Die Werbebranche bestimmt die Zukunft des Journalismus in der Printbranche

Angesichts von sinkenden Auflagen haben die Werber die Zukunft des Journalismus in der Printbranche in der Hand. Geben Sie der kritischen Öffentlichkeit eine Chance oder geht es tatsächlich nur um die Quoten?

Die Auflagen der Printmedien gehen unter dem Druck des Internets zurück und damit auch die Einnahmen der Verlagshäuser. Im Dezember 2008 wurden gemäss Wemf-Inseratestatistik in der Schweizer Presse 11.5% weniger Anzeigen als im gleichen Zeitraum des Vorjahrs geschaltet. In allen Verlagen muss gespart werden – die angebliche Zeit, die Zeitungen noch zu Überleben bleiben soll, wird ständig verkürzt. Keine zehn Jahre mehr, sondern nur noch fünf Jahre gibt ihnen Marc Fisher, Redaktor der “Washington Post” (in einem Interview mit der “Süddeutschen Zeitung”).

Bild: CC Flickr m.p.3. Bild: CC Flickr m.p.3.

Redaktionsmitglieder sind überall unter Druck – von ihnen wird die gewohnte Qualität mit weniger Mitteln erwartet. Doch Abstriche müssen gemacht werden. So sagt “Baz”-Chefredaktor Matthias Geering über sein Blatt: “Die ‘Basler Zeitung’ vom Herbst 2009 wird nicht mehr die ‘Basler Zeitung’ von heute sein.” Auch andere Zeitungen werden immer dünner, die “NZZ” zum Beispiel wurde kürzlich in einer Kolumne als “Lose-Blätter-Sammlung” bezeichnet. Was tapfer als Lesergewinn verkauft wird, ist nichts anderes als ein unausweichlicher Abbau durch Einsparungen. Zuerst gespart wird an den kostspieligen Arbeitsvorgängen, also an aufwändigen Recherchen, an eingekauften Texten und an Reisen, die Spesen nach sich ziehen. Die ehemals stolze Tageszeitung bleibt im schlechtesten Fall ein fader Brei längst vermeldeter Agenturmeldungen, gewürzt mit vereinzelten, schmalen Eigenleistungen.

Online, wohin alle drängen und wo sich die Zukunft vieler Printprodukte entscheiden wird, gibt es noch nicht viel zu verdienen. Nicht mehr die anderen Zeitungen der Region sind die Konkurrenz, sondern alle Websites der Welt. Online wird nicht mehr nach Auflage, nach Reichweite oder nach Leserzahlen bezahlt, sondern nach Unique Clients, nach Visitors und nach Page Impressions. Gemessen werden die Klicks. Die Werbegelder fliessen bisher den Portalen mit den besten Zahlen, also Quoten, zu. Doch durch die ständige Analyse der Quoten und der damit einhergehenden Anpassung der Inhalte werden diese Portale zwangsläufig boulevardesker – nicht mehr die journalistische Relevanz zählt, sondern es ist die Klick-Quote, die zum zum alleinigen Gradmesser zu werden droht. “Die Leser wollen es so”, heisst es gerne von den Online-Redaktionen. Doch soll sich, nur weil die Klick-Quoten nun gemessen werden können, jede Publikation um Sex, Promis und Monster drehen, was, wie sich gezeigt hat, die Leser der Zeitungsportale am liebsten anklicken?

Bezahlmodelle im Internet, die Journalismus entlöhnen, haben sich bisher keine durchgesetzt. Teure Korrespondentenberichte der “NZZ”, für die im Jahresabo stolze 465 Franken zu bezahlen sind, können per Laptop oder Handy kostenlos konsumiert werden. Auch die Gratiszeitungen liefern kein Einkommen mehr von den Lesern – sie leben von der Werbung allein, von der sehr viel geschaltet werden muss, um die hohen Druck- und Vertriebskosten zu finanzieren.

Tyler Brûlé, erfolgreicher Herausgeber des englischsprachigen Edelmagazins “Monocle”, prophezeit (im “Magazin”) eine Zukunft mit nur noch zwei Marktsegmenten im Printbereich, nämlich (teuren) elitären Tageszeitungen und Magazinen mit klugen Analysen und Meinungen einerseits und (kostenlosem) Boulevardtrash mit gigantischer Auflage andererseits.

Um die gigantische Auflage zu erreichen, müssen die kostenlosen Produkte aggressiv an den Leser gebracht werden, denn die Konkurrenz um Aufmerksamkeit ist gross. Das geschieht auf Papier in Form von Gratiszeitungen, im Internet mit Boulevard-Portalen. Es zeichnet sich ab, dass beide Formen aus Kostengründen mit seriösem Journalismus je länger je weniger zu tun haben werden.

Von der sich rasch wandelnden Einkommenslage verunsichert, beschreiten bisher als verlässliche Journalismus-Produzenten bekannte Verlage wie Ringier und Tamedia vermehrt diesen Weg. Doch die Werbewirkung ist gar nicht gesichert. Mehr ständig klickende, unkonzentriert blätternde Leser laden zwar mehr Werbebanner und lesen mehr Seiten, doch welche Werbung tatsächlich interessiert, gar zu einem Kauf führt, ist nicht bewiesen.

Die Werbetreibenden sollten sich nicht von der durch Boulevard, SEO und Reizthemen herbeigeklickten Quantität an Klicks oder von fantastischen Gratiszeitungs-Leserzahlen überzeugen lassen, sondern sich auf das publizistische Produkt konzentrieren – mit einer kühlen Analyse, welche die Frage beantwortet, ob das zu bewerbende Produkt überhaupt in die meist nicht sehr seriöse Umgebung hineinpasst.

Im verzweifelten Bemühen, online Geld zu verdienen, und das sofort, werden immer mehr Portale ein schlechter Abklatsch des (längst lukrativen) Pioniers Spiegel Online. Damit wird die publizistische Vielfalt zerstört – ein abruptes Ende einer über Jahrzehnte aufgebauten Schreibkultur und Lesertreue. Man könnte verzweifeln ob der Einfallslosigkeit der hiesigen Verleger – doch bald hat man sich so daran gewöhnt, dass einen die in immer kürzeren Abständen vermeldeten Hiobsbotschaften kaum mehr berühren. Wer zu lange Patient ist, erhält irgendwann keinen Besuch mehr.

Die Zukunft des seriösen Journalismus liegt zu einem guten Teil in den Händen der Werbebranche. Denn es sind die Werber und Mediaplaner, die entscheiden, in welchem Umfeld sie ihre Produkte platzieren möchten. Weil im Printbereich bisher kaum oder nur sehr ungenau gemessen wurde, konnte die Privatwirtschaft ohne Hilfe des Staats Aufgaben wahrnehmen, die der Gesellschaft einen Mehrwert bieten. Mit einer ausschliesslichen Fixierung auf die Quote drohen viele über Jahrzehnte gewachsene Darstellungsformen zu verenden: Reportagen, investigative Recherchen, kritische Besprechungen aktueller Kultur, historische Betrachtungen, kurz, die vertiefte Auseinandersetzung mit Themen, die nicht auf dem Boulevard liegen, ist bedroht.

Die Begehrlichkeiten der Werbetreibenden, Inhalt und Werbung zu vermischen, werden von Jahr zu Jahr grösser. Doch unabhängiger Journalismus kann so nicht existieren. Wer überzeugt ist, ein gutes Produkt zu bewerben, hat es gar nicht nötig, in die redaktionellen Prozesse einzugreifen. Er setzt auf die Präsenz seines Produkts nicht in, sondern neben den journalistischen Inhalten. Und lässt dieses von unabhängigen Publizisten besprechen, ohne sich einzumischen. Das wird im Internet so oder so gemacht; die Wunschfantasie der kontrollierten Berichterstattung über ein Produkt ist durch die Demokratisierung der Medien, also zum Beispiel durch die Existenz von Blogs, Vergangenheit.

Wenn Journalismus, dieses wertvolle Gut der kritischen Öffentlichkeit, kein Vorrecht der vermögenden Klasse werden soll (was ja mal so war), dann müssen Werbegelder auch dorthin fliessen, wo die Leser nicht mit Sex und Sensationen geködert werden, wo keine Empörungsbewirtschaftung regiert. Dann müssen Werbegelder jenen Medien zufliessen, die von kritischen Konsumenten konsumiert werden. Die Produkte kaufen, weil sie davon überzeugt sind, und nicht, weil sie dazu überredet wurden. Ob online, auf Papier oder portabel, das spielt in Zukunft keine Rolle mehr. Die Mobilität macht nämlich weder vor den Inhalten noch vor der Werbung halt.

Dieser Artikel erschien in redigierter Form am 26. März 2009 in der Werbewoche.


Kommentare

Eine Antwort zu „Die Werbebranche bestimmt die Zukunft des Journalismus in der Printbranche“

  1. du hast völlig recht – meine these: das newsnetz (und damit baz, bz, bund und tagi) ist in der qualität schon dermassen heruntergafahren, dass es für bestimmte produkte als werbeplattform schon jetzt nicht mehr funktioniert, wie es früher in den printtiteln noch funktionierte. und ich weiss von kunden, die den schritt von print zu online insbesondere bei newsnetz nicht machen, weil es da einfach zu viel blingbling und zu wenig substanz hat. die verlage schiessen sich mit dem herunterfahren der qualität und der kompletten boulevardisierung ihrer online kanäle ins eigene bein. ein jammer.

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