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Mein Hut, der hat drei Cents

Wäre es nicht toll, wenn Mikrozahlungen funktionierten?

Flötenspieler in Amsterdam (Bild: Daniele Faieta)

Als die Mikrobezahldienste Kachingle und Flattr an den Start gingen, hab ich mich gleich angemeldet. Nicht, weil ich glaubte, damit schnell reich zu werden, sondern, weil das die ersten mir bekannten Dienste waren, die anboten, Websites bzw. deren einzelne Beiträge auf einfache Weise zu finanzieren.

Schon nach wenigen Monaten stellt sich nicht mehr die Frage, ob sie funktionieren. Grosse Blogs erhielten von Flattr für den Monat Juni Einnahmen von 200 Euro (Carta) über 250 Euro (Lawblog) bis zu 580 Euro (Netzpolitik). Die Website der „taz“ konnte rund 990 Euro einnehmen. Und das nur, in dem sie sich bei flattr.com anmeldeten und selbst mindestens zwei Euro pro Monat riskierten.

Sascha Lobo hat in fünf Punkten erklärt, warum er nicht flattrt. Ich versuche eine Entgegnung:

1. Geld soll nicht umverteilt werden, sondern von aussen zufliessen, zum Beispiel durch Werbung.

Schön ist die Theorie. Aber so einfach ist das nicht mit der Online-Werbung.

a) Von Bloggern, die ihre Website mit Google-Ads schmücken, hört man von Umsätzen, die nur manchmal überhaupt aus dem 99-Cent-pro-Monat-Bereich geraten. In Kauf nimmt der Blogger dafür, Werbung für Anbieter zu machen, hinter denen er je nach dem gar nicht steht. Und in Kauf nimmt der Blogger eine besetzte Werbefläche, die nur selten besonders schön wirkt. Auf der anderen Seite steht der doch eher unscheinbare Flattr-Knopf.

b) Von Bloggern, die versucht haben, Online-Werbung für ihr Blog zu organisieren, hört man von zu niedrigen Klickzahlen oder dem Versuch einer Einflussnahme auf die Inhalte. Bei einigen wenigen Blogs funktioniert die Online-Werbung. Manche Blogger können sogar davon leben. Das ist erfreulich. Aber wird sich diese Situation für kleine Medien ändern? Es bleibt zu hoffen, dass sich die Online-Werbung in Zukunft für noch mehr Blogs lohnen wird.

c) Was spricht generell gegen eine ständige Umverteilung von Geldern? Nennt man das nicht Wirtschaft? Bei Flattr kauft man sozusagen einzelne Inhalte für einen in gleiche Stücke geteilten monatlichen Betrag. Die Ware bleibt auf der Website.

2. Es profitieren nur grosse Angebote

Bei Google Ads und bei der Online-Werbung profitieren tatsächlich vor allem grosse Angebote. Bei Flattr aber kann ich mir vorstellen, dass auch ein völlig unbekanntes Blog zu einem Haufen von Flattrungen kommt. Wenn es einen Beitrag liefert, dem viele Konsumenten eine Qualität attestieren, worauf sie ihn flattrn und durch soziale Medien oder E-Mails weiterverbreiten.

Man muss kein „Fan der Umverteilung von oben nach unten“ sein, um festzustellen, dass Flattr einfach nur verteilt. An wen verteilt wird und wieviel, entscheiden die einzelnen Nutzer. Durch die bisherige Bekanntheit mögen grosse Angebote einen Startvorteil haben. Wer möchte, dass auch kleinere Angebote wahrgenommen werden, sollte aktiv auf diese hinweisen, also verlinken.

3. Transparenz hat nicht nur positive Seiten

Ja, vielleicht ist es äusserst peinlich, wenn sich jemand mein Blog ansieht und merkt, dass die meisten Beiträge nicht mal einen Klick aufweisen. Und jetzt?

Wird er deswegen das Blog nicht lesen? Wird jemand, der an einem Cellospieler in der U-Bahn vorbeiläuft, sich der Zahlung verweigern, wenn er merkt, dass nur ein oder zwei Münzen im Kasten liegen? Wird er die Zahlung verweigern, wenn schon sehr viele Münzen drinliegen, auch wenn ihm die Musik gefällt?

4. Es wird ein Kundenverhältnis zwischen Schreiber und Leser aufgebaut

Das ist die alte Debatte darum, ob Leser die Schreiber überhaupt interessieren. Das ist einfach zu beantworten: Wer sich keine Leser wünscht, sollte nicht publizieren. Wer publiziert, wird potentiell von Medienkonsumenten wahrgenommen.

Die zweite Frage lautet nun, ob das Verhältnis zwischen dem Leser und dem Schreiber irgendwie mit Geld in Verbindung gebracht werden kann. In einigen Fällen kann diese Frage getrost mit „Nein“ beantwortet werden. In vielen anderen Fällen muss sie wohl mit „Ja“ beantwortet werden. Werbung, potentielle Aufträge, Image, you name it.

Die Frage, ob sich Texte „nach anderen Kriterien“ ausrichten sollen „als dem ureigenen Interesse des Autors“ halte ich für durchaus angebracht. Denkt man sie durch, dann scheitert ein Grossteil aller existierenden Medien an dieser Frage.

5. Die Gründer sind zweifelhaft

Das mag sein. Ich wüsste jetzt aber nicht, wer so einen Dienst aufbauen könnte und nicht als zweifelhaft gelten würde. Google? Facebook? Apple?

Strassenkünstler in London (Bild: shining.darkness)

Wichtiger ist etwas anderes. Das Bewusstsein der Flattrer. Wer einen Beitrag flattrt, also konkret einen kleineren oder grösseren Betrag überweist, sollte das nicht leichtfertig tun. Wie nun aber die Realität zeigt, geschieht das.

So erhalten Beiträge Zuwendungen …

  • die fremde Inhalte eingebunden haben und dazu selbst kaum etwas hinzugefügt haben
  • die sich relativ substanzlos für oder gegen etwas einsetzen
  • die kaum mehr als einen Link beinhalten
  • die sich gegen gemeinhin verhasste Personen oder Organisationen wenden
  • die die Zukunft von Mikrozahlungen behandeln

Das ist aber ein Problem der Flattr-Nutzer, nicht von Flattr. Flattr bietet nur eine Möglichkeit an. Jeder wird die Freiheit nutzen, so zu flattrn, wie es ihm passt. Selbst simple Hinweise können als entlohnenswert eingestuft werden, wie Marcel Weiss richtig feststellt. Trotzdem: Ich halte ein Bewusstsein für die Originalität und die aufgewendete Arbeit eines Beitrags für angemessen.

Das im Mensch wohnende Boulevardschwein wird immer etwas oinken und quietschen. Ist es naiv, optimistisch zu sein und darauf zu hoffen, dass es sich dabei um Startschwierigkeiten eines neuen Dienstes handelt? Ich wünsche mir eine Zukunft im Internet, in der Inhaltsproduzenten für die Arbeit, die sie geschaffen haben, von Inhaltskonsumenten entlöhnt werden. Und zwar genau so, wie es denen gefällt.

Flattr könnte der Hut sein, den der Künstler nach der Vorstellung herumreicht. Wer mag, wirft etwas rein, 1 Cent, 10 Cent, 1 Euro, 10 Euro, 100 Euro, ganz, wie es die eigene Finanzlage und Grosszügigkeit erlaubt. Der Empfänger verfügt dann, nach Abzug von Gebühren und Steuern, frei über den gesammelten Betrag. Wäre es nicht toll, wenn das funktionieren würde?

Bild oben: CC Flickr/stormino, CC BY-ND-Lizenz.
Bild unten: CC Flickr/shining.darkness, CC BY-Lizenz.

Arschlochkind – ein Jahr Frau Freitag

Zum 1. Geburtstag eines zu wenig beachteten Lehrerinnen-Blogs.

Blogger werden (von Journalisten) oft gefragt, wo denn nun bitteschön all diese tollen Blogs sind, die angeblich die ganze Medienlandschaft umpflügen werden. Auch wenn man weiss, wie viele tolle Blogs es gibt, weil man ja täglich welche liest, kommt man dann je nach dem in Erklärnot. Denn ja, nicht alle Blogs sind toll, und ja, viele reagieren mehr, als dass sie agieren, und ja, viele haben auch in vielen Zeilen nichts zu sagen, und ja, Bloggen ist auch 2010 für die Meisten entweder Hobby oder Selbstausbeutung.

Man weiss zwar genau, dass es viele grossartige Blogs gibt, aber wenn man nicht beruflich mit ihnen zu tun hat, verliert man sie aus Zeitgründen schnell aus dem Sichtfeld. Eines dieser Blogs ist das Blog von Frau Freitag, das vor einigen Tagen den 1. oder 2. Geburtstag feiern konnte.

Frau Freitag

Wer Frau Freitag ist, weiss niemand so genau, denn sie schreibt (aus mir verständlichen Gründen) anonym. Vielleicht ist sie tatsächlich Lehrerin, vielleicht ist sie aber auch ein 12-jähriger Schüler, eine 73-jährige Pensionärin oder ein 40-jähriger Mann. Vielleicht schreibt sie aus dem echten Leben, vielleicht ist alles auch nur fiktiv (die Kategorie Lehrerfantasien zählt derzeit 49 Beiträge).

Um was geht es im Blog? Um eine Reihe von Lehrern, die Namen von Wochentagen tragen, um Schüler, die Ömer, Carlo, Samira, Micha, Dirk, Susie, Emma, Yusuf, Justin, Abdul, Daniela, Harun, Erol oder Emre heissen, um den Freund von Frau Freitag und um ein Frl. Krise. Personen, die echt sind oder auch nicht und die so beschrieben werden, dass man sie bald wie altbekannte Seriencharaktere vor sich sieht. Mehrmals in der Woche. Immer illustriert von einem dazu passenden Musikvideo. Manchmal schreibt Frau Freitag auch andere Erlebnisse auf, wie dieses Zusammentreffen mit jugendlichen Nazis.

Informiert über den Alltag an einer deutschen Schule ist das Blog auf jeden Fall derart gut, dass man sich kaum vorstellen kann, dass es von einer branchenfremden Person geschrieben wird. Wiederum ist das Blog so gut geschrieben, dass man sich kaum vorstellen kann, dass diese Lehrerin nicht ihr Geld mit Schreiben verdient. Es ist herrlich direkt und bringt alle Emotionen, die in der Lehrkörperschaft so schwelen, aufs Tapet. Diese Geschichte, die von Lehrerinnen handelt, die nachts um 2 Uhr einen Schüler anrufen und, als er verschlafen das Gespräch entgegen nimmt, „Arschlochkind!!! Arschlochkind!!! Arschlochkind!!!“ in den Hörer schreien, ist, wie in den Kommentaren zu erfahren ist, „ab Zeile 44 rein fiktiv“. Trotzdem ist das mindestens einer Leserin schon zu viel:

Arschlochkind?

Vermutlich verstehe ich einfach den Witz nicht, wenn eine Lehrerin ihren Schüler — wenn auch nur fiktiv — ein Arschlochkind nennt.

An anderer Stelle antwortet Frau Freitag auf einen ähnlichen Kommentar wie folgt:

(…) ja, ich bin oft äußerst genervt und frustriert. Ich glaube, das geht allen so, die mit unsererem Schülerklientel arbeitet. Darf ich das nicht sein? Oder darf ich dass nicht in meinem Blog aufschreiben? Darf ich nicht darüber berichten? Was soll ich denn mit meiner Frustration und meinem Genervtsein machen, alles runterschlucken und krank werden?

Ich bin immer noch da. Ich gehe jeden Tag hin und arbeite mit Jugendlichen, bei denen die meisten Leute die Straßenseite wechseln, wenn sie sie nur sehen. Jugendliche, mit denen niemand was zu tun haben will. Und ich will auch mit genau denen arbeiten. Aber es ist eben nicht immer leicht und ja, es ist sehr oft frustrierend. Aber ich mag meinen Job sehr gerne. Soll ich das hier immer wieder aufschreiben?

Und was heißt denn, dass man „ahnen könnte, wie es eigentlich gemeint ist“? Ich meine immer genau das was ich schreibe. Ich komme nach Hause, hatte ein Scheißerlebnis mit einem Schüler, setze mich an den Computer, schreibe es auf und dann geht es mit schon besser. Und wenn ich da sitze, dann meine ich genau das was ich da schreibe. Das einzige, was ich mir vorwerfen könnte ist, dass ich die positiven Dinge, die in der Schule passieren nicht so gerne aufschreibe. Was soll ich hier schreiben, wie toll irgendwas gelaufen ist?

Aber keinen Respekt für meine Schülerinnen und Schüler… diesen Vorwurf finde ich schon fast unverschämt und überhaupt nicht nachvollziehbar. Denn ich respektiere meine Schüler in höchstem Maße! Und das wissen und spüren die auch!

In Berlin fand dieses Wochenende der Karneval der Kulturen statt, der sich grosser Beliebtheit erfreut. Da ist auch nichts dagegen einzuwenden. Doch es ist schon ein sehr grosser Unterschied, der multikulturellen Gesellschaft zwanzig Minuten lang vom Strassenrand aus zu applaudieren und dann wieder nach Hause zu gehen oder am echten Karneval der Kulturen teilzunehmen, wie er täglich in der Schule stattfindet. Der nämlich nicht nur schlecht bezahlt, sondern oft nur nervenaufreibend und anstrengend. Und Nachwuchs ist kaum in Sicht. Von den jungen Lehrern und Lehrerinnen gibt es in Berlin nur noch wenige, wie zu lesen ist, suchen diese eher den Beamtenstatus in den reichen Bundesländern.

Ohne alle Blogbeiträge von Frau Freitag gelesen zu haben, glaube ich, dass sie es hervorragend hinkriegt, Klartext zu schreiben, ohne Grenzen zu überschreiten. Sollte Frau Freitag tatsächlich selbst Lehrerin sein, was anzunehmen ist, so ist ihre Leistung, nämlich ihre Emotionen und täglichen Beobachtungen in Texte zu kanalisieren, nicht nur eine Massnahme zu ihrer eigenen psychischen Gesundheit, sondern ein Verdienst für die Allgemeinheit. Sie spricht aus, was andere nur denken. Sie zeigt auf, wie es in einem von vielen Schulzimmern aussieht. Sie liefert wichtige Texte aus dem Alltag, die man lesen will, weil sie nicht nur informativ, sondern auch unterhaltsam sind. Sie liefert mir ihren subjektiven, ehrlichen Blick, den ich annehmen oder ablehnen kann.

Ich finde, Frau Freitag hat mehr Aufmerksamkeit verdient. Überhaupt haben alle Lehrerinnen und Lehrer, die im schwierigen Dreieck der Ansprüche von Eltern, Kindern und Vorgesetzten einen guten Job machen und dabei auch noch fröhlich bleiben, mehr Aufmerksamkeit verdient.

Na, wie war’s in der Schule? (fraufreitag.wordpress.com)

Nachtrag, 25. Mai: Frau Freitag schreibt einen „Nachtrag zum Bloggeburtstag“:

Ich schreibe nicht anonym! Ich heiße Frau Freitag und BIN Lehrerin!!!! Ich arbeite – Vollzeit – an der Mohamad Atta Oberschule. Ich wundere mich, dass einige Leute schreiben, dass ich vielleicht gar keine Lehrerin sei. Klar, kann niemand wissen. Aber ich sag es hier ja ganz deutlich – ich bin Lehrerin! Immer, überall und Frau Dienstag auch und Frl. Krise sowieso. Und ich denke mir hier so gut wie gar nichts aus. Im Gegenteil, ich beschreibe nur die unverfänglichen Erlebnisse.

Nachtrag, 13. März 2011: Ich hab Frau Freitag ein paar Fragen gestellt.

Ein Ja zu Experimenten

Es gibt einen, der bloggt und twittert, der die Idee einer regelmässigen Web-TV-Sendung mit dem traditionellen Fernsehen kreuzte und der dazu seit bald zehn Jahren Präsidiumsmitglied beim Verband Schweizer Presse ist. Trotz seiner rund 60 Jahre nimmt er als einer der wenigen der Schweizer Printbranche das Internet in die Hand und probiert aus, was geht und was nicht. Norbert Neininger sein Name, Chef der «Schaffhauser Nachrichten», Ideengeber für «Tele Blocher». Man könnte ihn für einen wahren Netzbürger halten, wenn er nicht mitunter Absurdes gut finden würde wie das Vorgehen der japanischen Zeitung «Nikkei», die sich wünscht, man solle sich vor dem Verlinken ihrer Online-Inhalte eine Erlaubnis einholen.

Erstaunlich ist, dass er inzwischen genau das macht, was er bei «Google News» noch 2008 mit den Worten «Die Copyright-Rechtslage ist klar: Was Google macht, ist illegal. Da gibt es gar keine Diskussion.» anprangerte. Denn sein Blog «Neiningers Tagebuch» besteht fast ausschliesslich aus nahezu unkommentierten Fotos von Inhalten aktueller Sonntagszeitungen. Und auch die News1 AG, als Generalangriff auf «Google News» gestartet, betreibt nun wie Google ein Portal, das ohne Journalisten produziert wird. Die beiden Mitarbeiter wurden kürzlich entlassen, das Portal auf Aggregation umgeschaltet.

Doch Neininger versucht etwas. Während andere aus der Printbranche tatenlos ihrem nahenden Untergang zusehen, sich darüber beklagen und Geld fordern für ein Geschäftsmodell, das seine Zeit überlebt hat. Tom Rosenstiel vom Project for Excellence in Journalism riet den Zeitungsverlegern kürzlich: «Machen sie Experimente, und trauen Sie sich, auch mal zu scheitern! Versuchen Sie nicht eine Sache, versuchen Sie zehn. Denn sieben werden sicherlich danebengehen.» Jenen, die das nicht tun, prophezeite er, dass sie mit den Neuheiten, die dieses Feld erobern, nicht mehr Schritt halten werden können.

Wer etwas, zum Beispiel das Internet, verstehen will, muss sich damit befassen, eigenhändig, nicht outgesourct. Aber Vorsicht: Bei diesem Prozess könnte es zu Meinungsänderungen kommen.

Dieser Artikel erschien im Pressespiegel von mediaforum.ch, den man hier per E-Mail abonnieren kann.

Was sich die FDP Schweiz unter Blogs und unter einem offenen Dialog vorstellt

Die FDP Schweiz will aus der Schweiz ein „Innovationsland“ machen. Einen „offenen Dialog“ will sie auch. Und „Blogs“. Sie gewinnt damit nur einen Preis für die schönsten Floskeln.

FDP-Parteipräsident Fulvio Pelli, zurzeit fatalerweise als Bundesratskandidat gehandelt, hat mich via Twitter darauf aufmerksam gemacht:

Fulvio Pelli auf Twitter
Bild: Screenshot twitter.com

Sie fragen sich sicher auch, was Pelli, von der Leerfloskel „Innovationsland“ mal abgesehen, mit einem „offenen Dialog“ meint. Ja?

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Wie ich zum Bloggen kam

Als ich im Sommer 2002 erstmals in einem Weblog las, wusste ich nicht, was ein Weblog ist. Mit irgendeiner Suchanfrage stiess ich auf das Blog eines noch nicht zwanzigjährigen Schülers aus Bayern, der fast täglich neue Texte, Bilder und Links bereitstellte. Weil das Lesen Spass machte, hatte ich bald alle Monate, in denen er bisher geschrieben hatte, durchgelesen und stiess durch die bereitgestellten Links auf andere, neue, spannende Seiten, die ich alleine wohl nie gefunden hätte.

Im August entdeckte ich dann einen Ameisenhaufen. Antville.org hiess die Website, auf deren Unterseiten die verschiedensten Leute ihre Blogs führten. Ohne lange nachzudenken, eröffnete ich bald auch ein Blog – weil es so einfach war. Eine eigene Homepage einzurichten lag ja schon immer ausserhalb meiner Möglichkeiten, da es mir nicht nur an HTML-Kenntnissen fehlte, sondern auch, weil ich einen Server weder bezahlen noch einrichten wollte.

Artikel im NZZ Folio
Bild: Screenshot des Artikels „Jeder ein Chefredaktor“ im NZZ Folio.

Nun war ich der Boss. Chefredaktor und Herausgeber meines eigenen Mediums. Ausser den geltenden Gesetzen niemandem unterworfen. Kosten? Keine. Einnahmen? Auch keine. Unerwünschte Kommentare? (In meinem Blog) jederzeit löschbar. Das publizistische Konzept? Gab es keines. Ich schrieb anonym und war weder Kunden noch Investoren verpflichtet. Ich veröffentlichte dann, wann ich wollte und schrieb über das, was ich wollte. Redigatur und Korrektur waren mir Fremdwörter; vor mir lag nur ein Eingabefeld, das eine unbeschränkte Anzahl Buchstaben aufnahm, so wie ein grosses, noch unbeschriebenes Buch.

Schon am zweiten Tag, in meinem dritten Beitrag, schrieb ich: “so einen weblog zu führen, mag ja vielen zielen dienen, doch vor allem einem: der befriedigung der eigenen eitelkeit. man möchte, dass andere menschen zuhören, lesen, anteil nehmen, mit einem lächeln nicken, sich über einen link tierisch freuen, kurzum, den schreiber cool finden.” Genau so schrieb ich das, in Kleinschrift, denn ich konnte es mir leisten, die Unterscheidung von Klein- und Grossschreibung zu ignorieren (ich fand damals Kleinschreibung “moderner und schöner”). Es gab niemanden, dem ich Rechenschaft schuldig war, noch nicht mal einen Leser.
Wie ich zum Bloggen kam weiterlesen