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Was ist konservativ?

Werner J. Patzelt ist Inhaber des Lehrstuhls für Politische Systeme und Systemvergleich an der Technischen Universität Dresden. Für dresdeneins.tv hat er sich um die Frage gekümmert, was eigentlich konservativ ist.

Werner Patzelt
Bild: Screenshot dresdeneins.tv

Ab 10:15 Minuten sagt er zum Beispiel:

Welche Parteien sind denn nun konservativ? Gewiss nicht eine Partei wie die NPD, die den bestehenden Zustand ja nicht aufrecht erhalten, sondern umwerfen und beseitigen will. Wie sieht es aus mit jenen Parteien, die unseren Sozialstaat aufrecht erhalten wollen, wie etwa der SPD oder der Linkspartei? Sind die nicht eigentlich konservativ? Und gar erst die Grünen, die für Nachhaltigkeit beim Umgang mit natürlichen Ressourcen, die für Nachhaltigkeit bei der Finanzwirtschaft, beim staatlichen Verhalten eintreten und für die Stabilität des Weltklimas werben?

Man sieht: Es ist gar nicht so einfach, Konservatismus mit parteipolitischen Gruppierungen zusammenzubringen. Und hier ist es insbesondere eine Gleichsetzung, die in die Irre führt. Auch sie geht zurück auf die französische Revolution. Es ist die Gleichsetzung von rechts mit konservativ und von links mit fortschrittlich. Im Grunde verdankt sich diese Gleichsetzung nur dem, dass während der Revolution in der revolutionären Nationalversammlung Frankreichs die gemässigten Revolutionäre vom Präsidenten gesehen aus rechts sassen und die radikalen links. Und dass sich dieses Muster in den europäischen Parlamentssälen jahrhundertelang erhielt. Rechts sitzen jene, die vorsichtig mit dem bestehenden Zustand umgehen wollen und links jene, die ihn überwinden wollen.

Und weil diese Gesässgeografie mit den tatsächlichen politischen Herausforderungen immer weniger zu tun hat, führt die Gleichung „rechts gleich konservativ“, „links gleich fortschrittlich“, in die Irre.

„Sind Sie konservativ?“
(dresdeneins.tv, Video, 14:46 Minuten, vom 21. September 2010)

Abt. „Früher war alles besser“

Der abtretende Bundesratssprecher Oswald Sigg konstatiert in einem Sonntag-Interview verludernde Sitten aufgrund einer wildgewordenen, rudelbildenden und einander abschreibenden Meute von Medien. Früher sei das anders gewesen.

Mitte der Siebzigerjahre erhoben sich die Journalisten noch von ihren Sitzen, wenn ein Bundesrat den Pressesaal betrat.

Weiter beklagt Sigg eine „Hetzkampagne“ gegen den eben unter Blut und Tränen zurückgetreten Bundesrat Samuel Schmid:

Ausser wenigen Medienleuten habe ich niemanden angetroffen, der sich nicht über diese Hetzkampagne empört hätte.

Das mag sein. Die Schweizer sind ein sehr harmoniebedürftiges Volk. Sie mögen es weder, wenn jemand laut die Wahrheit sagt, noch, wenn jemand zu sehr ausgegrenzt wird. Im Fall Schmid waren die gegen den Bundesrat sprechenden Argumente aber einfach zu zahlreich, als dass ihn jemand (Frank A. Meyer natürlich ausgenommen) hätte verteidigen können. Es ist etwas wie bei der vergangen US-Wahl: Es finden sich kaum Argumente für McCain/Palin oder gegen Obama/Biden. Den wenigen Ausscherenden kann man immerhin einen Versuch gegen die Meinungeinfalt attestieren.

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