Noch immer wird RSS von Journalisten nur marginal genutzt. Zu unrecht. RSS ist der Newsticker der heutigen Welt, die persönliche Nachrichtenagentur.
Die im Sommer 2009 publizierte “IAM-Bernet-Studie Journalisten im Internet 2009” (PDF-File) brachte die Nutzungsgewohnheiten von 526 Schweizer Journalisten und Journalistinnen ans Licht: “40 bis 50 Prozent der Befragten abonnieren Meldungen von Unternehmen, Behörden oder Agenturen über E-Mail, die RSS-Anteile liegen nur zwischen 2 und 8 Prozent. Mit verschwindend kleinen Anteilen spielt Twitter noch keine Rolle.”
Das Problem liegt dabei nicht bei den Mängeln von RSS, sondern am Unwissen der Journalisten, was das ist und wie man das anwenden kann. Zur Aufklärung: RSS, die Abkürzung von Really Simple Syndication, schliesst die (neuen) Informationen auf einer Website “echt einfach” zusammen und bietet sie so an, dass es andere Websites verstehen.
Diese gebündelten Informationen im XML-Format, genannt (RSS-)Feed (englisch: Einspeisung, Futter, Zufuhr), können fast grenzenlos re-importiert werden: Feedreader, Widgets, Websites aller Art werden damit gefüttert und zeigen den Text, die Bilder, die Videos in gewünschter, aber vor allem einheitlicher Form an.
Einfacher als E-Mail und mit mehr Möglichkeiten
Wer sich mal an das Lesen von Informationen in einem Feedreader gewöhnt hat, weiss, wie viel mehr Information in wie viel weniger Zeit bewältigt werden kann. Während das E-Mail-Konto seine Stärken in der schriftlichen 1:1-Kommunikation hat, also dem klassischen Briefwechsel, eignet sich der RSS-Reader als persönliche Infozentrale, also als Newsticker.
Den RSS-Reader öffnen heisst, sich an den Newsticker setzen. Und dort, um ein Bild zu benutzen, die Gläser aus den abonnierten Quellen zu trinken. Manche Quellen sprudeln täglich mehrmals, andere vielleicht einmal im Monat. Um nicht jede einzeln und vielleicht vergeblich zu besuchen, delegiert man die Aufgabe an den Feedreader. Der, wenn immer eine Quelle sprudelt, einem das Glas mit dem Quelleninhalt sicher und kurz nach Veröffentlichung bereit stellt.
Es ist ein Leichtes, sich den Feeds, also den einzelnen Informationsflüssen, thematisch zu nähern, in dem man sie in verschiedene Ordner abfüllt, also zum Beispiel in Politik, Sport oder Stricken. Eine andere Möglichkeit ist es, sie nach Dringlichkeit zu ordnen, also in Feeds, die man täglich mehrmals liest und in Feeds, die man einmal wöchentlich liest. Websites, die keine RSS-Feeds anbieten, sind für regelmässige Feed-Leser rasch inexistent. Es kann aber auch für diese, zum Beispiel mit feed43.com, ein Feed erzeugt werden.
Twitter und RSS
Auch Twitter baut auf Feeds auf. Viele Medienhäuser nutzen ihr Twitter-Konto, wenn sie denn eines haben, bisher so, dass sie automatisierte Links mit einer kurzen Beschreibung veröffentlichen. Wieso man sich aber die täglich über 100 Links von @tagesanzeiger antun sollte, ist unklar. Journalismus hat schliesslich mit Auswahl zu tun, nicht mit wahlloser Ausschüttung. Andere, zum Beispiel @woz, @weltwoche, @blick und @blickamabend, liefern ebenfalls Links, sie kommunizieren aber auch mit ihren Lesern.
Gewisse Feeds sind glasklare Gebote. Ein Radsportjournalist beispielsweise muss den Fahrern, die online twittern, folgen, also @lancearmstrong, @levileipheimer, @cadelofficial, @andy_schleck und anderen. Ein Bundeshauskorrespondent hingegen sollte schon mal @ChristianLevrat und @Fulvio_Pelli abonnieren – selbst wenn diese (noch) Belanglosigkeiten absondern, ein US-Korrespondent sollte Präsident @BarackObama oder die Gouverneure @Schwarzenegger (Kalifornien) oder @AKGovSarahPalin (Alaska) beobachten. Dazu gibt es die ebenfalls verifizierten, also auf die Echtheit des Absenders überprüften Tweets von @BritneySpears, @sevinnyne6126 (Lindsay Lohan), @Alyssa_Milano, @Janefonda oder @Oprah (Oprah Winfrey). Doch nicht nur Twitter, auch Facebook oder Friendfeed basieren auf Feeds.
Mit einem Klick dabei
Die Anteile der sich in der Umfrage zu RSS bekennenden Nutzer ist vielleicht auch deshalb so tief, weil vielen gar nicht klar ist, wie oft sie schon auf etwas geklickt haben, das durch RSS gespiesen wurde. Für gewisse Themen ist die Nutzung von Feeds jedenfalls unerlässlich. Wer beispielsweise in den letzten Jahren die Themen Medienkonvergenz oder Internet verfolgte, war schlecht bis gar nicht informiert, wenn er sich auf die etablierten Medienprodukte verliess. So schrieb Medienwissenschaftler Robin Meyer-Lucht am 12. Juli 2009 auf carta.info über die etablierten Medien: “Dem Qualitätsjournalismus über die gegenwärtigen Strukturprobleme des Journalismus kann inzwischen über weite Strecken Distanzlosigkeit, Hang zu normativen Kurzschlüssen, Desinteresse an empirischer Fundierung und Klientelismus in eigner Sache bescheinigt werden.” Feeds hingegen zapfen jede gewünschte Quelle an, vom Lieblingsblog bis zu offiziellen Websites.
Feeds ermöglichen es, nichts zu verpassen. Sie erlauben einen täglich wechselnden, also dynamischen Medienkonsum. Mein eigener Medienkonsum verändert sich täglich. Ich folge und entfolge je nach Lust und Laune allen möglichen Quellen. Ziemlich sicher weg ist, von dem ich drei Einträge gelesen habe, die ich doof finde. Doch auch Quellen, die langweilen oder zu wahllos publizieren, sind schnell weg.
Das Gute: Mit einem Klick ist man auf ewig dabei oder für immer weg – und es kostet nicht mal etwas. So simpel – dagegen erscheint die Aboverwaltung einer Tageszeitung wie ein deutsches Finanzamt.
Das Schlechte: Obwohl schon x tausende täglich Feeds lesen, schaltet kaum ein Anbieter darin Werbung. Dabei gäbe es, um mich zu erreichen, kaum einen effizienteren Weg. Ich verbringe täglich über eine Stunde im Feedreader.
Dieser Artikel erschien in der November-Ausgabe des Schweizer Magazins „Persönlich“ für Marketing, Medien und Werbung, das man hier abonnieren kann.
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