Mit Coronamassnahmen zum Personalmangel

Der Personalmangel in technisch anspruchsvollen Berufen, für die man nicht nur gut ausgebildet sein muss, sondern auch lange Erfahrung haben muss, ist altbekannt: Bauingenieure, Bauleiter, Heizungsplaner, Klimatechniker, technische Zeichner, Maschinenbauer und Informatiker werden schon so lange gesucht, dass man sich längst daran gewöhnt hat, dass sie fehlen. Spätestens seit dem Coronajahr 2020 ist auch der grosse Personalmangel in den anspruchsvollen Bereichen der medizinischen Pflege, aber auch allgemein beim im Schichtbetrieb arbeitenden Spitalpersonal, etwa bei den Assistenzärzten, einer breiteren Öffentlichkeit wohlbekannt.

Ziemlich neu dagegen ist, dass auch Durchschnittsjobs, die zwar viel Einsatz, Nerven und Durchhaltevermögen, jedoch neben Grundkenntnissen nur wenig Erfahrung verlangen, kaum noch vergeben werden können. Gemäss Zahlen des Bundesamts für Statistik hat die Quote der offenen Stellen im Gastgewerbe (Beherbergung und Gastronomie) seit 2003 nie 1,8 Prozent überschritten. Doch 2019 stieg sie auf 2,4 Prozent und ging dann im ersten Quartal 2022 auf 4,3 Prozent hoch. Damit Restaurants überhaupt offen bleiben können, müssen die Ansprüche an das Personal laufend gesenkt werden: Das Verständnis der deutschen Sprache oder gar des Schweizerdeutschen wird etwa für Servicepersonal vielerorts nicht mehr vorausgesetzt. Man nimmt alle, die irgendwie brauchbar sind – wer bitteschön kann denn in einer Stadt wie Zürich kein Englisch?

Die Abgangswelle ist keineswegs überraschend, gehört doch das Gastgewerbe zu den von Coronamassnahmen am stärksten gegängelten Branchen. Wer nicht von der Regierung zum Hilfssheriff in Sachen Corona degradiert werden wollte und keine Lust darauf hatte, sich ständig testen zu müssen oder gar zur Impfung gedrängt zu werden, hat die Branche verlassen und sich neu orientiert. Das Bild, das die Verbliebenen in der Branche abzugeben gezwungen waren, war keines auf Augenhöhe: Zwangsmaskiertes Servicepersonal bedient unmaskierte Kunden. Viele werden nie wieder in das Gastgewerbe zurückkehren.

Auch andere Branchen haben Arbeitskräfte für immer verloren, etwa Fluggesellschaften wie die Lufthansa-Tochter Swiss. Deren Management hat sich in den persönlichsten Lebensbereich der Mitarbeiter eingemischt und ihnen nur noch die Wahl zwischen Coronaimpfung und Entlassung gelassen. Gut nachvollziehbar, dass viele hier nicht mitgemacht haben. Gemäss einem Bericht der Sonntagszeitung sind es insgesamt 150 Piloten und Flight-Attendants, die bereit wären, zu fliegen, vom Swiss-Management aber daran gehindert werden. Denn dieses will auch bald drei Monate nach Beendigung aller Coronamassnahmen keine Mitarbeiter ohne Coronaimpfung beschäftigen.

Aufgrund von Personalmangel fallen diesen Sommer Hunderte von Swiss-Flügen aus, vielleicht werden es Tausende. Die Kunden der Fluggesellschaft sollten sich weder beim Boden- noch beim Kabinenpersonal beklagen, sondern direkt beim Management. Es ist seine ideologiegetriebene und unfreiheitliche Personalpolitik, die zu den Ausfällen führt.

Newsletter hier abonnieren: Schweizermonat.ch/newsletter

Putin hat keinen Vogel

Wahnsinnig, verrückt, durchgeknallt, irr, krank. Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin wird von vielen die geistige Gesundheit glattweg abgesprochen, und damit die Fähigkeit, rationale Entscheide zu treffen. Merken die Ferndiagnostiker, dass sie ihn damit in Schutz nehmen? Wer derart bösartig handle, postulieren sie, könne das ja wohl nicht mit gesundem Geiste und in voller Absicht tun. In der Tat wäre es für Putins Gegner geradezu tröstlich, hätte er wirklich einen Vogel. Denn ein geistig angeschlagener, fahriger oder impulsiver Kriegsführer begeht viel mehr Fehler als ein gesunder, und kommt dadurch auch intern stärker unter Druck.

Ich halte Putin für einen Mann von gestern mit wenig Skrupel und einer zweifelhaften Moral; aber auch für jemanden, der rational denkt und vorgeht. Seine wahren Kriegsziele bleiben dabei schwer fassbar. Um die gesamte Ukraine einzunehmen, hätte er mehr Truppen auffahren müssen. So liegt der Schluss nahe, dass es ihm von Anfang an nur um die Annektierung der östlichen Regionen ging. Tritt das ein, steht es in Kontrast zu den vielen Berichten in westlichen Medien, welche seit Februar die zahlenmässig stark unterlegenen Ukrainer als tapfere Helden darstellen, die angeblich kurz davor stehen, eine hoffnungslos veraltete und demotivierte russische Armee zurück nach Moskau zu schicken.

Putins erklärte Ziele – Verzicht der Ukraine auf einen NATO-Beitritt, Erklärung der Neutralität, Anerkennung von Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten, Anerkennung der Krim als russisch – sind nach wie vor erreichbar. Das liegt auch daran, dass die grosse Solidarität mit der Ukraine in Europa vor allem verbal zum Ausdruck gekommen ist. Zwar wurden Flüchtende aufgenommen, Waffenlieferungen jedoch waren und sind umstritten. Und schon gar nicht eilen europäische Armeen der ukrainischen zu Hilfe; aus guten Gründen, denn so könnte der lokale Konflikt erst recht eskalieren.

Bisher ist es die US-amerikanische Rüstungsindustrie, die von hastig ausgesprochenen Waffenbestellungen aus verunsicherten europäischen Sozialdemokratien profitiert. Aber auch in Russland ist die Lage nicht so düster wie medial dargestellt. Das Land sitzt auf Rohstoffen, deren Preis ansteigt. Der Wert des russischen Rubels hat sich gegenüber dem Franken von 0,012 vor dem Krieg auf 0,017 gesteigert. Und die geschlossenen McDonalds-Restaurants wurden aufgekauft und unter russischer Führung wiedereröffnet.

Putins Grenzüberschreitung könnte zu dauerhaft neu gezogenen Grenzen führen. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg zum Erfolg führt. Die moralische Verurteilung alleine hat noch niemanden gestoppt.

Newsletter hier abonnieren: Schweizermonat.ch/newsletter

Irgendwann wechselt die Richtung

Wer ganz oben angekommen ist auf der Achterbahn, erreicht einen Punkt, an dem alles schön ist und still: Erhaben thront er über dem Freizeitpark, die Aussicht ist fantastisch. Irgendwann fangen die Menschen in den Wagen vor ihm an zu schreien. Aber daran denkt er noch nicht.

Auch das westliche Wirtschafts- und Finanzsystem scheint gerade einige Höchst- und Tiefststände überwunden zu haben; es scheint fast so zu sein, als würden sich einige langjährige Trends umdrehen. Die Kurve der Aktienpreise neigt sich nach fast 14 Jahren kontinuierlichem Aufstieg wieder nach unten. Die Kurve der Inflationsrate zeigt nach Jahrzehnten der Preisstabilität steil nach oben. Der Ölpreis rasselte am Anfang der Coronazeit aufgrund eines Nachfrageeinbruchs auf unter null: Zeitweilig musste zahlen, wer sein Öl loswerden wollte. Seither steigt der Ölpreis unaufhaltsam. Nur ein Trend bleibt unverändert: Staaten finden immer wieder gute Gründe, um sich munter weiter zu verschulden.

Seit dem Sommer von 1971, als sich die Regierung Nixon von der Deckung des US-Dollars durch Gold verabschiedete und damit ein neues Weltwährungsregime einführte, haben Kritiker in grosser Zahl moniert, dass ein Fiat-Geldsystem, ohne Deckung und Anker, auf Dauer gar nicht funktionieren könne. Die Realität allerdings zeigt seit bald 51 Jahren auf, dass das sehr wohl funktioniert. Mit der Gefahr, dass man sich daran gewöhnt: 51 Jahre sind eine so lange Zeit, dass sich nur noch die Allerältesten, Allerjüngsten und Allerverrücktesten der Gesellschaft vorstellen können, dass es sich eines Tages plötzlich neu ordnet.

Wie geht es weiter? Das wissen auch die Zentralbanker nicht. Und doch tun sie so, als hätten sie alles im Griff. Auf die Frage, wie die Geldmengenausweitung rückgängig gemacht werden könne, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde bei einem Anlass vor Studenten Ende Mai (ab Minute 16) nichts mehr als: «It will come … in due time … in due course.» Keine Panik also. Zu gegebener Zeit kommt dann schon Bewegung in die Sache. Unten angekommen ist noch jeder, der zuvor die Aussicht von oben genossen hat. Ganz entgleist sind nur wenige Wagen. Viel mehr als eine gründliche Entwertung von Geld, Aktien oder Immobilien kann eigentlich gar nicht passieren. Am Ende von Monty Pythons «Life of Brian» singen sie alle zusammen, am Kreuz hängend:

I mean, what have you got to lose?
You know, you come from nothing
You’re going back to nothing
What have you lost? Nothing.

Newsletter hier abonnieren: Schweizermonat.ch/newsletter

Die Chinesen werden eingesperrt

Vielleicht haben Sie es nicht mitgekriegt, weil bisher nur wenige Journalisten darüber berichten: Aber es sieht ganz so aus, als würden 1,4 Milliarden Menschen ihr Land nicht mehr verlassen können: die Chinesen.

Die neue Regelung wurde von der chinesischen Einwanderungsbehörde bereits am 12. Mai über die Social-Media-Plattform WeChat kommuniziert: Die Ausstellung von Reisedokumenten und die Zahl der Ausreisewilligen soll streng begrenzt werden. Die Erklärung, zitiert von Ft.com, forderte eine «strenge Umsetzung der Ein- und Ausreiserichtlinien, um nicht unbedingt notwendige Auslandsreiseaktivitäten chinesischer Staatsbürger streng einzuschränken». Als Grund dafür vorgeschoben wird natürlich der Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus – was ja auch von westlichen Regierungen als Allzweckwaffe missbraucht wurde, um antiliberale Massnahmen durchzusetzen.

Wer nicht Chinese ist, bleibt fern von China oder flieht so rasch wie möglich. Expats ziehen in Massen ab, internationale Firmen haben grosse Mühe, überhaupt noch jemanden vor Ort zu bringen oder halten. Denn mit der verrückten und inhumanen Coronapolitik des Parteiregimes lässt es sich einfach nicht leben. Weil es kaum Medienfreiheit gibt, ist nicht abzuschätzen, wie viele Chinesen davor flüchten wollen.

Was tun sozialistische Regierungen, wenn ihnen die Leute davonlaufen? Sie riegeln die Grenzen ab und bauen einen Zaun oder eine Mauer drumrum. So erging es den Ostdeutschen, die von der DDR-Regierung zwischen 1961 und 1989 hinter die Berliner Mauer verbannt wurden.

Die Chinesische Mauer wurde während der Ming-Dynastie (1368-1644) in Nordchina errichtet, um sich gegen die aus dem Norden anstürmenden Mongolen zu schützen. Die Ming-Dynastie untersagte mehrfach die private Seefahrt, jeweils über Jahrzehnte hinweg. Die nachfolgende Qing-Dynastie verstärkte den Isolationskurs und ging als letzte Dynastie in die Geschichte ein.

Bewegt sich China unter Xi Jinping wieder in ein isolationistisches Zeitalter? Noch ist es zu früh für ein Urteil. Das Parteiregime hat sich jedenfalls mit Fleiss, geschickter Hand (und viel Spionage) in vielen Bereichen an die Spitze der technologischen Entwicklung gesetzt; womöglich glaubt nun die Parteiführung, über ausreichend eigene Fähigkeiten zu verfügen, um sich von der restlichen Welt abkoppeln zu können. Doch wer nicht weltoffen bleibt, schadet sich selbst: ob Nordkorea oder die DDR – je länger Länder unter der Herrschaft sozialistischer Regimes abgeschottet sind, je weniger innovativ sind sie.

Newsletter hier abonnieren: Schweizermonat.ch/newsletter

Unter linksurbanen Hypochondern

Als freiheitlich gesinnter Journalist ist man einsam geworden und sieht sich in einer Branche umgeben von Staatstreuen, Übervorsichtigen, Hyperkorrekten. Bin nun ich im richtigen Beruf oder sind sie es?

Die Leser der «Schweizer Journalist:in» haben die nicht mit Namen auftretenden Menschen hinter dem Medium Megafon Reitschule Bern zur Chefredaktion des Jahres 2021 gewählt. Ich hingegen habe mich längst damit abgefunden, nie einen Journalistenpreis zu gewinnen. Nicht, dass es wichtig wäre, aber natürlich leben Journalisten von Anerkennung: Sie geben sich Mühe, so attraktiv wie möglich zu schreiben, um gelesen zu werden. Und wenn sie herausfinden müssen, dass dem nicht so ist, dann leiden sie: So wie die Theaterkritikerin, die Jahrzehnte in der Illusion lebte, von der ganzen Kulturschweiz, ja, von halb Europa gelesen zu werden, und dann mit dem Internet herausfinden musste, dass ihre Artikel kaum je angeklickt werden. Es sollen schon gestandene Männer mit Tränen in den Augen sich im Chefbüro verzweifelt beklagt haben, dass niemand, aber auch gar niemand eine Rückmeldung zu ihrem Text gegeben habe! Journalisten sind wie Künstler; sie leben ein Stück weit vom Einkommen, vor allem aber vom Applaus.

Als Chefredaktor eines Nischenmagazins habe ich mich wohl oder übel daran gewöhnt, von meinen Berufskollegen ignoriert zu werden: Die Themen des «Schweizer Monats» seien zu schwierig, die Artikel zu lang, das Lesen zu anstrengend: So wie die Smartphone-Konsumzeit ansteigt, so sinkt die Aufmerksamkeitsspanne, natürlich auch bei Journalisten. Wer mehrere Stunden täglich auf Twitter ist und Dutzende Tweets absetzt, ist kaum noch in der Lage, einen längeren Text bis zu Ende zu lesen. So viele sind, ohne es sich bewusst zu sein, von der Big-Tech-Industrie via KI und Algorithmen in den festen Griff genommen worden, nicht nur die Teenies und die Boomer. Ein Problem, um in der von Social Media dominierten Welt Aufmerksamkeit zu erhalten, sind die Bezahlmauern: Während Grosskonzerne wie TX Group oder Ringier die Marktmacht haben, ihre Leser zu einem Login zu bringen oder zu zwingen, ist das für ein Nischenmagazin schwierig. Der «Schweizer Monat» hat zwar mehr Abonnenten, seit ich Chefredaktor bin, aber es ist ein grosser Kampf um jeden einzelnen Leser.

Eine WOZ in jeder Stadt
Im Jahr 1982 war die Inflation zuletzt so hoch wie heute, und wir erleben auch in anderen Fragen eine Wiederholung dieser Zeit. Der Star der Linken zu dieser Zeit war Niklaus Meienberg: Ein Kraftwerk von einem Mann, für den jeder Mächtige, der seinen Weg kreuzte, eine Einladung war, ihn zu zerlegen. Wer seine Texte heute liest, bleibt fasziniert von seiner Kreativität und Sprachgewalt, muss aber auch eingestehen, dass er es nicht immer so genau nahm mit den Fakten, wenn denn nur die Richtigen an die Kasse kamen. Beim Megafon Reitschule wäre er zu einem Leader geworden, und er wäre sicher nicht so feige gewesen, sich in einem anonym auftretenden Kollektiv verstecken. In der Realität der 1980er-Jahre stand er am Rande der Gesellschaft. So wie die WOZ, die ständig nach Geld suchte.

Den heutigen WOZes geht es sehr viel besser, es gibt in jeder Stadt eine, und sie sind nicht nur salonfähig, sondern auch erfolgreich geworden: Republik und Tsüri in Zürich, Bajour in Basel, Hauptstadt in Bern, Zentralplus in Luzern. Finanziert werden sie direkt von Abonnenten, aber auch von grünlinksurban gesinnten Millionären. Man könnte meinen, es sei alles in Butter, aber doch wollen sie noch lieber das Geld vom Staat erhalten. Dass der Staat private Medien aktiv auf Antrag nach selbst gewählten Kriterien finanziert (Online-Medienförderung), war in den 1980er-Jahren nicht nur auf staatlicher Seite undenkbar, sondern auch von privater Seite unerwünscht. Unabhängigkeit vom Staat war damals erstrebenswert. Dass Journalisten heute die Abhängigkeit vom Staat suchen, zeigt, dass sie ihn auf ihrer Seite wähnen.

Entscheidend ist die Beziehung zur Privatwirtschaft
«Die vehementesten Fürsprecher der Medien sind die Linken. Und das kommt nicht von ungefähr. Denn links der Mitte weiss man, was man an den Journalisten hat.» Das schrieb Katharina Fontana in der NZZ, und sie hat recht. Ein Blick auf Journalistentwitter zeigt deutlich, wie die politischen Sympathien verteilt sind: Gut dort sind linksurbane Projekte, Jacqueline Badran und die GLP, schlecht sind Freiheitstrychler, Thomas Aeschi und die FDP. Gegenstimmen gibt es wenige: Sie sind desillusioniert verstummt, weil sie nicht immer neue Lust haben, in Diskussionen alleine gegen eine Übermacht von grünlinken Journalisten anzutreten, die sie immer wieder in den Dunst des Rechtsextremen oder den Dunst des bezahlten Lakaien rücken.

Wie eine 2021 veröffentlichte Analyse verschiedener Umfragen unter westlichen Journalisten zeigt («The Left-liberal Skew of Western Media»), sind die Unterschiede zwischen Journalisten und der Wählerschaft beträchtlich. Während christliche Ideen mehr als doppelt so viel Rückhalt unter Wählern finden (Faktor 2), sind es bei nationalistischen, EU-skeptischen und libertären Ideen Faktor 3 oder 4, bei nationalkonservativen Ideen sogar mehr als Faktor 5. Umgekehrt sind doppelt so viele Journalisten als Wähler EU-positiv eingestellt (Faktor 2), und Themen wie Kommunismus, demokratischer Sozialismus und Sozialismus kommen – ihrer bisher mit Millionen von Opfern gepflasterten Umsetzung zum Trotz – fast auf Faktor 2. Mehr als Faktor 2 findet das Themen Feminismus, und etwa drei Mal so viele Journalisten als Wähler finden grüne Themen wichtig.

Der entscheidende Punkt, den die Journalisten von der Bevölkerung unterscheidet, ist die Beziehung zur Privatwirtschaft, ein Punkt, den auch Katharina Fontana macht: «Journalisten haben überwiegend eine akademische Bildung, sie sind häufig städtisch geprägt und steigen oft in den Beruf ein, ohne vorher solide Erfahrung auf einem anderen Gebiet gesammelt zu haben.» Tatsächlich ist es die Prägung, die mich von den anderen unterscheidet: Ich habe nämlich vor meinem Journalistendasein kein Studium absolviert, sondern eine kaufmännische Lehre gemacht und vornehmlich in der Privatwirtschaft gearbeitet. Und so zu jenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern der Privatwirtschaft gehört, die gezwungen werden, mit ihren Steuern grünlinke Träume zu verwirklichen. Sie kommen in den Medien wenig vor, und wenn, dann meistens als herzlose Kapitalisten, die in einer Krise die Frechheit haben, sich von Mitarbeitern zu trennen. Vorzugsweise sprechen Journalisten mit dem Personal aus Universitäten, NGO und anderen staatsnahen Kreisen, oder aber, wie zunehmend bei SRF, mit internen «Experten». Also mit sich selbst.

Panik in der Pandemie
In der Pandemie hat es sich gezeigt, dass die Probleme, Einschränkungen, Sorgen und Nöte, die Arbeitgebern und Arbeitnehmern der Privatwirtschaft durch die Regierungsmassnahmen erwachsen sind, von den Journalisten mehrheitlich ignoriert wurden. In den Redaktionen dominierten recht bald die Hypochonder mit riesiger Angst vor dem Virus jene, die grundsätzlich auf ihre Abwehrkräfte vertrauten und eigenverantwortliche Massnahmen befürworteten. Stimmen, die die Massnahmen zu extrem, einschränkend und freiheitsfeindlich fanden, wurden von den Leitmedien erst dann als valide aufgenommen, als die Pandemie vorbei war. Mehr Staatstreue geht nicht.

Wie Rainer Stadler auf Infosperber.ch treffend feststellte, hätten die Journalisten in der Coronakrise autoritärere und einschneidendere Massnahmen umgesetzt als der Bundesrat. Ähnlich wie Neil Ferguson vom Imperial College London, der zu Beginn der Pandemie Millionen von Toten in wenigen Wochen falsch prophezeit hat, haben Journalisten wie Marc Brupbacher von TX Media mit ihren Schreckensszenarien von überfüllten Spitalbetten – es gab in der Schweiz nie zu wenig Intensivbetten, man kann es nachprüfen – die Regierung zu immer extremeren Massnahmen gedrängt. Wer die Welt anders sieht oder darstellt, betreibt dann halt eben «Wissenschaftsleugnung» – so macht man es sich.

Hätten diese Journalisten politische Macht ausüben können, dann hätten wir auch in der Schweiz Massnahmen erleiden müssen, wie sie die kommunistische Partei Chinas durchsetzt. Menschen, die gegen die verrückte No-Covid-Politik der KPCh mit ihren sinnlosen Lockdowns opponierten und demonstrierten, um sie zu verhindern, wurden und werden lächerlich gemacht von Journalisten. Ich bin sehr froh, dass diese Journalisten keine direkte politische Macht haben. Es ist absurd geworden: Wenn man jene, deren Auftrag es ist, die Regierung zu kontrollieren, politisch mehr fürchten muss als die Regierung selbst.

Dieser Artikel ist in gekürzter Form in der Branchenzeitschrift «Schweizer Journalist:in» 2/2022 vom 16. Mai 2022 erschienen.

Journalist