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Putin ist von gestern

Hat Wladimir Putin noch alle Latten am Zaun, dass er die russische Armee nach Westen befehligt und einen Angriffskrieg mit den Instrumenten des Kalten Krieges durchzieht? Vielleicht ist er einfach nur aus der Zeit gefallen: ein Geheimdienstagent der Sowjetunion, der nach seiner Rückkehr nach Russland als Taxifahrer arbeitet, um über die Runden zu kommen, später zum Präsident wird, und sich nach und nach zu einem Alleinherrscher macht. Jetzt, mit bald 70 Jahren, sieht er sich bedroht vom Machtkampf im Kreml und von der nach Osten erweiterten NATO.

Sein grösster Feind ist die neue Zeit. Mit der Globalisierung und dem Internet ist die Welt stark zusammengewachsen und zu einem grossen, internationalen Netzwerk geworden. Junge Russen stellen sich ihre Informationen und Waren aus vielen Quellen zusammen und sind von der TV-Propaganda des Staatsfernsehens nur noch am Rande beeinflusst. Die Reaktionen auf den Angriff haben auch in Russland vielstimmig und eindeutig aufgezeigt, dass kriegslustige Herrscher wie Putin, die sich im Bunker verschanzen und die Jugend an die Front schicken, von gestern sind. Heute ist es für viele eine einfach nur absurde Idee, mit Panzern und Gewehren ein Nachbarvolk zu überfallen und so Leid und Tod zu verursachen.

Die ergriffenen Sanktionen gegen die «grundlose und ungerechtfertigte militärische Aggression gegen die Ukraine», wie es die EU ausdrückt, sind von einem nie zuvor gesehenem Ausmass. Ich meine, sie werden erfolgreich sein; gut möglich, dass der Krieg im April bereits wieder endet. Können die Sanktionen jedoch tatsächlich einen Krieg stoppen, wird man sehr vorsichtig sein müssen. Sie werden nämlich Lust auf mehr machen.

Ein Angriffskrieg kann weitreichende Sanktionen rechtfertigen. Was aber, wenn ein souveräner Staat bei einem anderen Thema ausschert – die Klimaziele nicht mitträgt, den Migrationspakt nicht akzeptiert, keine Mindeststeuer erhebt? Wird er dann auch vom Bankensystem abgetrennt? Die «internationale Gemeinschaft» – wer auch immer das sein soll – könnte gestärkt und mit mehr Machtfülle aus diesem Krieg hervorgehen. Sie ist eine Bedrohnung für den souveränen Nationalstaat, ja, auch für den demokratisch-freiheitlich legitimierten.

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Linke Sicherheitspolitik ist grotesk

Heute hat der Bundesrat die EU-Sanktionspakete vom 23. und 25. Februar gegen Russland vollumfänglich übernommen. Die Vermögen der gelisteten Personen und Unternehmen sind per sofort gesperrt; auch die Finanzsanktionen gegen Präsident Putin, Premierminister Mishustin und Aussenminister Lavrov werden mit sofortiger Wirkung vollzogen. Gemäss Art. 185 respektive Art. 173 der Bundesverassung haben Bundesrat und Parlament den Auftrag, Massnahmen zu treffen, um die Neutralität zu wahren. Hat der Bundesrat mit seinem Entscheid mit der Neutralität gebrochen? Darüber kann nun debattiert werden.

Diskussionsstoff liefert auch die verquere, widersprüchliche, groteske Sicherheitspolitik der Grünlinken. Bis vor einer Woche wollten breite Teile die Armee vollständig abschaffen und haben im Parlament alles dafür gemacht, sie zu schwächen. Sie torpedieren damit das Konzept der bewaffneten Neutralität, die sie am liebsten auch gleich entsorgen würden. Bricht aber tatsächlich ein Krieg unweit der eigenen Haustür aus, ist alles anders. Abrüstung ist plötzlich «kein Thema mehr»: «Wir haben uns getäuscht», gibt SP-Nationalrätin Franziska Roth offen zu.

Den Begriff der Neutralität versuchen die Sozialdemokraten zur Unkenntlichkeit neu zu definieren. «Neutralität heisst, sich bedingungslos für Frieden, Menschen- und Völkerrecht einzusetzen», verlautbarte die SP Schweiz bereits an Tag 1 des Angriffs. Bedingungslos? Bedingungslos würde heissen, dass eine Generalmobilmachung der Schweizer Soldaten inklusive Reservisten erfolgt, die unverzüglich nach Osten eilen, um die angegriffene Ukraine zu unterstützen. Dass die Sozialdemokraten sowas keinesfalls befürworten würden, zeigt, dass ihre Solidarität vor allem aus warmen Worten besteht.

Der sozialdemokratische deutsche Kanzler Olaf Scholz hat am Wochenende angekündigt, die kaputtgesparte Bundeswehr mit einer Finanzspritze von 100 Milliarden (!) Euro wiederzubeleben – und twitterte dazu: «Wir werden uns nie abfinden mit Gewalt als Mittel der Politik.» Wird die deutsche Verteidigung also gewaltlos erfolgen? Geht es nach Genossin Ronja Jansen, muss das so sein: «Niemand darf gezwungen werden ein Land mit Waffen zu verteidigen». Was will ich sagen? «Gouverner, c’est prévoir» bedeutet halt auch, sich auf schreckliche Szenarien vorzubereiten.

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