Journalismus im Hause Ringier (4)

Dem Zürcher Radiosender Energy Zürich (zu 51 Prozent in Besitz von Ringier, hier eine Übersicht der Beteiligungen von Ringier) muss seine Radiosendungen Ende Jahr abschalten, wie nun endgültig vom Bundesverwaltungsgericht entschieden wurde („Das Urteil kann vor Bundesgericht nicht angefochten werden und ist somit seit der Eröffnung rechtskräftig.“)

Der Online-Ableger der Boulevardzeitung „Blick“ (zu 100 Prozent in Besitz von Ringier) berichtete am 18. September über diese Einstellung mit diesen Worten:

„Der Schock beim populären Radiosender Energy sitzt tief“

„Die Mitarbeiter sind wütend und traurig“

Man holte sich ausgewählte Stimmen ein. Der Präsident des Verbandes Schweizer Presse, Hanspeter Lebrument, sagte zum Beispiel: „Ich bin bestürzt und wütend“. Verschiedene Musiker, Parlamentarier und Energy-Mitarbeiter gaben ihrer Empörung in einer Bildergalerie Ausdruck.

Dass Blick.ch bei seinen vielen, vielen Berichten über Radio Energy darauf hinweist, dass dieses mehr als zur Hälfte Ringier gehört, hab ich noch nicht gesehen. Wenn, dann machen den Transparenzhinweis Leser in der Kommentaren.

Am 25. September schreibt Blick.ch einen Artikel über einen „üblen“ Radio-Vorschlag: „Rechtsextremen-Hetze gegen Favre„. „Ein deutsches Privatradio“ habe sich erlaubt, seine Hörer zu fragen, ob die deutsche Partei NPD den Trainer des Fussballclubs Hertha BSC Berlin, Lucien Favre, nach Hause schicken soll:

Ein geschmackloser Gag stark an der Grenze zum Rassismus!

Zur Erklärung: Die «NPD» verschickt Briefe an Politiker mit ausländischem Hintergrund und fordert diese auf, Deutschland zu verlassen. Nun soll auch Favre solch einen Brief erhalten.

Wer sich fragt, welches Privatradio denn solche Gags macht, muss bild.de lesen: Die Antwort lautet: „Radio Energy“, der deutsche Ableger der NRJ Group (49-Prozent-Partner von Ringier in der Schweiz).

Die Story hat von Beginn an ein hohes Empörungspotential. Dass ausgerechnet im Internet-Zeitalter, wo jeder ohne grosse Kosten eigene Radiosender oder Podcasts erstellen kann (zum Beispiel bei 1000mikes.com), aufwändige Konzessions-Tribunale für UKW-Sender abgehalten werden, ist schon sehr fragwürdig und durchaus Zeugnis einer überregulierten Medienpolitik. Das heisst aber nicht, dass es ok ist, wenn Ringier durch sein Boulevardmedium „Blick“ Politik für einen eigenen Sender macht.


Bild: CC Flickr Blumblaum

Es war von Anfang an klar, dass Ringier mit einem schlechten Gesuch unterliegen würde (hier eine Übersicht der Gesuche). Das ist wie angekündigt eingetroffen. Trotzdem zeigt sich der Verlag als schlechter Verlierer und erstellt zu Handen der Werbekunden eine Präsentation, in welcher der siegreiche Gegner, Radio 1 von Roger Schawinski, lächerlich gemacht wird. Roger Schawinski wird darin verkürzt, dauergrinsend und geldscheffelnd dargestellt (siehe auch media-blog.ch). Schawinski reichte darauf Klage ein.

Man stellt erstaunt fest, für was Ringier „Energy“ hat und für was nicht.

Präsentationen für Werbekunden? Ja.

Gegner blossstellen? Ja.

Empörungsbewirtschaftung? Ja.

Überzeugende Gesuche stellen? Nein.

Transparenten Journalismus machen? Nein.

Personelle Konsequenzen ziehen? Nein.

2 Gedanken zu „Journalismus im Hause Ringier (4)“

  1. Das Ringier keinen seriösen Journalismus betreibt, ist hinlänglich bekannt. Den Blick mit einem seriösen Presseerzeugnis gleichzusetzen ist eine zu grosse Ehre für dieses Machwerk aus dem Hause Ringier.
    Insofern verstehe ich die Aufregung nicht.
    Die Medienkonsumenten haben ihr Urteil schon selber gefällt. Sie lassen die Zeitungen langsam sterben und dem Webradio gehört die Zukunft. Selbst der ewig-gestrige Toni Brunner setzt auf das Webradio.

  2. @antoine: die Aufregung ist insofern schon begründet, weil leider heute viele Leser/Konsumenten einfach glauben, was ihnen vorgesetzt wird und sich nicht die Zeit nehmen, die Aussagen zu hinterfragen.

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