Joggen mit Vitalic

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Es gibt ja Jogger, die ohne Musik laufen. Die sagen, es lenke sie ab, bringe sie aus dem Rhythmus, die sagen, sie würden lieber die Vögel hören und das Rausches des Waldes und ausserdem sei das zu gefährlich. Man würde überfahren werden, weil man das Hupen des 40-Tonnen-Lasters oder den heranbrausenden Zugs nicht hört.

Aber es gibt auch Jogger, die mit Musik laufen. Zu denen gehöre ich. Nicht immer gehörte ich zu denen. Aber seitdem ich einen MP3-Spieler (was für ein eigentümlicher Name sich da durchgesetzt hat) gekauft habe vor Jahren, laufe ich meistens mit dem Hörern in den Ohren und dem Ding an der Hose. Auch ich war gestört anfangs. Vom abweichenden Rhythmus, vom Gewicht, von den doofen Hörern, die immer rausfallen, von der Lautstärke, die sich mit ein klein wenig Reibung von selbst ändert.

Lange Zeit bin ich früh schlafen gegangen. Stimmt auch, aber darum geht es nicht. Lange Zeit bin ich auf „Shuffle“ gelaufen. Also im Total Shuffle Mode, von Bad Religion auf Chopin, weiter zu Andreas Dorau und über die Unicorns und Nina Simone zurück zu Mando Diao. Was ja so eine grosse Reise gar nicht ist. Aber ich mag es doch sehr, mich beim Laufen vom nächsten Stück überraschen zu lassen. Weil ich weiss, wie toll das nächste Stück sein kann.

Denn es könnte sein, dass man schon 20 bis 25 Minuten gelaufen ist und sich sanft und noch unbemerkt ein Gefühl der Klarheit einstellt. Vielleicht ahnt man es herankommen, ist sich aber nicht sicher, weil man sich schon länger in der Bewegung befindet. Vielleicht waren diesmal die ersten paar Minuten mühselig. Oder andere dazwischen. Doch wenn es sich nicht um einen aussergewöhnlichen Tag handelt, dann kommt es, dieses Gefühl, an dem man gleichzeitig schon ganz fertig ist und gleichzeitig von Neuem mit Energie durchflutet wird. Und wenn es sich einstellt, dann kann man darauf hoffen, dass es von einem Stück von „OK Cowboy“ handelt. Das ist eine Kompaktdisk von Vitalic . Aus dem Jahr 2005. Denn dann rennt es (das Ich ist schon längst von diesen Prozessen ausgeschlossen) von alleine und immer schneller. Zum Testen empfehle ich „La Rock 01“, „Poney Part 1“ oder „Trahison“.

Natürlich kann einen fast jede Musik beim Joggen glücklich machen, zB laute Gitarrenbands wie Maximo Park, Mando Diao oder Bloc Party sowie ganz viele verschiedene Arten elektronischer Musik. Oder Opernarien. OK Computer allerdings ist von mir persönlich in unterdessen jahrelangen Studien empirisch erprobt. Es ist ein verlässlicher, nicht sehr gesundheitsschädigender und dennoch sehr befriedigender Energiespender. Und haut wahnsinnig rein in den Runners-High-Minuten. Ich sag das einfach so als Verbraucher-Empfehlung. Wer nicht läuft oder nicht mit Musik läuft, der sollte einfach mal statt „OK Computer“ „OK Cowboy“ sagen. Aber nicht zu früh bringen, sonst verpufft die Wirkung. Erst dann, wenn man schon richtig verschwitzt ist (und dazu reicht leicht erweitertes Walking nicht, sorry). Funktioniert sicher auch mit Rudern, stundenlangen Liegestützen oder mit sehr aktivem Expressionstanz. Ich schliesse mit der Behauptung, dass „OK Cowboy“ im richtigen Moment reinhaut wie ein Schluck Cola bei Kilometer 41. Bei Cowboys und -girls.

Bärchenwurst

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Als ich das vierte Mal bei Lidl daran vorbeiglelaufen war, musste ich sie einfach kaufen. Die Bärchenwurst. Mit Schweinefleisch und Trinkwasser und Milch. Auf der Packung steht:

Übrigens:

Die Rezeptur aller unserer Bärchen-Produkte ist perfekt auf die Bedürfnisse von Kindern abgestimmt. Sie enthalten weder künstliche Aromastoffe, noch Geschmacksverstärker und der Fettanteil ist reduziert.

Selber schuld, wenn man sich als bald 32jähriger Bärchenwurst kauft. Dann schmeckt sie einem nämlich überhaupt nicht. Man isst eine Scheibe und wirft sie, entgegen allen sonstigen Gepflogenheiten, in den Müllsack. Wo sie nun unter etwas Kaffeesatz liegt. Immer noch freundlich lächelnd.

Bei der Bäckerin

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was Liebe nicht zustande bringt
das schafft die Dummheit
das ist der Satz bei dem ich bleibe
wie ein Zuhause werde ich damit nicht fertig

Blumfeld, L’état et moi

Die Berliner verzeihen einem alles, was auch nur entfernt damit zu tun hat, ein Wesen zu sein. Nur eines können sie auf den Tod nicht ausstehen: Wenn sich einer nicht entscheiden kann.

Zum Beispiel die Bäckerin, die ungelogen eine Zehntelssekunde nachdem man den Laden betreten hat (alleine, keine wartende Kunden), entnervt um sich schaut und denkt:

O Gott, jetzt hab ich wieder so einen unschlüssigen Schweizer im Laden. Das dauert jetzt sicher Stunden, bis der weiss, was er will. Was ich nicht alles in der Zeit erledigen könnte, in der der jetzt die Brötchen anguckt. Dabei heissen die bei uns sowieso Schrippen und kosten manchmal nur 5 Cent das Stück. Brötchen verstehen wir nicht und wollen wir auch nicht verstehen. Auch bei den süssen Sachen steht da nur immer das Gleiche. Amerikaner, Schweinsohren, Pfannkuchen. Alles in minderer Qualität, aber dafür riesengross. Die Konkurrenz macht auch nie was anderes. Also sollte es doch nicht schwer sein, sich für was zu entscheiden. Aber was macht er? Er guckt immer noch rum von links nach rechts und wieder nach links und macht grosse Augen. Als würde irgendwas dazukommen. Jetzt sagt er auch noch Moment, ich habs gleich, der Langweiler. Ja ja und ich steh mir hier die Beine in den Bauch.

Ich denke derweil:

Menno, ist die aber unfreundlich. Kaum bin ich im Laden, regt sie sich auch schon drüber auf, dass ich nicht auf der Stelle weiss, was ich will. Dabei bin ich doch eben erst gekommen und will mir mal einen Überblick verschaffen, was da alles so rumliegt. Da liegen nämlich viele nicht nur riesige, sondern auch seltsame Gebäcke rum, die ich noch nie gesehen habe. Aber weil die mich hier immer so unter Zeitdruck setzen, kann ich sie mir gar nie ansehen. Ich werd dann auch prompt schwach nach fünf Sekunden und sag irgendwas. Und lauf mit was raus, das ich vielleicht gar nicht haben wollte. Nur weil ich noch so ein unverarbeitetes Kulturkreisgen in mir habe. Das mir weis machen will, diese arme Bäckereifachverkäuferin habe sicher noch viel zu tun heute. Dabei steh ich doch alleine im Laden. Und bin zudem noch der Kunde. Aber was ist schon ein Kunde in Berlin. Eine lästige Unterbrechung des Alltags.

Offenlegung: Teilweise angeregt durch einen Text im aktuellen Tip. Ich glaub, ich schreib jetzt immer Offenlegungen.

Journalist