Foto: CC Flickr, Moe
Wie wirken sich Genussmittel eigentlich auf unseren Körper aus? Honoré de Balzac erzählt davon:
Ich möchte Ihnen das Ergebnis eines Londoner Experiments mitteilen, das für die uns beschäftigenden Fragen entscheidend ist und für dessen Wahrheit mir zwei glaubwürdige Leute bürgen, ein Gelehrter und ein Politiker.
Die englische Regierung hat es drei zum Tode Verurteilten freigestellt, sich entweder nach der in diesem Lande üblichen Prozedur hängen zu lassen oder sich ausschliesslich von Tee beziehungsweise von Kaffee oder Schokolade zu ernähren, ohne irgendein anderes Nahrungsmittel zu sich zu nehmen oder eine andere Flüssigkeit zu trinken. Die drei Narren akzeptierten den Handel. Vielleicht hätte jeder Verurteilte an ihrer Stelle so gehandelt. Da alle drei Lebensmittel mehr oder weniger Chancen boten, haben sie die Wahl dem Los überlassen.
Der Schokoladenmann starb nach acht Monaten.
Der Kaffeemann brachte es auf zwei Jahre.
Der Teemann verstarb erst nach drei Jahren.
Ich hege den Verdacht, dass die Indische Kompanie das Experiment im Interesse ihres Handels stimuliert hat.
Kann man Balzac die Geschichte glauben?
Ab hier bitte nur weiterlesen, wer über einigermassen starke Nerven verfügt (und das Zitat nicht mit meiner persönlichen Haltung verwechselt):
Der Schokoladenmann starb in einem entsetzlichen Fäulniszustand, von Würmern zerfressen. Seine Glieder waren nach und nach abgefallen wie jene der spanischen Monarchie.
Der Kaffeemann ist den Verbrennungstod gestorben, so als hätten ihn die Feuer von Gomorrha geröstet. Man hätte glatt versuchen können, daraus Kalk zu machen. Das wurde auch vorgeschlagen, aber man fand, das Experiment sei mit der Unsterblichkeit der Seele unvereinbar.
Der Teemann magerte ab und wurde gleichsam durchsichtig. Er starb an der Schwindsucht und hätte eine prima Laterne abgegeben: Man konnte durch seinen Körper hindurchsehen. Ein Philanthrop war in der Lage, seine Times zu lesen, nachdem man ein Licht hinter den Leichnam gestellt hatte. Einen originelleren Versuch verbot der englische Sinn für Anstand.
Ich kann mir die Bemerkung nicht verkneifen, wieviel menschenfreundlicher es doch wäre, zum Tode Verurteilte einer nützlichen Sache zuzuführen statt sie grausam zu guillotinieren. Man verwendet bereits das Fett von Tierkadavern aus den anatomischen Hörsälen zur Herstellung von Kerzen. Wir sollten auf diesem herrlichen Weg keinesfalls anhalten. Übergeben wir also die zum Tode Verurteilten den Wissenschaftlern und nicht den Henkern!
Honoré de Balzac, Pathologie des Soziallebens, Edgar Pankow, Seite 163/164
Schreibe einen Kommentar