Archiv der Kategorie: Politik

Samuel Schmid und Roland Nef:
Geht da der Richtige?

Ein Bundesrat und ein Armeechef kämpfen unter dem Druck von Medien und Politik um ihr politisches Überleben. Nun geht der Rangniedere. Warum eigentlich?

Samuel Schmid
Bundesrat Samuel Schmid am 6. Juni 2008 in Bern (Bild: Keystone, Lukas Lehmann)

Kapitulieren wir doch mal die Ereignisse in der Reihe ihrer Abfolge:

1. Samuel Schmid will Roland Nef zum Armeechef machen.

2. Roland Nef sagt zu, warnt aber Samuel Schmid, er sei in ein laufendes Verfahren verwickelt.

3. a) Samuel Schmid interessiert sich nicht für diese Information und geht diesem Verfahren nicht nach.
3. b) Samuel Schmid bringt sich über die Lage in Kenntnis und versucht, sie zu vertuschen.

4. Samuel Schmid setzt den Restbundesrat mit Zeitdruck unter Zugzwang und erzählt ihnen nichts über das laufende Verfahren. Er gibt seinem Ministerkollegium, angeblich, um mögliche Indiskretionen zu vermeiden, nur eine Stunde Vorbereitungszeit, um sich für Roland Nef als Armeechef zu entscheiden.

5. Roland Nef wird eine Stunde später gewählt.

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Geht da der Richtige?
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Samuel Schmid sagt (gem. NZZ):
„Dies zeigt mir meine allgemeine Kompetenz meiner Arbeit.“

Ja, ich bin handlungsfähig. Dies zeigt mir meine allgemeine Kompetenz meiner Arbeit. Die Reaktionen meiner Kollegen zeigen mir das.

Samuel Schmid heute, am 21.07.2008, an der Pressekonferenz gemäss Protokoll der NZZ. Ich wundere mich, wann endlich jemand auf dieses Bild zurückgreift. Habe ein Bilderarchiv durchforscht, es ist nur eines von etwa dreissig wirklich witzigen Samuel-Schmid-Bildern. Warum sind schweizer Journalisten so schrecklich vorsichtig?

Update gleich nach Veröffentlichung: Ungewöhnlich für die NZZ wurde der Artikel komplett überarbeitet. Was Schmid tatsächlich gesagt hat, muss wohl eine Tonaufnahme beweisen. Die NZZ ist nun jedenfalls der Meinung, Schmid habe das gesagt:
Samuel Schmid sagt (gem. NZZ):
„Dies zeigt mir meine allgemeine Kompetenz meiner Arbeit.“
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Barack Obama in der Zitty:
Ich bin blau – un das… is…

Zitty!

Dass ihr Barack Obama aufs Cover hievt, nun ja, das sei euch verziehen, das machen ja alle anderen auch etwa jede dritte Woche. Aber der Titel „Ich bin schwarz. Und das ist auch gut so!“ – der ist unter aller Sau. Wenn Klaus Wowereit von sich sagt „Ich bin schwul – und das ist auch gut so!“ – dann ist das eine Aussage, die Klaus Wowereit tätigen kann, weil er Klaus Wowereit ist und weil er schwul ist.

Barack ObamaScreenshot zitty.de

Wenn ihr aber Barack Obama den Satz „Ich bin schwarz. Und das ist auch gut so!“ in den Mund legt, dann ist das einfach infam. Hättet ihr so einen Titel auch gemacht, wenn John McCain gekommen wäre? Also ein Titel, auf dem „Ich bin weiss. Und das ist auch gut so!“ steht?

Ich bin sicher, dass Obama niemals so einen Mist über sich verzapft hat. Fragt Euch doch mal selbst, wann ihr zuletzt euer Weiss-Sein (was ich euch jetzt mal pauschal unterstelle) reflektiert habt.

Für mich wirkt der Titel, als könnte es sein, dass etwas mit weiss-sein oder etwas mit schwarz-sein nicht gut sein könnte. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, was das ist, aber vielleicht habt ihr mir da etwas voraus…

Die Schildkröte Alter holt jeden – auch den rollenden Stein von 1968

40 Jahre ist es her, seit ein Aufruhr gegen die Konventionen des Bürgertums stattfand. Nun sind die “Children of the Revolution”, die damals keinem über dreissig trauen wollten, im Rentenalter. Sie sind heute das, was sie selbst mal bekämpft haben: das starrsinnige, dünnhäutige Establishment.

Ihr lieben Achtundsechziger
Ihr lieben Achtundsechziger
Jedes Böhnchen marschiert durch ein Institutiönchen
Danke für Alles – Ihr dürft jetzt gehn

PeterLicht – Ihr lieben Achtundsechziger

In diesen Tagen erscheinen in den Zeitungen wieder sehr viele Texte und Beilagen rund um das Jahr 1968, als einige junge Menschen aus meist gutbürgerlichem Haus auf die Strasse gingen und “Revolution machten”. Wer sich fragt, warum denn dieses Phänomen so ausführlich in den Medien Platz findet, wenn einen doch die Zusammenfassungen dieser Tage bereits zum zwanzigsten, zum fünfundzwanzigsten und zum dreissigsten Jahrestag gelangweilt haben, dem sei gesagt, dass viele der damaligen Revolutionäre Journalisten geworden und inzwischen in den Chefetagen angekommen sind. Und die nun mal gerne zurückschauen auf die Zeit, in der sie noch jung und wild waren. Genau so wie sie damals wieder und wieder lesen und hören mussten, wie sich ihre Elterngeneration im zweiten Weltkrieg geschlagen hatte. So wie die jetzige Generation die Anfänge des Internets preisen wird in dreissig Jahren.

Heute sind die 68er und viele ihrer vielen Nachkommen das, was sie selbst mal bekämpft haben: das starrsinnige, dünnhäutige Establishment. Es ist kein Vorwurf, es ist nur das stets verdrängte Alter, das sie nun doch noch einholt, so wie die runzlige Schildkröte einen rollenden Stein, der irgendwann doch noch zum Stillstand gekommen ist.

Joschka Fischer, Mitte, lacht am Dienstag, 22. April 2008, neben seiner Ehefrau Minu Barati, links, waehrend des Empfang anlaesslich seines 60. Geburtstags in Berlin.
Joschka Fischer, Mitte, lacht am Dienstag, 22. April 2008, neben seiner Ehefrau Minu Barati, links, waehrend des Empfang anlaesslich seines 60. Geburtstags in Berlin. (Bild: AP/Keystone, Tim Brakemeier)
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Gebärtouristen mit Notgeburten

Liberalen und Neoliberalen wird ja gerne vorgeworfen, marktgläubig zu sein. Ich glaube, dass man an den Markt gar nicht glauben muss. Der Markt spielt einfach. Zum Beispiel an der deutsch-polnischen Grenze, wie ich eben aus der eher marktkritischen Frankfurter Rundschau erfahre. Der Artikel heisst „Gebärtourismus: Seltsamer Babyboom im Osten„:

Nach der Grenzöffnung 2004 erlebte Schwedt, eine 36 000 Einwohner zählende Grenzstadt in der Uckermark, einen wahren Babyboom. Keinen einheimischen, sondern einen importierten. Etwa 400 Frauen aus Polen, die angeblich als Touristinnen im eher unspektakulären Schwedt unterwegs waren, ließen sich zwischen 2004 und 2007 ins Klinikum bringen, wo sie eine Notgeburt hatten.

Warum?

Der Chefarzt und seine Mitarbeiter, alle aus Polen stammend, hatten im Internet und mit Broschüren in Polen für das Schwedter Krankenhaus geworben.

Und warum wollen polnische Mütter denn in Deutschland niederkommen? Ganz einfach, weil es billiger ist als „in Polen, wo junge Mütter bestimmte Dinge aus eigener Tasche zuzahlen müssen“.
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