Eine kurze Geschichte über politisches Handeln am Beispiel Eierkauf

Es ist eine weitum verbreitete Annahme, Politik werde nur von Politikern gemacht. Oder vielleicht noch von Demonstranten. Doch in Wahrheit sind wir alle politisch aktiv. Mit jeder Handlung und Nicht-Handlung.

Eier werden fleissig gegessen. Und weil nicht jeder ein Huhn zuhause hat, auch fleissig verkauft. Wer im Laden steht, hat die Auswahl zwischen Eiern von Hühnern aus Käfighaltung in Legebatterien (etwa ein Huhn pro A4-Blatt), Bodenhaltung (7 Hühner pro m²), Freilandhaltung (10 m² Auslauf pro Huhn) oder Freilandhaltung Bio (mit Futter aus Ökologischem Anbau). Es gibt also vier Klassen von Eiern, die sich im Preis, vielleicht auch im Geschmack unterscheiden (mehr dazu bei Wikipedia oder eier-deklaration.de).


Bild: Flickr Creative Commons NataPics

Welche Eier gekauft werden, ist eine politische Entscheidung. Man unterstützt nämlich mit einem Kauf die entsprechende Haltung. Würde niemand mehr Eier von Käfighühnern kaufen, dann würden diese auch nicht mehr verkauft und entsprechend die Hühner auch nicht mehr in den Käfigen gehalten. Doch die Leute tun es: Aus finanzieller Not („kann ich mir schlicht nicht leisten“), aus Ignoranz („was, es gibt verschiedene Eier?“), aus fehlendem Mitleid („mir sind doch diese Hühner egal“), vielleicht aus Geiz („ich weiss mit meinem Geld besseres anzufangen“).

Ich kaufe meistens Freilandeier, ab und zu auch Bio-Eier. Schön und gut, aber wo kaufe ich sie?

Kaufe ich sie beim Grossdiscounter, im Bio-Laden oder direkt beim Bauern? Auch das ist eine politische Entscheidung. Unterstütze ich es, dass zu Stress gedrängte Mitarbeiter schlecht bezahlt und überwacht werden? Kaufe ich beim Direkterzeuger und nehme dafür einen Umweg in Kauf, der mich Zeit und Geld kostet sowie die Umwelt belastet?

Jede Entscheidung ist auch eine politische. Die Fragen lauten:

  • Will ich die Produktion in Bangladesch unterstützen, indem ich mir bei H&M einen billigen Fummel kaufe?
  • Will ich das Fällen von Bäumen fördern, indem ich mir das Jahresabo einer Tageszeitung leiste?
  • Will ich gesteigerte Staatskosten verursachen, indem ich an einer in Teilen gewaltbereiten Demo mitlaufe?
  • Will ich Künstler arm machen oder arm bleiben lassen, indem ich zwar alles Angebotene gerne konsumiere, sie aber in keiner Weise unterstütze?

9 Gedanken zu „Eine kurze Geschichte über politisches Handeln am Beispiel Eierkauf“

  1. Das, was Du beschreibst, könnte man auch als strategischen Konsum bezeichnen, die Macht der Verbraucher. Und übrigens Teil des LOHAS (Lifestyle of health and sustainability).

  2. Sie stellen hier lustige Fragen. Wie nennt man das, wenn die Antwort darin bereits enthalten ist? Gibt sicher auch dazu ein lustiges Soziologenkürzel (DBIAKTA? Don’t bother I already know the answer). Staatskosten erhöhen durch Beteiligung – den muss ich mir merken, der ist gut…

  3. Freut mich, sie zu belustigen, Bruder Bernhard. Wollen sie denn bestreiten, dass eine Demo mit einer als erhöht eingeschätzten Gewaltbereitschaft direkt einen Anstieg von Überstunden bei der Polizei auslöst? Also gemeinschaftlich getragene Kosten verursacht?

  4. @Ronnie Grob: Wer Politik als Kostenfaktor betrachtet, ohne auch vom Nutzen zu sprechen, belustigt mich halt eben.

    Sie versuchen hier, ein Joghurt an die Wand zu nageln. Was ist eine Demo mit ‚einer als erhöht eingeschätzten Gewaltbereitschaft‘? Und wie hoch wären die gesellschaftlichen Kosten, fände sie nicht statt? Denn dafür plädieren Sie ja offenbar indirekt – eine vordergründig billige Lösung, die langfristig gar nicht kalkulierbar ist.

    Vergessen Sie zudem nicht, dass die Löhne der Polizisten angesichts deren tiefen Einkommen 1:1 in den Konsum fliessen, was unmittelbar wirtschaftsfördernd wirkt ;-)

  5. @Bruder Bernhard: Natürlich kann es nicht sein, dass politische Demonstrationen deswegen nicht stattfinden können. Es gibt aber doch einige Demos, die mit erfahrungsgemässer Zuverlässigkeit zu gewalttätigen Ausschreitungen führen und die deshalb schon mit erhöhtem Polizeiaufgebot erwartet werden. Wer sich an solchen Demos beteiligt, verursacht damit direkt Gemeinkosten. Die Höhe der Gewaltbereitschaft schätzt die Polizei ein – die Kosten entstehen aus dem daraus entstehenden Aufgebot.

  6. Sie wiederholen sich, Ronnie Grob. Dann lassen Sie mich auch wiederholen: Ihre Berechnung bleibt sinnlos, solange nicht auch der Nutzen berechnet wird.

    Deshalb zum Nutzen nochmals: angenommen, es werden 2000 Stunden vergütet = 200’000 Franken. Das ist direkte Wirtschaftsförderung, denn das Geld fliesst in den Konsum. Zudem ist die Demo Mittel politischer Kommunikation, also trägt sie zur Meinungsbildung (in welcher Richtung auch immer) bei. Wie hoch wollen wir diesen Effekt einsetzen? Verglichen mit anderen meinungsbildenden Grossveranstaltungen käme ich auf mind. 60’000. Da zu Demos mit ÖV gefahren wird, wollen wir der SBB 30’000 Einnahmen zurechnen. Die Polizisten versteuern ihre Einnahmen: 30’000 an Gemeinden, Kantone, Bund, AHV, IV, ALV, von der MWSt gar nicht zu reden. Etc etc etc.

    Sie sehen: Ihr Kostendenken ist völlig verkehrt und total eindimensional! Zudem sind die sog. Kosten gar keine: zum Teil sind es Investitionen (in die politische Bildung), müssten also buchhalterisch aktiviert werden, d.h. sie steigern das Volksvermögen!

  7. @Bruder Bernhard: Ein super System, lassen wir doch am besten nur noch den Staat Ausgaben machen und damit die Wirtschaft ankurbeln, dann wird er bald einen Steuersatz von 100% fordern müssen und wir sind im Sozialismus. Es muss dann aber früh genug mit dem Mauerbau angefangen werden, sonst klappt das heutzutage, mit dieser grassierenden Globalisierung überall, nie.

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