Wie sich die Sueddeutsche online verkauft

Es gibt viele Gründe, den Online-Auftritt der „Süddeutschen Zeitung“ zu meiden, hier ist einer davon:

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Bild: Screenshot Startseite sueddeutsche.de

1. Ressort „Kultur“: Was bitte hat es mit „Kultur“ zu tun, wenn eine Fussballerin eine Gegnerin an den Haaren reisst?
2. „Internetvideo der Woche“: Das YouTube-Konto der Nachrichtenagentur AP stellte das Video am 6. November 2009 online – das war vor 14 Tagen, also zwei Wochen.
3. „Du hast die Haare schön“: Was wohl das Opfer der Gewaltattacke über diesen Satz denkt?
4. „Agierte Lambert unfair oder tough wie Zidane?“: Bitte? Gibt es eine Möglichkeit, dass der Vorgang „mit grober Gewalt an den Haaren zu Boden reissen“ fair ausgelegt werden könnte? Und was hat das auch nur im Entferntesten mit dem grossen Fussballer Zinedine Zidane zu tun?
5. „Von C. Kortmann“: Kann man Journalisten nicht viel besser auseinanderhalten, wenn man auch ihre Vornamen kennt? Platz hätte es ja genug im Internet, oder?

Der Artikel dazu beginnt mit diesem Satz, der nichts gutes erwarten lässt:

Fast alle Männer haben Erinnerungen an Frauen, die ihnen beim Sport Schmerzen zufügten.

Tatsächlich, C. Kortmann verklärt die brutale Gewalt der Fussballerin auf eine mich verstörende Weise:

Vielmehr beeindruckt die professionelle Art und Weise, in der sie ihre Gegenspielerinnen umlegt, so, als handelte es sich um erprobte Kampftechniken. Im 90-sekündigen Zusammenschnitt der Partie sieht es so aus, als habe sie reihenweise Frauen zu Boden gestreckt. Es erinnert an Rugby ohne Regeln. Wenn Lambert die Dunkelhaarige, die an ihrer Hose zieht, mit beherztem Griff in die Haare zu Boden streckt, als sei der Zopf ein dafür vorgesehener Aus-Schalter, wirkt sie wie eine wütende Heldin aus einem Film von Quentin Tarantino: Dirty Lizzy gereichte jeder „Kill Bill“-Fortsetzung neben den gefährlichen Figuren von Daryl Hannah und Uma Thurman zur Zierde.

In einer anderen Situation wehrt sie sich gegen einen Ellbogencheck. Nun, „wehren“ ist wohl das falsche Wort, Elizabeth Lambert zahlt es den Gegnerinnen doppelt und dreifach heim. Sie lässt keine Foulvariante aus und schießt sogar einer am Boden liegenden Spielerin den Ball ins Gesicht. Erstaunlich, dass sie mit nur einer gelben Karte durchs Spiel kam. Den Schiedsrichter konnte sie täuschen, nicht aber die Kameras. Es ist ein Auftritt, auf den YouTube nur gewartet hatte, denn solche Bilder hatten wir noch nicht.

Tatsächlich sorgt sich C. Kortmann um die Ehre der „Nachwuchssportlerin, die nun als Aggro-Freak im Internet ausgestellt wird“, „obwohl sie im Grunde nur gewinnen und sich nichts gefallen lassen wollte“. Und rückt die schiefe Moral der anderen zurecht:

Natürlich ist Lambert nicht „böse“, wie zu lesen war.

Vieleicht sollte mal jemand C. Kortmann eine Eintrittskarte zum Frauen-Wrestling schenken.

2 Gedanken zu „Wie sich die Sueddeutsche online verkauft“

  1. Zur Erklärung des Zidane-Vergleichs: http://www.youtube.com/watch?v=K9owfWFzdnQ

    Und generell: In der Kolumne geht es um Darstellungsweisen weiblicher Gewalt und um Gewalt im Sport. Die Verschränkung der beiden Themen erzeugt durchaus einen Effekt, dem nicht Rechnung getragen wird, wenn man sagt: Lambert ist gewalttätig und deshalb böse.
    Man filme einmal einen Verteidiger in einem Fussballspiel der unteren Klassen über 90 Minunten: Und schneide dann die besten Szenen zusammen und veröffentliche sie auf Youtube…

  2. Für mich zeigt das Video zweimal eine Szene von Gewaltätigkeit, die unangekündigt ist und von hinten kommt, einmal vergleichsweise harmlos, einmal erschreckend brutal. Das ist meines Erachtens nur sehr bedingt vergleichbar mit dem Zidane-Kopfstoss, der beim Gegner nur einen vergleichsweise harmlosen Stoss gegen die Brust verursacht hat.

    Ich finde auch, dass man Frauengewalt und Männergewalt gleich behandeln soll. Darum zweifle ich auch daran, ob diese regelrechte Begeisterung von Kortmann für „die professionelle Art und Weise, in der sie ihre Gegenspielerinnen umlegt“ (die genau das Gegenteil ist, nämlich höchst unprofessionell) auch entfacht worden wäre, wenn der Täter keine Frau gewesen wäre.

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