Der unausgestrahlte Nikolaus

Ein gebührenfinanzierter Radiosender sendet nicht, wie ein Politiker erzählt, wie er für seine Familie den Nikolaus macht. Zu politisch!

Kurz die Ausgangslage: Auf dem gemäss Wikipedia „alternativen Hörfunksender“ Radio Stadtfilter läuft regelmässig eine von drei freien Mitarbeitern gemachte Sendung mit dem Titel „Verzell!“, zu deutsch „Erzähle!“.

Es handelt sich dabei um ein „Geschichtenradio“, bei dem die Leute aus ihrem Leben erzählen – seit über 30 Folgen werden die verschiedensten Personen in die Sendung eingeladen. Für die neuste Folge hatte man einen bekannten Politiker, einen ehemaligen Departementsvorsteher, dazu gebracht, zu erzählen, wie er für seine Familie den Nikolaus spielt und wie er seine Frau kennenlernte.

Harmlose Sache, würde man glauben. Nicht doch:

„Wenn wir einen Politiker auftreten lassen, müssen seine Aussagen auch kritisch, also politisch, hinterfragt werden. Das gilt insbesondere für (…). Dafür bietet das Gefäss ‚Verzell!‘ aber nicht den richtigen Rahmen.“

So jedenfalls sieht das die feste Redaktion von Radio Stadtfilter, namentlich Dominik Dusek. Und nein, dabei handle es sich „keineswegs um Zensur“.

Auch wenn die Sendungsmacher sagen, es handle sich beim Sendegefäss „um Unterhaltung, ohne jegliche Wertung“ und man rede „mit den Leuten übers Leben, mehr nicht“, es seien zudem Aussagen getätigt worden, die bisher noch nie so zu hören gewesen seien – die jeweils am Sonntagnachmittag um 16 Uhr ausgestrahlte Sendung wird nicht gesendet. Erreicht wurde damit folgendes:

Als Reaktion auf den Entscheid der Redaktion, hat das „Verzell!“-Team beschlossen, die Zusammenarbeit mit Stadtfilter zu beenden und die Sendung einzustellen.

Wäre ich Sven Epting, Thomas Jud oder Jessy Manhart – genau das hätte ich auch getan.

Sehr anschaulich deutlich wird in diesem Fall, was ich vor einem Jahr feststellte, die nach wie vor untote „Blochermania“ vieler etablierter Journalisten. Und was ist mit dem Gespräch? Natürlich ist es so richtig bekannt geworden, während es ohne ein Verbot kaum jemand davon erfahren hätte. Über Politik wird darin nicht geredet.

Anhören kann man es sich in einem Stück auf blocher.ch oder in zwei Teilen auf landbote.ch und persoenlich.com (in schweizerdeutschem Dialekt, aufgenommen in einer Kneipe).

Im Gästebuch des Radios gehen die Reaktionen dazu derzeit im Minutentakt ein.

Nachtrag, 15:45 Uhr: Das Radio Stadtfilter wird mit Gebühren finanziert. In der vom Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK erteilten „Konzession für ein UKW-Radio mit Leistungsauftrag und Gebührenanteil“ (bakom.admin.ch, PDF, 96 kb) heisst es:

Der Konzessionär hat einen Anspruch auf einen Gebührenanteil von jährlich 309’111 Franken.


Kommentare

2 Antworten zu „Der unausgestrahlte Nikolaus“

  1. Weniger Samichlaus mehr Information. Talk über Meinungsvielfalt in den Medien auf Radio Stadtfilter

    Als Reaktion auf die Kontroverse um die Nicht-Ausstrahlung eines Interview mit Alt-Bundesrat Christoph Blocher sendet Radio Stadtfilter am Samstag, 12.12.09, einen Talk zum Thema Meinungsvielfalt in den Medien. Wir möchten weniger Samichlaus, dafür mehr Information in den Medien. Dafür setzen wir uns ein und darüber diskutieren wir auch gerne. Am Talk nehmen die Journalisten des Tages-Anzeigers und des Landboten teil, die über das Interview geschrieben haben, sowie der verantwortliche Redaktor von Radio Stadtfilter und ein Experte für journalistische Ethik.

    Redaktionelle Entscheide werden täglich Tausende gefällt. Bei Radio Stadtfilter ist nun einer öffentlich geworden. Wir nehmen dies gerne zum Anlass, um über Meinungsvielfalt in den Medien zu diskutieren. Am Anfang steht die Frage, wann die Meinung eines/r bestimmten PolitikerIn berücksichtigt werden muss und wann nicht. Dann geht es aber weiter: Was ist der Unterschied zwischen redaktionellen Entscheiden und Zensur? Trägt die Skandalisierung eines redaktionellen Entscheids zur gegenseitigen Kontrolle der Medien bei? Wie bewegt man sich als JournalistIn und als Redaktion im Spannungsfeld zwischen sachlicher und attraktiver Berichterstattung?

    Es diskutieren:
    Max Trossmann, Historiker und Publizist, Mitglied des Schweizer Presserats
    René Donzé, Redaktor Tages-Anzeiger
    Thomas Möckli, Blattmacher und Reporter Landbote
    Dominik Dusek, Redaktionsleiter Kultur Radio Stadtfilter

    Moderation:
    Linda Muscheidt, Kommunikationsfachfrau und Radiojournalistin, ehemals DRS 3

    Ausstrahlung
    Samstag, 12. Dezember 2009, 13 – 14 Uhr, in Winterthur auf 96.3 MHz über UKW, 107.35 MHz über Kabel und überall über http://www.stadtfilter.ch.

  2. Das ist doch ein Sturm im Wasserglas. Ich fand das Interview zwar harmlos aber trotzdem gut. Da lernt man auch mal den Menschen Blocher kennen und nicht immer nur den menschenverachtenden Hardliner Blocher. Daraus jetzt ein Riesenpolitikum zu machen zeigt nur, dass die Journalisten sich nicht mit wichtigen Themen befassen wollen.

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