Ejaculatio praecox: Wenn Medienprofis erst teilen und dann denken

«Bild»-Herausgeber Kai Diekmann hat heute morgen, um 8:44 Uhr, auf Facebook ein Interview mit Jan Böhmermann auf Facebook veröffentlicht. Bereits um 10:32 Uhr folgte ein Eintrag, der klar machte, dass das Interview erfunden war – natürlich war es auch nicht in «Bild» erschienen. Wer sich die Fotomontage genau anschaute, konnte von Anfang an der Echtheit des Gesprächs zweifeln. Trotzdem wurde das Interview sofort von Medienprofis geteilt, fast allesamt Journalisten im Hauptberuf. Hier eine eher zufällig getroffene Auswahl:

Facebook-Posts von Journalisten, die das Fake-Interview von Kai Diekmann geteilt haben.

Was wollten sie ihren Facebook-Anhängern auf die Schnelle mitteilen? Lernt man heute nicht schon in der Schule, dass man genau prüfen sollte, was man teilt, um nicht betrogen zu werden? Und sollten nicht gerade Journalisten etwas genauer hinsehen, bevor sie offensichtlichen Quatsch als echt verkaufen? (Immerhin machten einige von ihnen Nachträge in ihren Posts.)

Noch viel mehr gilt das für die Veröffentlichungen in den Medien:

Wenn alles nur noch Aufmerksamkeit ist und nichts mehr Wahrheit, dann hat es mit Journalismus nichts mehr zu tun. Journalisten sollten sich fragen, was sie da eigentlich tun.

12 Gedanken zu „Ejaculatio praecox: Wenn Medienprofis erst teilen und dann denken“

  1. Salute Ronnie,

    ich habe das Interview auch geteilt ( https://www.facebook.com/johanneseber/posts/10154214238185992 ) und ehrlich gesagt mir fällt auch im Nachhinein kein Grund ein, warum ich das nicht hätte tun sollen. Kai Diekmann ist ein bekannter Medienmensch, so dass es sehr passend scheint, wenn er ein Interview mit Jan Böhmermann führt. Hätte man sich erst die Bildzeitung kaufen sollen? Oder bei Diekmann anrufen sollen? Ich finde, es ist schlicht nicht zu erwarten, dass Diekmann so etwas tut. Und: Ich habe das ganze Interview gelesen: Fragen wie Antworten waren für beide Personen passend. Ich denke also: Wenn Kai Diekmann meint, die Existenz eines Interviews faken zu müssen, dann ist das bitteschön in allererster Linie sein Problem und zwar mindestens in dem Sinne, dass man in Zukunft mit großer Vorsicht seinen Inhalten nähern wird.

    By the way: Wenn du das hier schon mal liest, hast du mir einen professionellen Tipp mit dem Umgang meines Posts https://www.facebook.com/johanneseber/posts/10154214238185992 ? Denn Löschen ist doof, oder? Und im Kommentar auf den Fake aufmerksam machen, wird leicht überlesen.

    Grüße
    Johannes

    1. Ich erwarte von Journalisten, dass sie sich auch im Internet nicht doof verhalten, sondern die Dinge einschätzen und gegebenenfalls Dinge prüfen, bevor sie sie teilen. Natürlich will Kai Diekmann, dass sein Beitrag geteilt wird – er ist auf Leute wie Dich angewiesen.

      Deinen Facebook-Post würde ich nachträglich bearbeiten bzw. mit einem Nachtrag versehen, so dass für den Leser klar wird, was Fake ist und was echt.

    2. Bild kaufen wäre gar nicht notwendig gewesen. Blick auf Bild.de hätte gereicht. Wäre es echt gewesen, wäre es SICHER in irgendeiner Form dort präsentiert worden, auch eine Vorab wäre denkbar gewesen…

  2. Alles Trolls.

    Das ist die Intrumentalisierung einzelner, populärer Themen um eine eigene Agenda zu befeuern.
    Die haben das Spiel verstanden.

    Moral? Anstand? Berufsethos?
    Fuck off!
    Reichweite! Agenda!

    Ob es nun Anne Helms Brüste, Merkels „Wir schaffen das“ oder nun Böhmermanns Schmähgedicht mit dem Titel „Schmähkritik“ (ernsthaft, keiner kann mir weis machen, dass er diese superschwellige und mega-subtile Satire nicht versteht) ist:
    Der Springerverlag will den Journalismus weiter „liberalisieren“ und nutzt dazu Aufregerthemen um vermeintlich „Haltung“ zu zeigen.
    Dabei sind das gar keine Haltungen, sondern blanker Opportunismus.

    Entlarven tun die sich selbst duch Zurückhaltung bei „komplizierten“ Themen, wie TTIP, etc.
    Denn der Schuss könnte ja nach hinten los gehen.

    Mit der Aktion hier versucht nun auch die Bild, die Grenzen des Erlaubten auszuloten.

    Und egal, wie nun im Fall Böhmermann entschieden wird:
    Die Bild ist entweder Opfer der Politik oder bekommt Recht von oberster Stelle.
    Die können nur gewinnen, indem sie sich an Böhmermann ketten und den Verteidiger der Pressefreiheit spielen.

    Trolls, Trolls everywhere.

  3. Dass Böhmermann dem Diekmann ein Interview gibt, ist per se schon sehr unwahrscheinlich.
    Den Beiträgen von Diekmann und Bild ist nicht erst seit diesem Fake mit Vorsicht zu begegnen. Zu Faken, Verzerren und Manipulieren ist eher deren Geschäftsmodell.

  4. Fast genau so schlimm wie das Weiterleiten von solchen Meldungen finde ich die Rechtfertigungsarien im Nachhinein. Kaum einer schafft es Rückgrat zu zeigen und seinen Fehler zuzugeben. Schuld sind immer die anderen. Man, was ist der Diekmann gemein. Wenigstens für uns Journalisten hätte er doch in Geheimschrift groß „Fake“ darüber schreiben können. Und so wird weiter gewurschtelt.

    Werden denn irgendwelche Meldungen vorher überprüft? Wohl kaum. Solange es ins eigene Weltbild passt. Eigene Konsequenzen? Aber geh bitte. Von anderen Berufsgruppen hingegen wird Ehrlichkeit und Verantwortung verlangt. Ansonsten werden sie in der Luft zerfetzt. Wieder eine verpasste Gelegenheit.

  5. Das Phänomen ist folgendes…
    Wenn ich durch Zufall auf meinem amerikanischen Lieblingskinoblog sehe das ein neuer Marvel Trailer raus ist und ich poste den dann ruckizucki weiter und lande den meinetwegen vor nem großen Nerdblog und Marvel selber, dann freue ich mich insgeheim richtig ein bisschen. So dieses Freuen das jeder kennt, als wenn man einen geknüllten Zettel vom Sofa in den Papierkorb am Schreibtisch trifft, oder eine Zigarette mit einem Versuch sich in den Mund wirft. Man denkt sich so, Yes! Nice! fettes Ding, und kümmert sich danach wieder um irgendetwas wichtiges.
    Ich glaube so geht es in der SocialMediaWelt vielen Journalisten, nur eben mit wichtigen Dingen und nicht Captain America 3.

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