Ok, der Titel braucht vielleicht eine Erklärung.
Am Anfang steht ein Satz von Charles Moore, zitiert von Constantin Seibt, mehr hier: „Ich fange an zu denken, dass die Linke vielleicht doch Recht hat.“ Das nahm auch Frank Schirrmacher auf („Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat“), gekontert von Clemens Wergin („Hatte die Linke doch Recht?“). Und dann schrieb Michalis Pantelouris am Sonntag: „Ich beginne zu glauben, dass die Rechte tatsächlich langsam lernt, dass die Linke recht hatte.“
Also wie jetzt, wir stehen am Rande einer Krise und diskutieren darüber, dass nun auch die Rechten einsehen, dass in Wahrheit die Linke recht hat?
Keine Frage, der Kapitalismus hat seine Schattenseiten, das kann und soll immer wieder beleuchtet und diskutiert werden. Tatsächlich wird das in den Medien Tag für Tag gemacht. Welchen öffentlich-rechtlichen Sender man auch einschaltet, irgendwo beutet immer ein bösartiger Unternehmer seine Mitarbeiter aus – wenn nicht im „Tatort“, dann in einem der Polit- und Gesellschaftsmagazine. Offenbar kann sowas auch ein komplett durchregulierter Staat wie Deutschland, der solche Missstände mit einer Unzahl von Gesetzen zu unterbinden versucht, nicht verhindern. Mein Mitgefühl gilt allen, die dazu gezwungen sind, unter unwürdigen Bedingungen zu arbeiten.
Für mich gibt es in der Politik eigentlich nur zwei grundsätzliche Richtungen: Entweder will jemand mehr Staat oder weniger Staat. Alles andere sind politische Verteilkämpfe: mehr Armee auf Kosten des Sozialstaats, mehr Bildungsausgaben auf Kosten von Landwirtschaftssubventionen, mehr Umweltschutz auf Kosten von Sicherheit. Oder auch umgekehrt und kreuzweise.
Nun ist es allerdings so, dass die Linken meistens mehr Staat wollen. Sie glauben daran, dass mehr Bildungsausgaben bessere Schüler ergeben, dass mehr Wirtschaftssubventionen eine schlagkräftigere Wirtschaft schaffen, dass mehr Subventionen für Wind- und Solarkraft eine nachhaltigere Umwelt erzeugen. Es mag sein, dass ich hier falsch liege: dann möchte ich aber gerne wissen, wo sich linke Parteien zuletzt erfolgreich für weniger Staat eingesetzt haben, wo sie konkret Staat abgeschafft haben.
Wie auf dieser Grafik zu sehen ist, steigen die Schulden in Deutschland seit den 1960er-Jahren kontinuierlich an. So richtig massiv in die Höhe geschnellt sind sie aber erst in den 1990er-Jahren. Keineswegs sind nur Linke für die Schulden verantwortlich, der Druck, mehr staatliche Leistungen zu schaffen, geht aber seit je her vor allem von der linken Seite aus. Und auch wenn einige Linke in den Regierungen mit Vernunft gehaushaltet haben – ich kann mich nicht erinnern, dass Fiskaldisziplin jemals eine linke Tugend war.
Der Glaube, dass ein „starker Staat“ jedes Problem löst, ist bei den Linken weit verbreitet. Und Sparen ist offenbar des Teufels. Wenn es um Einsparungen geht, also um die Rückgängigmachung finanzieller Exzesse, so liest man von linker Seite nur von Sparzwang, Sparwahn, Sparwahnsinn, Kaputtsparen, Totsparen oder gar von einer Spar-Pandemie, um mal ein paar Stellen der „Nachdenkseiten“ zu zitieren.
Wie auch immer, das Schuldenproblem braucht eine Lösung. Also, meine Fragen an die Linken:
– Wie setzt Ihr Eure seit Jahrzehnten verbreiteten Ideen vom ausgebauten Sozialstaat um, ohne in den nächsten Jahren neue Schulden zu machen?
– Wie bezahlt ihr die Schuldenlast zurück, die Deutschland im Jahr 2011 mit 12.2% der Bundesausgaben belastet?
(übrigens: Arbeit/Soziales + Allgemeine Finanzverwaltung + Bundesschuld = 58.7% der Ausgaben)
Es gibt nur eine Bedingung bei der Antwort: Es dürfen keine neuen Schulden aufgenommen werden, da dieses Vorgehen in die Nähe des Bankrotts (siehe Griechenland) oder zu einer Abstufung der Kreditwürdigkeit (siehe USA) führt. Bitte, ich höre!
Bild: Flickr/stuartpilbrow, CC BY-SA-Lizenz
Nachtrag, 5. September 2011: Charles Moore äussert sich in einem Interview zu seiner Kolumne und zum Satz „I’m starting to think that the Left might actually be right“.
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