Archiv der Kategorie: In eigener Sache

Bärchenwurst

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Als ich das vierte Mal bei Lidl daran vorbeiglelaufen war, musste ich sie einfach kaufen. Die Bärchenwurst. Mit Schweinefleisch und Trinkwasser und Milch. Auf der Packung steht:

Übrigens:

Die Rezeptur aller unserer Bärchen-Produkte ist perfekt auf die Bedürfnisse von Kindern abgestimmt. Sie enthalten weder künstliche Aromastoffe, noch Geschmacksverstärker und der Fettanteil ist reduziert.

Selber schuld, wenn man sich als bald 32jähriger Bärchenwurst kauft. Dann schmeckt sie einem nämlich überhaupt nicht. Man isst eine Scheibe und wirft sie, entgegen allen sonstigen Gepflogenheiten, in den Müllsack. Wo sie nun unter etwas Kaffeesatz liegt. Immer noch freundlich lächelnd.

Hallo Berlin!

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Den ersten Gesprächsfetzen in Berlin erhaschte ich am Flughafen Schönefeld, als ich an der Wechselstube hinter einem älteren Berliner mit rauchiger Stimme stand. Er sagte: „… sie wissen ja ooch … wir hams nicht leicht … da zählt jeder Pfennich … äh … Cent“. Dann wünschte er einen schönen Tag und verschwand, worauf mir die Frau hinter der Theke auf irgendeinen sehr ungeraden Betrag, Quittung inklusive, exakt 240 Euro und 0 Cents aushändigte, allerdings erst, nachdem sie jede der ihr überreichten Noten aufs Genaueste auf jede Sicherheitsvorschrift prüfte.

Es ist kaum mehr als eine Binsenweisheit und man kann das wohl über alle grösseren Städte aussagen, aber: Hier ist immer was los. Egal, ob man aus der Haustüre tritt und einem ein junger Mann im Laufschritt entgegen kommt, mit einem riesigen Stosszahn eines Elefanten auf der Schulter. Oder ob man ein paar Meter weiter einen Mann aus einer Kneipe kommen sieht, der mit lauter Stimme zwei, drei Worte spricht, nur um dann anschliessend in einer Tür gleich neben dem Kneipeneingang zu verschwinden. Oder einem wird vor die Füsse gespuckt, wenn man beim Joggen am Lichtsignal warten muss.

Joggen ist übrigens eine hervorragende Art, Berlin zu erkunden. Wenn man einigermassen fit ist, sieht man recht schnell recht viel. Ein Schock war der Sonntagmorgen, als ich um 10 Uhr morgens der Spree entlang lief: Hunderte, ach was sag ich, Tausende von Joggern! Als sei man in einen Volkslauf geraten, der gleichzeitig in beide Richtungen verläuft. Es ist halt Frühling, Zeit der guten Vorsätze und der Angst vor dem Bikini. Nach welchen Kriterien hier die Jogger einander grüssen, hab ich noch nicht ganz begriffen – da ich von mindestens drei Schnellläufern gegrüsst wurde, muss ich annehmen, dass sich die Langsamläufer auch grüssen.

Einmal rannte ich der Mauer entlang, DER Mauer, bzw. dem, was noch davon übrigblieb und wurde prompt von einem Chinesen aufgehalten, der gerne ein Foto von sich und der Mauer nach Hause tragen wollte. Als ich nach dem zweiten Bild zwei Schritte rückwärts machte mit seiner Kamera in der Hand, trippelte er schon nervös auf mich zu. Ich aber drückte sie entschieden vor mein Gesicht, worauf er brav auch noch für ein drittes Bild stehenblieb. Als ich sie ihm wieder zurückgab, dankte er mir freudestrahlend und schüttelte mit beiden Hände die meinen.

Prominenz habe ich auch schon gesehen und wenn man das erzählt, ist es ein Faux-Pas. So habe ich das jedenfalls gelesen in der Spiegel-Sonderausgabe über Berlin, die auch schon einen Monat alt ist. Denn die Stars fühlen sich hier wohl, weil sie nicht von jedem angequatscht werden, was ich unbedingt richtig und gut so finde. Ich erzähl euch aber dennoch und auch brühwarm, dass der liebe und gute Toni Mahoni offenbar Nähprobleme hat. Denn sonst hätte er wohl kaum eine Tür betreten, über der gross das Schild „Nähstudio“ stand. Maxim Biller hingegen (es sei denn, es war sein exaktes Abbild in Physis) sass über Zeitungen gebeugt in einer Bibliothek und stöhnte, durchaus alle anderen beim lesen störend, laut auf, sobald ein verbotener Handyklang ertönte oder er eine schreckliche Zeile lesen musste. Tatsächlich aber schrieb sich konzentriert Daten aus Kleinanzeigen heraus, vielleicht hat der Arme ja kein Internet.

Ein paar Regeln, was Berlin anbetrifft, wurden mir schon beigebracht:

1. Der Scan-Blick für Hundescheisse

Entweder man gewöhnt sich das an oder aber man läuft herum mit dreckigen und stinkenden Schuhen. Letztes Mal bin ich am dritten Tag reingetreten, bisher, touch wood, noch nicht.

2. Egal wo du hinwillst, es dauert eine halbe Stunde

Das hab ich einfach mal geglaubt, aber natürlich dauert es länger. Oder ich bin Anfänger und darum dauert es länger. Ich kam jedenfalls auch unter Berücksichtigung dieser Golden Rule eine Viertelstunde zu spät. Aber was hat Zeit schon für eine Bedeutung hier – hier machen alle alles zu jeder Tageszeit.

3. Das Codewort der Backwarenfachverkäuferin für länger liegengebliebene Ware

lautet: „Oh, an diesem Stück hier sind ein paar Mandeln abgesplittert, ich machs ihnen 10 Cent billiger“