In seinem Büro hängt ein ehemals zwei Meter langes Maßband, von dem er jeden Tag einen Zentimeter abschneidet, noch 177 Tage, dann geht er in Rente.
Bestatter-Weblog, Werner
In einer Welt, in der Jugendliche bei Facebook bereitwillig ihren 20.000 Freunden erzählen, wie es um ihr Intimleben bestellt ist und im Fernsehen gescheiterte Möchtegern-Stars freimütig bekennen, dass man halt Kakerlaken fressen muss, um sein Publikum wieder zu erreichen, haben Konzepte wie Privatsphäre, Datenschutz oder informationelle Selbstbestimmung einen schweren Stand.
Dazu der Bildtext:
Im Dschungelcamp: Barbara Herzsprung beim Verzehr eines rohen Känguru-Hodens. Auch wir haben vergessen, dass man Menschen nicht bei jedem Mist beobachten sollte. Vollüberwachung ist Entertainment.
Frank Patalong, Spiegel Online, Invasion der Freiheitsfresser
Der Essay ist eine verlockende Form, weil sie eine grosse Verschiedenheit an Registern zulässt. Es gibt den akademischen Essay, der eine Beweisführung ist; da hat jemand eine These, und die kennt er schon, wenn er anfängt zu schreiben. Und am Schluss führt er schlüssig vor, warum es so sein muss, wie er anfangs schon gedacht hat. Ich halte es mehr mit dem Ahnherrn des Essays, mit Montaigne. Der wusste nie vorher, was am Ende bei seinen Überlegungen herauskommt. Der Essay ist auch deshalb angenehm, weil er formal ein Allesfresser ist: Er kann Erzählungen und Anekdoten ebenso aufnehmen wie Dokumente oder Theorien.
Hans Magnus Enzensberger, Weltwoche, «Jammern ist nie eine gute Idee»
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