Es ist ja meistens nicht auszuhalten, wenn man mal den Fernseher einschaltet: Call-In-TV, Doku-Soaps, Talkshows, Werbung, Wiederholungen und auf den öffentlich-rechtlichen Sendern die immer gleichen Politiker und Experten, die sich zu den immer wieder aktuellen gleichen Themen äussern.
Aber es ist nicht alles schlecht. Und es kommt auch nicht alles Gute nur immer aus den USA. Sondern manchmal auch aus Deutschland oder Dänemark. Für die anstehenden Wochenenden drei Empfehlungen:
Zum Tod von Christoph Schlingensief am 21. August 2010.
Ich höre die Leute schon reden. Der wilde Schlingensief, der Provokateur, das Enfant terrible … natürlich wahnsinniger Überlebenswille … wahnsinnige Anstrenungen … hat bis zum letzten Atemzug gekämpft … am Ende dann doch in der Klinik soundso …
Christoph Schlingensief, “So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein! Tagebuch einer Krebserkrankung”, Seite 49
Ich dachte, dass ich im Kern beschützt sei. Von Gottes Gnaden behütet, belohnt mit Tausenden von Möglichkeiten, gesegnet mit einem langen Leben, mit vielen, vielen Dingen, Bildern, Fragen, Antworten, Fragen, die sich aus Antworten ergeben. Und in den letzten Tagen hab ich echt geglaubt, ich bekäme jetzt die grosse Chance zu beweisen, dass ich ein ernsthaftes Anliegen habe, dass ich in der Welt noch Wichtiges zu tun habe – und auch, dass ich die Möglichkeit bekäme, das Leben jetzt wirklich geniessen zu lernen. Habe mir eingebildet, dass ich noch viele, viele tolle Momente erleben werde, mit Essen und Trinken, Natur und Musik, Liebe und Sex.
Und das, lieber Gott, ist die grösste Enttäuschung. Dass du ein Glückskind einfach so zertrittst, du bist jedenfalls gerade dabei, das zu tun. Und alle die anderen Leute, die an dich glauben, zertrittst du auch, zum Beispiel die, die nach Lourdes laufen und dennoch nicht geheilt werden.
Pure Ignoranz ist das. (…)
Christoph Schlingensief, “So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein! Tagebuch einer Krebserkrankung”, Seite 51
Ein allzu milder Herrscher bin ich noch
Gegen dies Volk – die Zungen sind noch frei,
Es ist noch nicht ganz wie es soll gebändigt –
Doch es soll anders werden, ich gelob‘ es,
Ich will ihn brechen diesen starren Sinn,
Den kecken Geist der Freiheit will ich beugen.
Ein neu Gesetz will ich in diesen Landen
Verkünden – Ich will –
Das waren die letzten Worte von Landvogt Gessler in Friedrich Schillers „Wilhelm Tell“ – bevor ihn ein Pfeil durchbohrte. Assoziationen zur Gesetzesflut oder zu Militäreinsätzen im Ausland mag jeder selbst herstellen.
Wie das so ist im Internet: Man stolpert über einen Link und gerät in ein neues Universum, das einen wieder für Stunden reinzieht: The Music Animation Machine.
Schon seit 2005 online ist die Toccata und Fuge d-Moll BWV 565 von Johann Sebastian Bach. Da nur eine Orgel beteiligt ist, zeigt sich das Konzept ziemlich gut:
Visuell gut nachvollziehbar ist auch der bekannte erste Satz der 5. Symphonie von Ludwig van Beethoven.
Es fällt auf, dass die Visualisierungen über die Jahre ausgefeilter und variantenreicher wurden. Der Kanon in D von Johann Pachelbel ist sowohl von Noten als auch von Musikern begleitet vorhanden. Bei „Für Elise“ von Beethoven weiss man dann gar nicht mehr, wohin man schauen soll: Die Visualisierung wird ergänzt von klavierspielenden Händen aus zwei Blickwinkeln und den Noten.
Man merkt schnell, dass es sehr viele Möglichkeiten gibt, Musik grafisch darzustellen. So werden in dieser Chopin-Nocturne Intervalle gezeigt. Und bei dieser Debussy-Arabesque ist es, als würden die Töne wie Perlen an einer endlosen Schnur aufgereiht. Verfügbar sind übrigens auch moderne Werke wie die „Nokia Ringtone Fugue“ von Vincent Lo.
Noch viel mehr Videos gibt es auf dem YouTube-Kanal von smalin. Stephen Malinowski ist auch bei Twitter. Er schreibt hier, warum er das eigentlich macht.
Weil draussen grade Sommer ist, noch etwas „Winter“ von Antonio Vivaldi: