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Die Journalisten und das Herrschaftswissen

Journalismus hat die Aufgabe, die Mächtigen zu hinterfragen. Doch die Reaktionen auf „Wikileaks“ zeigen das Gegenteil: Viele Journalisten stellen sich schützend vor die Mächtigen. Zählen sie sich dazu?

Seit wir die Dunkelheit des Mittelalters verlassen haben, in dem Glauben und Aberglauben das im Vergleich zu heute spärlich vorhandene Wissen beherrschten, streben wir nach Wissen, nach mehr Wissen. Die Geschichte hat gezeigt, dass Glauben und Nichtwissen meistens Stillstand bedeutet, Wissen hingegen Fortschritt mit sich bringen kann.

Unterwerfung Heinrichs des Löwen vor Kaiser Friedrich I. Barbarossa in der Erfurter Peterskirche im Jahre 1181
Bild: Unterwerfung Heinrichs des Löwen vor Kaiser Friedrich I. Barbarossa in der Erfurter Peterskirche im Jahre 1181, Commons

Wer Macht innehat, neigt dazu, Wissen zu monopolisieren – im Bewusstsein, dass Wissen Macht ist. Man nennt das Herrschaftswissen. Die exzellente, weltweite Wikipedia versucht das Gegenteil zu erreichen: Nämlich durch solidarische Arbeit das allgemeine Weltwissen eines Tages auch noch dem ärmsten Bürger in der unbekanntesten Sprache kostenlos zur Verfügung zu stellen (Richtig, Wikipedia ist nicht immer vollständig korrekt. Aber sehr viel informativer als gar nichts.)

Herrschaftswissen ist weit verbreitet:

  • Es gibt Ehemänner, die nicht wollen, dass ihre Frau lesen und schreiben lernt, weil sie so ihre Abhängigkeit ihm gegenüber in Frage stellen könnte.
  • Es gibt Politiker, die nicht wollen, dass ihre Bürger genau wissen, was sie machen, weil sie so ihre Gunst in Frage gestellt sehen.
  • Und es gibt Journalisten, die nicht wollen, dass Geheimnisse, die Politiker vor Bürgern bewahren wollen, publik gemacht werden.

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Was bedeutet „Vergewaltigung“ in Schweden?

Durch die Verhaftung von Wikileaks-Gründer Julian Assange am 7. Dezember 2010 ist die Frage aufgetaucht, was denn nun in Schweden alles als Vergewaltigung gilt.

Schweden
Bild: Schwedische Fussballfans in München, Flickr/4mediafactory, CC BY-Lizenz

Schauen wir doch einfach mal nach. Auf dem Faktenblatt „New legislation on sexual crimes“ (PDF-Datei, 118 kb), das vom Schwedischen Justizministerium 2005 herausgegeben wurde. Das Dokument beschreibt die Neuerungen der ab dem 1. April 2005 gültigen Gesetzgebung für Sexualstraftaten.

Ich habe mal versucht, das zu übersetzen (Fehler und Verbesserungsvorschläge bitte in den Kommentaren rückmelden, danke):

Die Verordnung zur Vergewaltigung wurde erweitert, indem das Mass an Gewalt herabgesetzt wurde. Um wegen Vergewaltigung verurteilt zu werden, genügt es unter der neuen Gesetzgebung, wenn der Täter das Opfer zu einer sexuellen Handlung durch einen Überfall, durch Gewalt oder durch Androhung einer kriminellen Tat gedrängt hat. Das heisst bezüglich des Ausmasses an Gewalt, dass weniger schwere Formen von Gewalt ausreichen. Was den Grad der Bedrohung betrifft, ist es nicht weiter erforderlich, dass die Gefahr unmittelbar Leben oder Gesundheit oder andere massgebliche Interessen bedroht. Stattdessen kann ein geringer Grad der Bedrohung ausreichen, um für eine Vergewaltigung verantwortlich gemacht zu werden.

The provision on rape has been broadened by lowering the requirement of force. In order to be convicted for rape it is sufficient under the new legislation if the offender has forced the victim to engage in a sexual act through assault, violence or the threat of a criminal act. This means that with regard to the requirement of violence, less grievous forms of violence will be sufficient. As to the degree of threat, it is no longer required that the threat be of the kind that constitutes a threat of imminent violence endangering life or health or some other more significant interest. Instead, a lesser degree of threat can suffice for liability for rape.

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50 Euro hier, 50 Cents da

„Big Daddy“ ist tot, lass uns „lousy pennies“ zusammenkratzen.

Nach etwa einer halben Stunde dieser 36 Minuten dachte ich: Ja, es ist richtig, gleich jetzt etwas an wikileaks.org zu überweisen, auch wenn es nur 50 Euro sind.

Interview mit Daniel Schmitt von Wikileaks (dctp.tv, Video, 36 Minuten – wer von dctp.tv hat eigentlich den bescheuerten Titel „Wir sind die Guten“ vergeben?) Ebenfalls online ist übrigens Schmitts Vortrag bei der re:publica 10 (youtube.com, Video, 50 Minuten). Falls Du auch was spenden willst: hier.

Neu hier im Blog sind die beiden Mikrobezahldienste Kachingle und Flattr, die ein System von Mikrozahlungen anbieten und (wie Paypal beispielsweise) eine saftige Kommission für sich abziehen. So richtig überzeugt hat mich bisher weder das eine noch das andere Konzept, doch ich will daran glauben, dass sich das in einigen Monaten ändert.

Definitiv überzeugt bin ich aber, dass sich die meisten Inhaltsproduzenten in Zukunft selbst um ihre Finanzierung kümmern müssen. Die Zeiten der gesicherten Geschäftsmodelle und der Big Daddys sind wohl definitiv vorbei (und ich hab sie noch nicht mal richtig miterlebt). Deshalb nehme ich jeden Versuch auf, der mir irgendwann in der Zukunft eine Finanzierung meiner Arbeit erlauben könnte.

Dazu gehört auch das Widget von adtaily.com, das die Möglichkeit bietet, hier kommissionsfrei zu werben, für rund einen Dollar am Tag. Ich werde per sofort jedes Mail aus der Abteilung Public Relations, jede Anfrage nach einem Linktausch und jede andere Anfrage in diese Richtung mit dem Hinweis auf diese Werbemöglichkeit beantworten.

Noch gibt es viele, die es unter ihrer Würde ansehen, „lousy pennies“ zusammenzukratzen. Mal sehen, wie das in einigen Jahren aussieht.

Siehe dazu auch „Wie weiter ohne Geld: Inhalte, von Spenden finanziert“ aus dem Dezember 2008.

Nachtrag: Die Leser von Bildblog.de, wo neben anderen Autoren auch ich mitarbeite, haben das Blog nach einem Spendenaufruf wie folgt unterstützt:

1065 verschiedene Leute haben uns mit Beträgen zwischen 90 Cent und 500 Euro unterstützt. Insgesamt kamen so (nach Abzug der Gebühren für die Paypal-Überweisungen) 17.345,36 Euro zusammen.

Über 1000 Menschen, über 17000 Euro, das sind keine „lousy pennies“. Danke!