In einer Dorfkneipe im Appenzell beschliesst ein junges Paar, einen Filmstunt nachzuspielen, ohne Alkoholeinfluss und ohne jemanden zu gefährden. Nun sind beide ihren Führerschein los und entlassen. Ist das nicht übertrieben?
„Roger K.“ heisst der Stunt-Raser vom Appenzell, der mit seiner Freundin einen Filmstunt (hier ganz kurz zu sehen) aus dem Film Death Proof von Quentin Tarantino nachgestellt hat. So war es im Blick zu lesen und die Meinung dazu war auch sehr schnell gemacht: „Das ist einfach nur dumm!“
Stimmt schon, besonders gescheit war das nicht, mit einer Frau auf der Kühlerhaube durch eine Radarfalle zu rasen.
Das Radarbild des Stunts. Geblitzt wurde das Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 86 km/h. (Bild: KEYSTONE/KANTONSPOLIZEI APPENZELL AUSSERRHODEN)
Was war passiert? Die Kantonspolizei Appenzell Ausserrhoden gibt den Vorgang im Text „Riskantes Fahrmanöver“ so wieder:
In der Nacht auf den 6. Juli 2008 wurde bei der Geschwindigkeitsmessstelle in Heiden ein Auto „geblitzt“, welches mit massiv überhöhter Geschwindigkeit und einer Person auf der Kühlerhaube liegend unterwegs war.
Bei der Auswertung der Aufzeichnungen der Geschwindigkeitsmessstelle an der Gruberstrasse in Heiden wurden die Mitarbeitenden der Ausserrhoder Verkehrspolizei auf ein ganz besonderes Foto aufmerksam. Es zeigte einen roten Kleinwagen, ohne Kontrollschilder, der innerhalb der mit 50 km/h signalisierten Innerortsstrecke mit einer Geschwindigkeit von 86 km/h von Heiden in Richtung Grub unterwegs war. Und das besondere, auf der Kühlerhaube lag eine Person, die lediglich mit einem Band an der linken Hand gesichert als Passagier mitfuhr.
In ermittlungstaktischer Kleinarbeit gelang es der Kantonspolizei Appenzell Ausserrhoden das Fahrzeug und die fehlbaren Personen zu ermitteln. Schliesslich gaben der 22-jährige Lenker und die 21-jährige Frau, die als Passagierin auf der Kühlerhaube mitfuhr, zu, die Fahrt in jener Nacht kurz nach 01.00 Uhr von Rehetobel über Heiden in Richtung Grub durch die Geschwindigkeitsmessstelle ausgeführt zu haben. Dem Lenker sowie der auf der Kühlerhaube mitfahrenden Frau, welche die Besitzerin des Autos ist, wurden wegen grober Missachtung der Strassenverkehrsregeln die Führerausweise eingezogen. Diese leichtsinnige, sehr gefährliche Fahrt hätte mit üblen Folgen enden können.
Nach dem Vorfall wurden beide an der Aktion beteiligten, sie sind als Lastwagenfahrer angestellt bei einer Person, die Blick „Hans P.“ nennt, entlassen. Eine Verteidigung fällt nicht leicht, aber man kann es ja mal versuchen:
Die beiden gefährdeten, so wie wenn man 100 Linien kokst oder 2 Liter Wodka trinkt, vor allem sich selbst. Klar, sie fuhren massiv zu schnell und eine der beiden lag auf der Kühlerhaube. Niemand, auch nicht die Täter selbst, werden einwenden können, das sowas nicht potentiell gefährlich ist oder werden kann. Wiederum: Wer hätte es nicht irgendwie spannend gefunden, diesem Auto zu begegnen? Ausserdem haben die beiden keinen Alkohol getrunken, was zumindest nicht gegen ihre Professionalität spricht.
Zuviele Fakten sprechen gegen die beiden. Aber muss man die Ausführung eines, wie ich finde durchaus sehr lustigen, Streichs, mit dem Entzug der Lebensgrundlage bestrafen? Denn es ist ja nicht nur so, dass die Täter ihren Job los sind, sondern es ist auch so, dass sie wegen des Führerscheinentzugs gar keinen mehr finden werden, jedenfalls nicht in ihrem angestammten Beruf als Lastwagenfahrer.
Die Gesellschaft, bzw. ihre exekutiven Organe, bestraft also zwei übermütige junge Menschen mit einer kompletten beruflichen Vollbremsung. Sie werden sich nun umorientieren müssen und sind vielleicht erstmal eine Weile arbeitslos. Und das nur, weil sie sich in eher harmloser Weise gegen das von den Organen behauptete Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft vergangen haben.
Ich glaube, der gleiche Streich wäre vor einigen Jahrzehnten als grosser Erfolg gefeiert worden. Heute zeigt man nur noch mit dem Finger auf solche Leute. Schade, denn tolerant kann man eine solche Gesellschaft beim besten Willen nicht nennen. Für meinen Teil kann ich auf die „ermittlungstaktische Kleinarbeit“ der Kantonspolizei verzichten.
Auf YouTube gibt es übrigens auch einiges zu sehen:
Und dieses Video trägt das doch schöne Motto „To become old and wise, we must first be young and stupid“:
Offenlegung: Ich bewege mich zurzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln und mit dem Fahrrad. Aber nicht, weil mir der Führerausweis entzogen worden wäre, sondern, weil ich mein Auto verkauft habe.
Schreibe einen Kommentar