Schlagwort-Archive: Boulevardisierung

Blick auf den Klick

Medienkonsum lässt sich im digitalen Zeitalter immer genauer messen. Die Folge davon: Statt auf hochwertige Formate setzen die Medien immer öfter auf Boulevard. Dafür an der Nase nehmen müssen uns wir, die Konsumenten.

Macher von Zeitungen und Zeitschriften wussten während Jahrhunderten kaum, welche Artikel gelesen wurden und welche nicht. Als Rückmeldung dienten einzig Telefonanrufe oder Leserbriefe. Die einen Leser fanden, man müsse dezidierter links schreiben, um aufkommende rechte Parteien in Schach zu halten. Die anderen empörten sich darüber, dass man den Linken doch nicht alles nachsehen dürfe, sonst stehe man schon morgen im Kommunismus. Andere wiederum vermissten Berichte über den FC Basel, das Eiskunstlaufen oder die Veranstaltung vom letzten Wochenende, die sie zufällig selbst besucht hatten. Und meistens hatten Leser die Nase voll vom Thema X, über das ständig berichtet wurde, während über das in ihren Augen enorm wichtige Thema Y kein Wort verloren wurde.

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Newsnetz schaut in den Spiegel

Das hinter diversen Tamedia-Zeitungen stehende Newsportal „Newsnetz“ hat sich bisher weder durch Faktentreue, noch durch vielfältige Inhalte einen Namen gemacht. Sondern durch Aufbauschung von Banalitäten, durch Quotengeilheit, durch die mitunter Urheberrechte verletzende Übernahme von Flickr-Fotos und YouTube-Videos, durch Abschreiben aus Blogs und aus der Wikipedia.

Um so erstaunlicher ist darum, wie die Leserfrage “Warum zählt heute Quote mehr als Qualität?” einer „K.H.“ auf tagesanzeiger.ch beantwortet wird. Ein ungenannter Autor findet den Grund in der Tatsache, „dass Medien (und die mit ihnen verbandelten Akteure wie Politiker, Interessenverteter, Experten) möglichst viel Aufmerksamkeit möglichst günstig produzieren müssen“:

Am allergünstigsten geht das so: Man behauptet irgendeinen knalligen Haberkäse oder berichtet von einem, der irgendeinen als «Tabubruch» aufgemotzten Schwachsinn verkündet, wartet auf die aufgeregten Reaktionen, welche man nunmehr ausführlich zitiert und kommentiert und als Beweis dafür ausgibt, ein schwelendes Unbehagen in der Bevölkerung endlich zum Thema gemacht zu haben. Dazu gibt es eine Onlineabstimmung oder ein schnell am Telefon zusammengeschustertes Experteninterview. (…)

Aus der Not, leere Seiten und Sendeminuten billig füllen zu müssen, wird so die Tugend des gesellschaftspolitischen Hyperventilierens. Doch ob aus dieser leider nicht mehr ganz seltenenen Form der Aufmerksamkeitsbewirtschaftung ein auf die Dauer brauchbares (neudeutsch: nachhaltiges) Geschäftsmodell werden kann, bezweifle ich. (…)

Ich zweifle auch daran, dass dieses Geschäftsmodell nachhaltig ist. Aber es existiert. Die Ausführungen des anonymen Autors beschreiben exakt das, was Newsnetz tut.

Wer das volle Ausmass der Selbstverleugnung erfassen möchte, sollte die ganze Antwort lesen:

„Warum zählt heute Quote mehr als Qualität?“ (tagesanzeiger.ch)

Nachtrag, 13 Uhr: Eine Anfrage auf swissdox.ch ergibt, dass der Artikel erstmalig im „Tages-Anzeiger“ vom 23. Juni 2010 erschienen ist. Autor ist Peter Schneider. Danke an Matthias.