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Newsnetz schaut in den Spiegel

Das hinter diversen Tamedia-Zeitungen stehende Newsportal „Newsnetz“ hat sich bisher weder durch Faktentreue, noch durch vielfältige Inhalte einen Namen gemacht. Sondern durch Aufbauschung von Banalitäten, durch Quotengeilheit, durch die mitunter Urheberrechte verletzende Übernahme von Flickr-Fotos und YouTube-Videos, durch Abschreiben aus Blogs und aus der Wikipedia.

Um so erstaunlicher ist darum, wie die Leserfrage “Warum zählt heute Quote mehr als Qualität?” einer „K.H.“ auf tagesanzeiger.ch beantwortet wird. Ein ungenannter Autor findet den Grund in der Tatsache, „dass Medien (und die mit ihnen verbandelten Akteure wie Politiker, Interessenverteter, Experten) möglichst viel Aufmerksamkeit möglichst günstig produzieren müssen“:

Am allergünstigsten geht das so: Man behauptet irgendeinen knalligen Haberkäse oder berichtet von einem, der irgendeinen als «Tabubruch» aufgemotzten Schwachsinn verkündet, wartet auf die aufgeregten Reaktionen, welche man nunmehr ausführlich zitiert und kommentiert und als Beweis dafür ausgibt, ein schwelendes Unbehagen in der Bevölkerung endlich zum Thema gemacht zu haben. Dazu gibt es eine Onlineabstimmung oder ein schnell am Telefon zusammengeschustertes Experteninterview. (…)

Aus der Not, leere Seiten und Sendeminuten billig füllen zu müssen, wird so die Tugend des gesellschaftspolitischen Hyperventilierens. Doch ob aus dieser leider nicht mehr ganz seltenenen Form der Aufmerksamkeitsbewirtschaftung ein auf die Dauer brauchbares (neudeutsch: nachhaltiges) Geschäftsmodell werden kann, bezweifle ich. (…)

Ich zweifle auch daran, dass dieses Geschäftsmodell nachhaltig ist. Aber es existiert. Die Ausführungen des anonymen Autors beschreiben exakt das, was Newsnetz tut.

Wer das volle Ausmass der Selbstverleugnung erfassen möchte, sollte die ganze Antwort lesen:

„Warum zählt heute Quote mehr als Qualität?“ (tagesanzeiger.ch)

Nachtrag, 13 Uhr: Eine Anfrage auf swissdox.ch ergibt, dass der Artikel erstmalig im „Tages-Anzeiger“ vom 23. Juni 2010 erschienen ist. Autor ist Peter Schneider. Danke an Matthias.

„Qualitätsjournalismus“ mit Newsnetz (11)

In einer Medienmitteilung, die offenbar online nicht verfügbar ist (Internet? Medium?), schreibt „Newsnetz“ (Hervorhebung durch mich):

„In der neusten Net-Metrix-Audit-Publikation (WEMF, Net-Metrix-Audit August 2009) kann Tagesanzeiger.ch erstmals mehr Unique Clients als Nzz.ch ausweisen. Das Wachstum ist gemäss Chefredaktor Peter Wälty vor allem auf die kontinuierliche und qualitativ hochwertige Berichterstattung der topmotivierten Redaktion und auf die hohe Glaubwürdigkeit der Marke Tages-Anzeiger zurückzuführen.“

Newsnetz Pressemitteilung
Bild: Ausriss aus der Medienmitteilung

Rekapitulieren wir nochmals, was in den im Zeitraum von Ende Juni bis Ende August 2009 erschienenen 10 Folgen „Qualitätsjournalismus“ mit Newsnetz geschah:

„Qualitätsjournalismus“ mit Newsnetz (11) weiterlesen

“Qualitätsjournalismus” mit Newsnetz (9)

tagesanzeiger.ch ScreenshotBild: Screenshot tagesanzeiger.ch

Als ich im 13. Oktober 2008 den Artikel „Tamedia: Vom Seriös- zum Boulevard-Verlag“ publizierte, entgegnete mir von vielen Seiten Kopfschütteln. Das sei eine übertriebene Zuspitzung, unfair, nicht angebracht, und so weiter. Am gleichen Tag veröffentlichte der Branchendienst persoenlich.com ein Interview mit dem neuen Leiter des Newsnetz, Peter Wälty. Er sagte damals über die Zeitung, die einem zuerst einfällt, wenn man an Tamedia denkt:

„Wir werden niemals in Versuchung geraten, einen Tages-Anzeiger zu trivialisieren“

Na gut, aber dann soll mir doch bitte mal jemand erklären, wieso Rico Bandle, der Leiter des Kulturressorts der Online-Präsenz des Tages-Anzeigers, also sowas wie der Leiter des Feuilletons, sich mit einer Handkamera in die Klinik Hirslanden einschleicht und versucht, ein Foto der Zwillinge des Tennisspielers Roger Federer zu knipsen. Im Bericht vom 27. Juli 2009 heisst es:

Noch nie war die Gelegenheit so günstig, der Welt ein schönes Föteli, dem Arbeitgeber mit dem Verkauf des Bildes ein gutes Sackgeld und sich selbst einen Fensterplatz am Paparazzi-Himmel zu schenken.

Liebe Kopfschüttler, was jetzt? Ist es in Ordnung, dass der „Kulturchef“ im Namen des Tages-Anzeigers die Privatsphäre von Roger und Mirka Federer missachtet? Wenn Menschen wegen Babyfotos unerwünscht von Reportern nachgestellt wird – was anderes ist das als Boulevard? Gibt es eigentlich noch jemanden, der glaubt, die vormals seriöse Marke Tages-Anzeiger sei noch nicht trivialisiert? Wenn ja, bitte vortreten. So jemanden würde ich gerne kennenlernen.

Nach eigener Aussage ist Newsnetz, der Online-Auftritt von Schweizer Tageszeitungen wie Tages-Anzeiger, Bund, Berner Zeitung oder Basler Zeitung „der schnellste Qualitätsjournalismus im Netz“.

Wer wird Blick-Chefredaktor?

Meine Bewerbung steht, die bisherigen Rückmeldungen rechnen mir durchaus Chancen ein. Klar ist nur noch nicht, ob diese über oder unter 0.1% liegen.

Aber machen wir doch mal eine demokratische Abstimmung:

Weitere, eigene Tipps einfach hinzufügen oder kommentieren. Update, nach einer Woche offener Abstimmung sieht das Ergebnis so aus:

Wer wird Blick-Chefredaktor? weiterlesen

Tamedia/Newsnetz:
„Boulevardsau“ rausgelassen

Tamedia setzt mit dem Newsnetz neue Qualitätsmassstäbe beim Online-Journalismus – im unteren Bereich der Skala.

Im August 2008 übergaben Tages-Anzeiger, Berner Zeitung und Basler Zeitung, später auch der Bund und die Thurgauer Zeitung, ihre bisherigen Websites dem Newsnetz, einer neuen Online-Zentralredaktion in Zürich mit Regionalredaktionen in Basel und Bern. Zuvor bestanden ihre Websites aus abgefüllten Zeitungsinhalten, die mit aktuellen Agenturmeldungen angereichert wurden, sowie nicht-journalistischen Service-Rubriken.

Das neue Projekt war merklich grösser dimensioniert und wurde angekündigt als das “bisher ambitiöseste journalistische Projekt im Internet”. Im Begrüssungstext hiess es: “Die Zeiten, in denen Onlinejournalismus in der Schweiz im Copy-Paste-Verfahren betrieben wurde, sind vorbei. Heute weiss man: Qualität hat ihren Preis.” Auch auf newsnetz.ch steht dieser Anspruch ungebrochen: “Newsnetz: Der schnellste Qualitätsjournalismus im Netz!”

Doch tatsächlich haben viele Aktivitäten des Newsnetz nichts mit Qualitätsjournalismus zu tun: “Schwangere Brasilianerin von Schweizer Neonazis schwer misshandelt”, hiess es zum Beispiel am 11. Februar 2009. Eine Schlagzeile, von der sich nur das Wort “Brasilianerin” als wahr herausgestellt hat. Von Zweifeln war noch in der gleichen Story zu lesen. Tagesanzeiger.ch schrieb am Ende des kurzen Artikels diesen abstrusen Satz, Tippfehler inklusive: “In brasilianischen medien wurde auch berichtet, der Polizsit, der als erste am Tatort gewesen sei und den Fall behandelt habe gegenüber dem Opfer und ihrem Freund Zweifel an den Schilderungen geäussert.”

Inzwischen sind solche Schludrigkeiten nur noch per Screenshot beweisbar, denn das Newsnetz schreibt laufend Artikel um, ohne die Veränderungen zu dokumentieren.

screenshot-tagesanzeigerch-2009-02-111
Bild: Screenshot tagesanzeiger.ch

Tamedia/Newsnetz:
„Boulevardsau“ rausgelassen
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