Schlagwort-Archive: Politik

„Direkte Demokratie“ startet

Gemeinsam mit Martin Steiger starte ich heute ein neues Weblog unter dem Titel

„Direkte Demokratie“

Warum? Weil wir überzeugt sind …

  • dass Menschen selbst entscheiden sollen, wie sie leben wollen,
  • dass Menschen vor allem in den wichtigen, bewegenden Fragen nicht von einer kleinen Elite dominiert werden sollen,
  • dass die Masse unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich wenn Meinungsvielfalt, Unabhängigkeit, Dezentralisierung und Aggregation gewährleistet sind, klüger ist als der Einzelne (vergleiche Die Weisheit der Vielen),
  • dass die Politiker ihren Handlungsspielraum nicht freiwillig eingrenzen und direkte Demokratie deshalb eher abbauen als aufbauen wollen,
  • dass Aufklärungsarbeit geleistet werden muss, vor allem in Ländern, in denen direkte Demokratie bisher nicht Alltag ist (also in den meisten,
  • dass direkte Demokratie die beste Lösung ist, (direktdemokratisch) getroffene Entscheidungen zu korrigieren, wenn sie sich als falsch herausstellen,
  • dass direkte Demokratie das Interesse der Bürger an der Mitgestaltung des Staats aufrecht hält.

Das Weblog wird Blogeinträge zu konkreten, auch aktuellen Themen beinhalten, kurze Linktipps, Newsartikel. Die Zielgruppe der Leser besteht aus dem deutschsprachigen Raum. Internationale Themen werden ebenfalls aufgegriffen.

Lob, Kritik und andere Rückmeldungen dazu sind natürlich erwünscht, Beiträge willkommen. Updates können per RSS-Feed, Twitter oder Facebook verfolgt werden.

Deutschland, Entwicklungsland für Demokratie?

In Deutschland wird direkte Demokratie nur simuliert. Es ist an der Zeit, dass sich Bürgerbewegungen stark machen, die Gesetze selbst und nicht nur über Volksvertreter zu bestimmen. Das Internet bietet dafür hervorragende Möglichkeiten.

Die Bundestagswahl war noch nicht einen Monat vorüber und die Koalitionsverhandlungen gerade abgeschlossen, als der “Spiegel” von einem schwarz-gelben Fehlstart sprach und das auf den Titel setzte. Auch die SPD wendet sich bereits wieder gegen Gesetze, für die sie sich noch für einem halben Jahr verantwortlich zeigte (Netzsperren). So läuft das in der Mediendemokratie Deutschland. Wer in der Opposition ist, darf austeilen und alles besser wissen, wer regiert, muss sich andauernd rechtfertigen.

Das ist wohl in allen politischen Systemen so, doch in der Schweiz fällt dieser Mechanismus nicht ganz so leicht, da die Exekutive auf Bundesebene aus sieben Bundesräten besteht, die aus (derzeit) fünf verschiedenen Parteien stammen.

“Und so soll man regieren können?” fragen dann Deutsche ungläubig. Offenbar funktioniert’s. Doch verstanden wird das nicht. Meistens wird das Diskussionsthema schnell abgehakt mit einem “Das mag ja in der kleinen Schweiz funktionieren …”

Was auch funktioniert in der kleinen, viersprachigen Schweiz, und das seit über 140 Jahren, ist die direkte Demokratie. Eben wurde die Minarett-Initiative von Volk und Ständen angenommen – sie fand nicht mehr als rund 43 Prozent Ablehnung unter den Stimmbürgern. Aufgenommen wurde die Entscheidung verschieden, ein Aufschrei der Empörung war vor allem aus akademisch gebildeten Kreisen zu vernehmen, die den Diskurs prägen, auch in den Medien.

Heinrich Wefing beispielsweise, der für die “Zeit” gemäss Profilseite “ein liberales Auge auf die Rechtspolitik” hat, schrieb auf die Titelseite der Zeitung: “Wozu aber noch Plebiszite, wenn die Politik wetterfühlig wird wie ein Rheumatiker?” und behauptete, ohne auch nur den Versuch eines Beweises zu wagen: “Das Parlament ist heute demokratischer als jedes Plebiszit.”

Der Berlin-Korrespondent der NZZ, Ulrich Schmid, diagnostizierte in den deutschen Medien eine “herablassende Selbstgerechtigkeit, mit der die schweizerische Entgleisung zunächst gerügt wurde”. Im lesenswerten Artikel stellte er fest, dass gerade Deutschland sich direkte Demokratie erlauben könnte, wegen dem starken Grundgesetz, das eine Minarett-Initiative schon im Vornherein verunmöglicht hätte.

Fragt man das Volk und nicht die Leitartikler, dann sieht es anders aus. Eine vom Verein Mehr Demokratie e.V. in Auftrag gegebene Forsa-Umfrage von Juni 2009 (PDF-Datei, 68 kb) zeigt unter 1004 Befragten eine klare Mehrheit für Volksbegehren und Volksentscheide auf Bundesebene.

"Wahlurne" in Berlin Neukölln

Deutschland, Entwicklungsland für Demokratie? weiterlesen

Eine kurze Geschichte über politisches Handeln am Beispiel Eierkauf

Es ist eine weitum verbreitete Annahme, Politik werde nur von Politikern gemacht. Oder vielleicht noch von Demonstranten. Doch in Wahrheit sind wir alle politisch aktiv. Mit jeder Handlung und Nicht-Handlung.

Eier werden fleissig gegessen. Und weil nicht jeder ein Huhn zuhause hat, auch fleissig verkauft. Wer im Laden steht, hat die Auswahl zwischen Eiern von Hühnern aus Käfighaltung in Legebatterien (etwa ein Huhn pro A4-Blatt), Bodenhaltung (7 Hühner pro m²), Freilandhaltung (10 m² Auslauf pro Huhn) oder Freilandhaltung Bio (mit Futter aus Ökologischem Anbau). Es gibt also vier Klassen von Eiern, die sich im Preis, vielleicht auch im Geschmack unterscheiden (mehr dazu bei Wikipedia oder eier-deklaration.de).


Bild: Flickr Creative Commons NataPics

Welche Eier gekauft werden, ist eine politische Entscheidung. Man unterstützt nämlich mit einem Kauf die entsprechende Haltung. Würde niemand mehr Eier von Käfighühnern kaufen, dann würden diese auch nicht mehr verkauft und entsprechend die Hühner auch nicht mehr in den Käfigen gehalten. Doch die Leute tun es: Aus finanzieller Not („kann ich mir schlicht nicht leisten“), aus Ignoranz („was, es gibt verschiedene Eier?“), aus fehlendem Mitleid („mir sind doch diese Hühner egal“), vielleicht aus Geiz („ich weiss mit meinem Geld besseres anzufangen“).

Ich kaufe meistens Freilandeier, ab und zu auch Bio-Eier. Schön und gut, aber wo kaufe ich sie?

Eine kurze Geschichte über politisches Handeln am Beispiel Eierkauf weiterlesen

Abt. „Früher war alles besser“

Der abtretende Bundesratssprecher Oswald Sigg konstatiert in einem Sonntag-Interview verludernde Sitten aufgrund einer wildgewordenen, rudelbildenden und einander abschreibenden Meute von Medien. Früher sei das anders gewesen.

Mitte der Siebzigerjahre erhoben sich die Journalisten noch von ihren Sitzen, wenn ein Bundesrat den Pressesaal betrat.

Weiter beklagt Sigg eine „Hetzkampagne“ gegen den eben unter Blut und Tränen zurückgetreten Bundesrat Samuel Schmid:

Ausser wenigen Medienleuten habe ich niemanden angetroffen, der sich nicht über diese Hetzkampagne empört hätte.

Das mag sein. Die Schweizer sind ein sehr harmoniebedürftiges Volk. Sie mögen es weder, wenn jemand laut die Wahrheit sagt, noch, wenn jemand zu sehr ausgegrenzt wird. Im Fall Schmid waren die gegen den Bundesrat sprechenden Argumente aber einfach zu zahlreich, als dass ihn jemand (Frank A. Meyer natürlich ausgenommen) hätte verteidigen können. Es ist etwas wie bei der vergangen US-Wahl: Es finden sich kaum Argumente für McCain/Palin oder gegen Obama/Biden. Den wenigen Ausscherenden kann man immerhin einen Versuch gegen die Meinungeinfalt attestieren.

Abt. „Früher war alles besser“ weiterlesen