Opfer

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Letzte Woche war ich an einer Party von und mit netten Menschen. Es gingen bis zu meinem Aufbruch (eines selbstauferlegten Zwangs, früh aufzustehen wegens, wahrscheinlich verpasste ich das Beste) fünf Gläser kaputt, was mehrere Lachen an verschiedenen Stellen verursachte. Die Polizei schaute vorbei, worauf ein kleines Küchenfenster geschlossen wurde. Und mindestens zwei Personen wurde etwas Rotkäppchen Rosé trocken in den Nacken geleert, was zur Folge hatte, dass

Apropos Opfer. Das Gespräch kam auf das die Zeitschrift mit der unsäglich unhandlichen Beilage und dem unsäglich unhandlichen Namen ZeitMagazin Leben. Das Gespräch kam auf das unterdessen vor- oder vorvorletztwöchige Gespräch zwischen dem deutschen Internet- und Innenminister Wolfgang Schäuble und einem dem Ghetto Kreuzberg entwachsenen Deutschtürken namens Harun Kaynar, wobei ich das Wort Deutschtürke sehr verdächtig finde. Stand aber, wenn ich nicht falsch liege, ich kann hier leider nicht nachsehen, so im Beitrag. Gibt es auch Türkendeutsche? Oder Türkdeutsche? Online ist das ab und zu von den Zeit-Journalisten unterbrochene aber hauptsächlich von Schäuble mit Kaynar geführte Interview lustigerweise nicht bei zeit.de, sondern direkt im Bundesministerium des Inneren (Link leider nicht mehr verfügbar).

Beginnen wir mit dem Schluss:

SCHÄUBLE: Sagen Sie mal: Die 16-jährigen, die in der Schule keinen Abschluss bekommen, können alle mit dem Computer umgehen?

KAYNAR: Klar. Die können auch perfekt tippen, vom Chatten mit all den Weibern kommt das.

Herr Schäuble, Herr Kaynar, verraten Sie uns zum Schluss, was Sie auf Ihrem Handy gespeichert haben?

SCHÄUBLE: Ich habe kein Handy. Ich glaube, dass 95 Prozent aller übers Handy geführten Gespräche überflüssig sind. Und ich habe das Glück, dass ich als Politiker und Behinderter kein Handy brauche, weil ich immer jemanden dabeihaben muss, über den ich erreichbar bin.

KAYNAR: Ich habe Fotos von meiner Tochter und Freunden gespeichert, dann habe ich da noch zwei Fotos von Muhammad Ali und ein paar türkische Lieder.

SCHÄUBLE: Ich finde, Sie sind wirklich gut integriert. Ich wünsch Ihnen was! Sprechen Sie Deutsch, denken Sie an Ihre Tochter!

Ich weiss ja nicht, wie es anderen geht, aber als ich kürzlich auf dem Onlineangebot der Titanic diese Meldung gelesen habe, war mir, als würden sich Realität und Satire in letzter Zeit immer mehr verquicken. Wobei solche Immermehr-Sätze zurecht und nicht erst seit dem Launch des Immermehrblogs verdächtig sind. Das Wort Realsatire auch. Kommt zusammen mit den Deutschtürken auf die Liste.

Offenlegung: Das ist ein letzte Woche nicht beendeter Beitrag, den ich nun heute plötzlich doch nicht auf dem Friedhof der Manuskripte verenden lassen wollte.

Joggen mit Vitalic

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Es gibt ja Jogger, die ohne Musik laufen. Die sagen, es lenke sie ab, bringe sie aus dem Rhythmus, die sagen, sie würden lieber die Vögel hören und das Rausches des Waldes und ausserdem sei das zu gefährlich. Man würde überfahren werden, weil man das Hupen des 40-Tonnen-Lasters oder den heranbrausenden Zugs nicht hört.

Aber es gibt auch Jogger, die mit Musik laufen. Zu denen gehöre ich. Nicht immer gehörte ich zu denen. Aber seitdem ich einen MP3-Spieler (was für ein eigentümlicher Name sich da durchgesetzt hat) gekauft habe vor Jahren, laufe ich meistens mit dem Hörern in den Ohren und dem Ding an der Hose. Auch ich war gestört anfangs. Vom abweichenden Rhythmus, vom Gewicht, von den doofen Hörern, die immer rausfallen, von der Lautstärke, die sich mit ein klein wenig Reibung von selbst ändert.

Lange Zeit bin ich früh schlafen gegangen. Stimmt auch, aber darum geht es nicht. Lange Zeit bin ich auf „Shuffle“ gelaufen. Also im Total Shuffle Mode, von Bad Religion auf Chopin, weiter zu Andreas Dorau und über die Unicorns und Nina Simone zurück zu Mando Diao. Was ja so eine grosse Reise gar nicht ist. Aber ich mag es doch sehr, mich beim Laufen vom nächsten Stück überraschen zu lassen. Weil ich weiss, wie toll das nächste Stück sein kann.

Denn es könnte sein, dass man schon 20 bis 25 Minuten gelaufen ist und sich sanft und noch unbemerkt ein Gefühl der Klarheit einstellt. Vielleicht ahnt man es herankommen, ist sich aber nicht sicher, weil man sich schon länger in der Bewegung befindet. Vielleicht waren diesmal die ersten paar Minuten mühselig. Oder andere dazwischen. Doch wenn es sich nicht um einen aussergewöhnlichen Tag handelt, dann kommt es, dieses Gefühl, an dem man gleichzeitig schon ganz fertig ist und gleichzeitig von Neuem mit Energie durchflutet wird. Und wenn es sich einstellt, dann kann man darauf hoffen, dass es von einem Stück von „OK Cowboy“ handelt. Das ist eine Kompaktdisk von Vitalic . Aus dem Jahr 2005. Denn dann rennt es (das Ich ist schon längst von diesen Prozessen ausgeschlossen) von alleine und immer schneller. Zum Testen empfehle ich „La Rock 01“, „Poney Part 1“ oder „Trahison“.

Natürlich kann einen fast jede Musik beim Joggen glücklich machen, zB laute Gitarrenbands wie Maximo Park, Mando Diao oder Bloc Party sowie ganz viele verschiedene Arten elektronischer Musik. Oder Opernarien. OK Computer allerdings ist von mir persönlich in unterdessen jahrelangen Studien empirisch erprobt. Es ist ein verlässlicher, nicht sehr gesundheitsschädigender und dennoch sehr befriedigender Energiespender. Und haut wahnsinnig rein in den Runners-High-Minuten. Ich sag das einfach so als Verbraucher-Empfehlung. Wer nicht läuft oder nicht mit Musik läuft, der sollte einfach mal statt „OK Computer“ „OK Cowboy“ sagen. Aber nicht zu früh bringen, sonst verpufft die Wirkung. Erst dann, wenn man schon richtig verschwitzt ist (und dazu reicht leicht erweitertes Walking nicht, sorry). Funktioniert sicher auch mit Rudern, stundenlangen Liegestützen oder mit sehr aktivem Expressionstanz. Ich schliesse mit der Behauptung, dass „OK Cowboy“ im richtigen Moment reinhaut wie ein Schluck Cola bei Kilometer 41. Bei Cowboys und -girls.

Bärchenwurst

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Als ich das vierte Mal bei Lidl daran vorbeiglelaufen war, musste ich sie einfach kaufen. Die Bärchenwurst. Mit Schweinefleisch und Trinkwasser und Milch. Auf der Packung steht:

Übrigens:

Die Rezeptur aller unserer Bärchen-Produkte ist perfekt auf die Bedürfnisse von Kindern abgestimmt. Sie enthalten weder künstliche Aromastoffe, noch Geschmacksverstärker und der Fettanteil ist reduziert.

Selber schuld, wenn man sich als bald 32jähriger Bärchenwurst kauft. Dann schmeckt sie einem nämlich überhaupt nicht. Man isst eine Scheibe und wirft sie, entgegen allen sonstigen Gepflogenheiten, in den Müllsack. Wo sie nun unter etwas Kaffeesatz liegt. Immer noch freundlich lächelnd.

Journalist