König Rentner

Nach dem Tod von Queen Elisabeth II. mit 96 Jahren wird Charles III. mit bald 74 Jahren zum König des Vereinigten Königreichs von Grossbritannien und Nordirland. Als Brite hat er seit 2013 Anrecht auf eine Staatspension – die er beansprucht hat, bezieht und wohltätig weiter gibt. Auch als Schweizer würde er schon seit 9 Jahren eine Rente aus der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) beziehen. Die Politik stuft Charles also aufgrund seines Alters als so schwach ein, dass sie ihm seit Jahren eine Rente ausbezahlt.

Zugleich wird ihm nun die höchste Verantwortung im britischen Königshaus übertragen – Spötter lachen, dass er nun endlich seinen ersten echten Job antreten könne. Dass der lebenslange Prinz erst jetzt, wo ihn seine Kräfte verlassen und er sich mutmasslich einen geruhsamen Lebensabend wünscht, an die Macht und in die Verantwortung gelangt, ist sein persönliches Schicksal. Aber auch ein Ausdruck einer zunehmend geriatrischen westlichen Gesellschaft. Die freie Welt wird von Opis regiert.

An ihrer Spitze steht US-Präsident Joe Biden, der am 20. November dieses Jahres 80 Jahre alt wird. Es lässt sich trefflich darüber streiten, wie dramatisch die altersbedingten Ausfälle von Präsident Biden sind. Dass aber mit ihm jemand über den Einsatz von Atomwaffen verfügen kann, der vom Teleprompter abliest, als wäre er ein defekter Roboter, und nach Reden seine Hand ziellos in die Luft streckt und dann von der Bühne geführt werden muss, macht wohl nicht nur mir grosse Sorgen. Wer nicht mehr im Vollbesitz der geistigen Kräfte ist, führt falsch oder wird vielmehr von seinem Umfeld geführt.

Am 25. September stimmt die Schweiz ab über eine Mini-Reform der AHV, die nicht viel mehr als eine Gleichbehandlung der Geschlechter anstrebt: Wie Männer sollen auch Frauen ab 65 Jahren eine Rente erhalten, und nicht schon ab 64. Auch wenn Gleichstellung der Geschlechter eine Kernforderung der Linken ist, wenden sie sich dagegen, weil sie darin einen Sozialabbau sehen.

Für viele junge Menschen ist es eine Diskussion um Details, die sie selbst nicht so viel angeht. Sie rechnen nämlich schon längst nicht mehr damit, jemals gesetzliche Altersrenten ausbezahlt zu erhalten, die ihnen zum Leben reichen. Sie sorgen stattdessen selbst vor, zum Beispiel, indem sie mit einem persönlichen Sparplan jede Woche oder jeden Monat einen gewissen Betrag in Bitcoin anlegen.

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Energie ist nicht knapp

«Energie ist knapp. Verschwenden wir sie nicht.» Das ist die Hauptbotschaft einer landesweiten Kampagne des Schweizer Bundesrats, die bis April 2023 laufen soll.

Die Regierung stellt sich vor, dass die Schweizer Bürger die Räume weniger warm heizen, weniger warmes Wasser verbrauchen, elektrische Geräte und Lampen abschalten, und auch beim Kochen und Backen Energie einsparen sollen.

Die Regierungsverantwortliche für die Energieversorgung, Simonetta Sommaruga, schlägt sogar vor, dass das Individuum nicht mehr alleine in die Dusche steigt, sondern wenigstens ein Familienmitglied oder einen WG-Mitbewohner mitnimmt.

Wie schon während der Coronakrise, als sich der Bundesrat anmasste, bestimmen zu wollen, wie viele Personen sich in privaten Räumlichkeiten treffen sollen, können diese Versuche des Staats, ins private Leben einzugreifen, nur vollumfänglich zurückgewiesen werden. Mit Verlaub, aber die Regierung geht es rein gar nichts an, was der Bürger in seinen vier Wänden treibt. Die Regierung hat sich, wenn überhaupt, um die Versorgung, nicht um das Verhalten der Bevölkerung zu kümmern.

Die Energiespartipps weisen auf sehr peinliche Weise auf das Versagen der Verantwortlichen, die Versorgung sicherzustellen. Waren sich jene 58,2 Prozent der Stimmbürger, die im Mai 2017 der Energiestrategie 2050 zustimmten, klar, dass das eine Art von «Energiewende» bringen würde, die in einem möglichen Totalausfall von Strom und Heizung resultiert? Dass sowas in einem der reichsten Länder der Welt möglich werden kann, ist kaum zu verstehen.

Was die gescheiterte Energiewende der Regierung erzeugt, ist eine relative Knappheit von Energie. Doch absolut ist Energie weder knapp noch begrenzt. Wie die Wirtschaft kein Kuchen ist, der irgendwann verteilt und gegessen ist, ist auch Energie fast unendlich vorhanden, kein Nullsummenspiel.

Nehmen wir die Sonnenenergie, die auf die Erde trifft – 2010 überstieg sie den Weltenergiebedarf der Menschheit um den Faktor 10 000. Auch die Energie von Wind, von Wasser, von Atomkraft muss nur aufgefangen und weitergeleitet werden, so dass sie zur richtigen Zeit dort ausgeliefert werden kann, wo sie nachgefragt wird. Nicht einmal das Erdöl ist uns ausgegangen – Anfang 2020 bezahlten Anbieter sogar kurzzeitig dafür, dass ihnen jemand Öl abnahm.

Richtig ist also: Energie ist nicht knapp. Die Menschen sind nur zu blöd, sie effizient zu nutzen. Wer mit einer Packung Chips faul auf dem Sofa rumliegt, glaubt vielleicht auch, dass seine Energie zu knapp sei, und vielleicht gerade noch ausreiche, den Kühlschrank zu erreichen. Doch steht er auf, und fängt an zu trainieren, kann er weit kommen. So wie der Japaner Nao Kazami, der 2018 in 6 Stunden und 9 Minuten 100 Kilometer weit gelaufen ist. Weltrekord.

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Rückkehr der Haarpolizei

Ältere Semester erinnern sich sicher noch an diese gestrengen Frömmler, die sich Notizen gemacht haben, wer wie oft und wie pünktlich in der Kirche anzutreffen war. Wer wie oft und wie viel getrunken hat. Wer geflucht und wer nicht korrekt gegrüsst hat. Es waren Leute, denen das Lösen eigener Probleme nicht genug war, und die stattdessen endlos darüber ablästern konnten, wenn jemand spätabends noch Licht brennen hatte, oder gar unbekannten Besuch empfing. Die gleiche Art von Leuten konnte sich später unglaublich aufregen über die Pilzfrisuren der Beatles und dann über die langen Haare der 1968er. Auch Frauen, die aus dem Iran, aus Afghanistan oder Saudi-Arabien in die europäische Freiheit geflüchtet sind, erinnern sich noch mit Schrecken an die Sittenpolizei in ihren Herkunftsländern, die darüber wachte, ob ihre Haarpracht korrekt bedeckt war oder nicht. Das Haar offen zu tragen ist ja angeblich unsittlich – das jedenfalls behaupten selbsternannte Religionswächter bis heute.

Unter dem Banner der «kulturellen Aneignung» kommt nun die Idee, dass eine Frisur nur von bestimmten Personen getragen werden darf, neu in die Schweiz. Sie wird portiert von einer winzigen Minderheit, die ihr «Unwohlsein» über eine gewisse Art von Haarpracht in Kombination mit einer gewissen Farbe von Haut zum Ausdruck bringt. Dieses Unwohlsein wirkt sich aus, und zwar in Form von verhinderten Auftritten für Musiker mit heller Haut und Rastalocken – jeweils durch eine kurzfristige Absage seitens des Veranstalters oder gar durch den Abbruch des Konzerts. Sängerin Ronja Maltzahn wurde am 25. März 2022 von einer Veranstaltung von «Fridays for Future» in Hannover ausgeladen. Die Reaggaeband Lauwarm wurde am 18. Juli in der Brasserie Lorraine in Bern von der Bühne geholt und konnte am 20. August bei der «Lorraine Chilbi» nicht auftreten. Letzte Woche, am 16. August, wurde Mario Parizek ein Auftritt in der Bar «Das Gleis» im Zürcher Zollhaus verwehrt.

Die Fälle häufen sich, erstaunlich dabei ist dreierlei.

Erstens, dass die Empörung, dass jemand aufgrund Hautfarbe und Frisur diskriminiert wird und deswegen nicht auftreten kann, nicht viel grösser ist – wie nennt man Diskriminierung aufgrund von der Hautfarbe nochmals?

Zweitens, dass eine mutmasslich winzige Minderheit (von vielleicht nur einer Person), die ein Konzert verhindern will, weil die Frisur des Künstlers angeblich nicht zu seiner Hautfarbe passt, überhaupt ernstgenommen wird.

Drittens, dass die sich unwohl Fühlenden ihre diskriminierenden, unfreiheitlichen Vorstellungen zwar erfolgreich äussern und auch durchsetzen können, es dabei aber geschickt zu vermeiden wissen, öffentlich Stellung zu nehmen.

Es ist eine Zwängerei von einer Minderheit, die nicht mal mutig genug ist, sie öffentlich zu vertreten. Die freie Gesellschaft sieht sich hier konfrontiert mit einem unsichtbaren, aber höchst effektiven Gegner.

Hoffnung macht immerhin, dass diese Zwängerei nicht nur Liberalen wie FDP-Kantonsrat Marc Bourgeois zu weit geht, der heute Montag im Fall Parizek aktiv werden will, sondern auch einigen altgedienten Linken. Feststellen dagegen muss man, dass jungen Menschen, die in linken Kultureinrichtungen die Verantwortung tragen, ein paar unsinnige Bedenken reichen, um einem Künstler zu diskriminieren und ihm die Bühne zu verwehren.

Heute sind es hellhäutige Leute mit Rastas, die nicht auftreten dürfen. Und morgen? Eine freie Gesellschaft muss sich Haut- und Haarpolizisten und ihrer kruden Moral entgegenstellen.

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Netzwerkstaat folgt Nationalstaat

Einer der quirligsten neuen Intellektuellen ist der Unternehmer Balaji Srinivasan. Mit «The Network State: How To Start a New Country» hat der New Yorker mit indischen Wurzeln nun sein erstes Buch veröffentlicht. Kernthese: Nationalstaaten sind von gestern und werden auf lange Frist auseinanderbrechen und an Macht verlieren. An ihre Stelle treten Netzwerkstaaten, die sich im Internet formieren und sich irgendwann manifestieren und materialisieren. Den Prozess stellt sich Srinivasan vor als eine umgekehrte Diaspora: «eine Gemeinschaft, die sich zuerst im Internet bildet, online eine Kultur aufbaut und erst dann persönlich zusammenkommt, um Wohnungen und Strukturen zu bauen.»

Ein Luftschloss? Srinivasan argumentiert, dass eine solche Ablösung möglich werde aufgrund des Wandels von der handfesten Welt des Materials zur nicht mehr leicht fassbaren Welt der Informationen. Bis ins Jahr 2020 habe die materielle Welt vorgeherrscht, seither gelte das Primat der Onlinewelt: «Früher war die physische Welt primär und das Internet der Spiegel. Jetzt hat sich das umgedreht. Die digitale Welt ist primär und die physische Welt ist nur der Spiegel. Wir sind natürlich immer noch physische Wesen. Aber wichtige Ereignisse passieren zuerst im Internet und materialisieren sich später, wenn überhaupt, in der physischen Welt.» Den Beleg dafür liefert er gleich selbst, eine Printversion des Buchs sucht man nämlich vergebens. Zwar gibt es das Werk auf Amazon für den Kindle zu kaufen, alle Inhalte sind aber frei verfügbar auf thenetworkstate.com.

Das Buch sprüht vor steilen Thesen, deren Eintreten in die Realität man sich nicht alle sogleich vorstellen kann. Dass sich jedoch Ideen erst später manifestieren, zeigt die Geschichte. Die Umsetzung folgt der Idee, der Baum wächst aus dem gesetzten Samen – bis das Werk fertig ist, und der Baum gross, dauert es. Auch ist ein Trend zur Abnahme einer lokalen oder nationalen Verbundenheit bereits jetzt gut zu beobachten. Einige Wiediker, Solothurner, Tessiner, Schweden oder US-Amerikaner wollen sich nicht mehr zuerst über ihre Wurzel oder ihren Aufenthaltsort definieren, sondern lieber Europäer, Bitcoiner, Veganer, Metalheads, Feministen, Beliebers oder Weltbürger sein. Auch supranationale Netzwerke wie die UNO, NATO, EU, WHO und andere gewinnen, zunächst in der Diskussion, aber zunehmends auch in der Realität, an Macht.

Ganz so rasch verliert der Nationalstaat aber nicht an Bedeutung. Es ist anzunehmen, dass die Stabilität und die Rechtsstaatlichkeit, die er nach wie vor bietet, vor allem aber seine lange Existenz, die sich in den Köpfen der Menschen festgesetzt hat, noch über viele Jahre Grund genug sein wird, dass er am Leben bleibt. So lange die Macht über Territorialfragen entscheidend bleibt, bleibt auch der Nationalstaat. Eine schleichende Veränderung hat aber eingesetzt.

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Die Inflation bleibt

Der «Schweizer Monat» gehört zu jenen Medien, die früh, eindringlich und wiederholt vor einer gefährlich hohen Inflation gewarnt haben, die durch eine übermässige Geldmengenausweitung der Zentralbanken erzeugt wird.

Jörg Guido Hülsmann sah bereits 2010 eine «Spirale aus Geldmengen- und Preisinflation» voraus. Und Marc Faber sagte 2011: «Die Flutung der Wirtschaft mit Geld ist in der Tat eines der grössten Probleme unserer Zeit.» Natürlich wurden diese Leute immer wieder verlacht, etwa von Cédric Wermuth (2013): «Es ist doch in der Tat absurd, wenn die Leute heute von Inflationsgefahren sprechen.»

Im Juli 2020, als die Inflationsrate im Euroraum noch bei ausgewiesenen 0,39 Prozent lag, schrieb Peter Bernholz: Eine hohe Inflation wird nicht sofort kommen, aber sie dürfte kommen.» Nicht sehr überraschend ist die Inflation doch noch gekommen, und jetzt beschäftigt sie auch die anderen Medien.

Kann man etwas dagegen tun? «Zieht die Zügel an!», empfahl Barbara Kolm (2020): «Bei weiterhin extrem niedrigen Zinssätzen und fortlaufenden Anleihekäufen sollte man sich besser gar nicht vorstellen, was während der nächsten Krise geschehen wird.» Für Gegenmassnahmen sei es längst zu spät, fand dagegen Markus Krall schon 2019 – der Inflationsschock könne nicht mehr eingefangen werden. Die superexpansive Geldpolitik basiere auf einer Fiktion, von der sich die EZB nicht mehr lösen könne, schrieb Mathias Binswanger (2019).

«Der Moment der Wahrheit für das Geldsystem» (Thorsten Polleit, 2020) – kommt er bereits diesen Sommer oder Herbst? Die Zentralbanken jedenfalls scheinen mit ihrer Verschleppung der seit 2007/2008 schwelenden Krise an den Finanzmärkten an ein Ende ohne klare Auswege zu kommen – meisterhaft inszeniert mit Zwischenschritten wie «Wir haben zu wenig Inflation, wir müssen sie erzeugen» über «Die Inflation ist vorübergehend» bis «Die Inflation hat auch gute Seiten».

Ein Update des Finanzsystems scheint unumgänglich. Ob es die Zentralbanken ordentlich geplant durchführen oder ob es sich auf chaotische Weise ereignet, kann nicht vorhergesagt werden. Allzu lange genau so weiter wird es aber nicht gehen können – es sei denn, man will den Leuten zumuten, mit Starkinflation zu leben. Oder aber den überschuldeten Staaten zumuten, pleite zu gehen.

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Journalist