Afghanistan: ISAF-Schutztruppen zahlen Geld, um von Warlords geschützt zu werden

Vor der Bundestagswahl letzten September habe ich den Wahl-O-Mat ausgefüllt und dabei festgestellt, dass von den deutschen Parteien nur „die Linke“ für einen sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan ist. Die Piratenpartei konnte sich weder für ein Ja noch ein Nein entscheiden, die Parteien CDU/CSU, SPD, FDP und die Grünen wollen nicht abziehen.

Gestern schaue ich das Auslandsmagazin „Weltspiegel“ auf ARD und höre einen 35-jährigen Warlord, der angeblich über ein Gebiet in der Grösse des Bundeslands Bremen herrscht. Er sagt (ab ca. Minute 11/12) über die Fahrzeuge der International Security Assistance Force ISAF, die „sein“ Gebiet durchqueren:

„Ja, ich nehme auch Geld von ihnen. Jeder ist hier dran. 1300 Dollar pro Militärfahrzeug – und für die ganz Grossen: 2500 Dollar.“

Screenshot ardmediathek.de

Wie viele Fahrzeuge der internationalen Schutztruppen das denn pro Tag betreffe? Ein Assistent des Warlords antwortet:

Kommt draufan, mal 50, mal 20, mal 10. Aber wir zählen ganz genau.

Der „Weltspiegel“-Sprecher folgert korrekt:

Sollte das stimmen, wäre das die Perversion der Afghanistan-Abenteuers. Die Schutzmacht liesse sich für Geld von den Taliban-Verbündeten beschützen.

Screenshot ardmediathek.de

Rechnet man diese Beträge hoch auf ein ganzes Jahr, dann kommt man auf einen Betrag von 15 bis 20 Millionen Dollar. Schutzgeld, das Schutztruppen zahlen, um sich zu schützen. Wohlgemerkt: dieser Betrag betrifft nur diesen einen Warlord. Es gibt sicher noch viele andere.

Im alle Illusionen raubenden Bericht kommen auch Kinder vor, die verkauft werden, Kinder, die entführt werden, Schutztruppen, die millionenteure Wasserflaschen-Transporte machen und die afghanische Armee, die mit alten Panzern von den internationalen Truppen gebaute neue Strassen kaputt machen.

Screenshot ardmediathek.de

Afghanistan: Alltag in Talibanistan (Video, 15:27 Minuten)

Danke dem „Weltspiegel“ und Christoph Lütgert für diesen Bericht. Die Aussagen des Warlords zu den Schutzgeldzahlungen der Schutztruppen wird übrigens von Recherchen der „Times“ am 12. Dezember 2009 gestützt.

Die schlimmste Erkenntnis dabei: Wir finanzieren mit unseren Steuerzahlungen afghanische Warlords. Und offensichtlich setzen sich nur die Sozialisten konsequent für eine Beendigung dieses „Abenteuers“ ein.

Alle Bilder: Screenshots ardmediathek.de

Update am 25. Januar 2010, 17:20 Uhr: Da der Videobeitrag aus bisher ungeklärten Gründen derzeit in der ARD-Mediathek nicht verfügbar ist, verlinken wir stattdessen auf YouTube. Dort ist der fragliche Beitrag in zwei Teilen online. Die Frage, warum das Video, anders als andere, nicht mehr im Archiv aufzufinden ist, habe ich per Mail dem „Weltspiegel“ gestellt.

Dazu ein TV-Tipp für heute Abend, 23 Uhr, NDR: „Hilflos in Afghanistan: Das deutsche Engagement am Hindukusch“ von Christoph Lütgert und Josy Wübben.

Update am 26. Januar 2010, 12:50 Uhr: Das Erste Mediathek-Team antwortet, der Beitrag sei wohl der 7-Tage-Regelung unterworfen und darum nicht mehr verfügbar – „oftmals hängt es an Bild- Musik- oder/und Persönlichkeitsrechten der im Beitrag vorkommenden Personen“.

7 Gedanken zu „Afghanistan: ISAF-Schutztruppen zahlen Geld, um von Warlords geschützt zu werden“

  1. Da ich mich auch mit einem Blogeintrag diesem Thema gewidmet hatte, stellte ich gestern abend fest, dass die ARD diesen Film aus ihrer Mediathek entfernt hat. Falls Du den Beitrag zufällig aufgenommen hast, wäre es toll, ihn bei bei Youtube oder so einzustellen. Heute Abend kommt von demselben Redakteur übrigens 23 Uhr auf dem NDR „Hilflos in Afghanistan – das deutsche Engagement am Hindukusch“. Vielleicht sollte man es diesmal besser gleich aufnehmen?

  2. Auf Anfrage bei der Redaktion Weltspiegel erhielt ich die Antwort: “vielen Dank für Ihre E-Mail. Leider durften wir diesen Beitrag aus rechtlichen Gründen nur einen kurzen Zeitraum in der Das Erste Mediathek zeigen – dieser ist bereits abgelaufen. Viele Grüße, Das Team der DasErste Mediathek”

    Ich habe erst gedacht, dass man mit solchen Sätzen alles begründen kann, allerdings fand ich durch reinen Zufall folgenden Film im Schweizer Fernsehen
    http://videoportal.sf.tv/video?id=b862eb35-cca6-40db-9aa9-d0155b29a976
    der dieselbe Eingangssequenz mit dem verkauften Kind zeigt. Also könnte die Antwort stimmen.

  3. Hallo,

    ich bin eben auch darüber gestoplert, dass der Beitrag nicht mehr verfügbar war. Ich habe einige Fragen:

    1) Kennt ihr ein zuverlässiges Programm, um solche Beiträge gleich aus der Mediathek zu ziehen?

    2) Wisst Ihr in wie fern Privatpersonen rechtliche Schwierigkeiten bekommen können, wenn sie solche Beiträge in YouTube hochladen und – z.B. in einer Facebook-Gruppe – verlinken.

    Danke

    Jörg

  4. Warlords sind nicht zwingend Verbündete der Taliban. Warlords und Taliban sind ebenfalls keineswegs das gleiche. Wenn man die Geschichte Afghanistans kennt weiß man, dass gerade die Warlords die Taliban lange Zeit bekämpft haben.

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