berufswegen her viele Journalisten und da sind die Meinungen so vielfältig und ausgewogen, wie sich unsere Gesellschaft darstellt. Die umfangreiche Berichterstattung in den Medien, und die darf nie zu einer Propagandawalze werden, war ausgewogen (auch wenn das Thema im gesamten übergebührend beachtet wurde).

    Bei der Abstimmung ging es um kriminelle Ausländer. Und es ging vor allem darum möglichst viele Stimmen für die initiative der SVP zu gewinnen. Die kriminellen Ausländer waren nur ein einfaches, billiges Schreckgespenst. Wer hat denn schon ein Herz oder Mitgefühl für Verbrecher. Ich nicht.

    Aber ich habe ein Herz für Gerechtigkeit und für gleiche Behandlung aller Bürger durch den Rechtsstaat. Für diese Initative bestand kein Handlungsdarf. Wegweisung ist schon Rechtspraxis und die Einzelfallprüfung ist gerecht. Die Kriminalitätsrate ist mehr oder weniger auf dem selben tiefen Stand wie vor mehr als einem Jahr und die Mehrheit der verurteilten Verbrecher in den Gefängnissen sind Schweizer. Kriminalität bekämpft man nicht mit dummem Geschwätz und sinnlosen Initiativen, sondern mit solider Polizeiarbeit zu Beispiel.

    Oder wie wäre es mit gesellschaftlichem Zusammenhalt?

    @ Sybille T.
    Das Mittelalter ist vorbei.
    Unsere Gesellschaft wird sich nie aus nur unschuldigen reinen Menschen zusammensetzen. Und richtig; in der Schweiz leben wir friedlich und ruhig.

  16. @Christian Schnur: Deine Aussage …

    (…) die Mehrheit der verurteilten Verbrecher in den Gefängnissen sind Schweizer.

    … stimmt meines Erachtens nicht.

    Die Excel-Tabelle „Mittlerer Insassenbestand nach Geschlecht, Nationalität und Alter“ zeigt, dass im Jahr 1984 in den Schweizer Gefängnissen 2235 Schweizer auf 986 Ausländer trafen. Im Jahr 2008 hingegen waren nur noch 1324 Schweizer – und Ihnen gegenüber 2268 Ausländer.

    Mehr dazu auf bfs.admin.ch.

  17. @ Ronnie Grob

    Möglich, dass ich mich da verlesen habe aber zum Thema Straftaten ist die Pressemitteilung des BFS differenzierter:

    http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/19/22/press.html

    Zitat: Rund 52 Prozent der Beschuldigten von Widerhandlungen gegen das Strafgesetzbuch sind
    Schweizer, 29 Prozent gehören zur ständigen ausländischen Wohnbevölkerung und 4,4 Prozent zur
    Asylbevölkerung. Die restlichen gut 14 Prozent der Beschuldigten sind Ausländer, die sich ohne
    längerfristige Aufenthaltsregelung in der Schweiz aufhalten.
    Beru?cksichtigt man nur die Beschuldigten der ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz, dann sind
    64 Prozent Schweizer Staatsangehörige und 36 Prozent Ausländer.

    Und warum soll der in der Schweiz niedergelassene Ausländer noch zusätzlich bestraft werden, wenn er doch schon seine gerechte Strafe verbüsst hat?

  18. @ Christian Schnur

    Also dass die SVP bei Kampagnen den Ausländer das schwarze Schaf zuspricht, hast Du recht, ist wirklich nicht i.O. Finde ich auch so, obwohl ich rechtspolitisch orientiert bin. Aber! – Bei dieser Abstimmung fand ich die Youtubevideos der Rot-Grünen genauso unter der Gürtellinie, wo dargestellt wird, wie der Lehrer beispilsweise Ausländerkinder ausschliesst aus dem Schulzimmer. Hat ja null Zusammenhang und geht Schulkinder überhaupt nichts an. Also kein Haar besser sind sie, die Linken wie die Rechten! Dann müsst ihr das Maul auch nicht so gross aufreissen.

  19. @Philippe Wampfler: Der Ausländeranteil der Schweiz ist nicht hoch weil wenig eingebürgert wird, sondern weil die Zuwanderung hoch ist. Die Schweiz bürgerte 2009 45’000 Leute ein. Das 10x grössere Deutschland weniger als 100’000. Die 40x grösseren USA 743,715. Also beide Länder pro Kopf weit weniger als die Schweiz. In den USA sind nur 13% der Bevölkerung im Ausland geboren.In der Schweiz sind es über 23%.

    http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_countries_by_foreign-born_population_in_2005

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