Auf dem offiziellen YouTube-Kanal der Europäischen Kommission gibt es ein Video mit dem Titel «Low inflation with a limbo-dancing euro!» zu sehen. Im 2010 veröffentlichten Werk tanzt eine 1-Euro-Münze den karibischen Tanz Limbo. Das Video ist sehenswert (wenn auch mehr in dem Sinne, wie man von einem schlimmen Unfall oder von einem peinlichen Missgeschick fasziniert ist).
Mit den Worten «How low can you go?» tänzelt sich ein Geldmünzen-Strichmännchen unter eine immer tiefer gehende imaginäre Inflationslinie. Abgesehen von der diskussionswürdigen Qualität des Videos und der Sinnlosigkeit, dafür Steuergelder zu verwenden, hat sich die Frage 12 Jahre danach umgedreht: «How high can you go?», heisst es nun, denn die Inflationsrate im Euroraum ist auf 7,5 Prozent pro Jahr geschnellt. Eurolohnempfänger, die in diesem Jahr nicht wenigstens eine Lohnerhöhung von 7,5 Prozent erhalten, akzeptieren aufgrund der Einbussen ihrer Kaufkraft de facto eine Lohnsenkung. «The Euro keeps inflation low», behauptet das Video. Nun wurde es von der Realität eingeholt und widerlegt.
Wie aber soll man die steigende Inflation denn nun bekämpfen? Gar nicht, findet bisher offenbar die Europäische Zentralbank (EZB) und hält den Leitzins bei 0,0 Prozent. Erst im dritten Quartal 2022 sei der Zeitpunkt, «sich die Zinsen und eine Erhöhung dieser Zinsen anzuschauen». Eine Zinserhöhung sei tatsächlich nicht notwendig, schreibt auch Yves Wegelin in der linken Wochenzeitung. Mittels «fairen Alternativen» dazu wie Steuererhöhungen für Reiche, einem Preisdeckel für Gas, schärferen Kartellkontrollen, um die Gewinnmargen der Konzerne zu senken, oder Massnahmen, um den Konsum fossiler Energie oder die Verschwendung von Nahrungsmitteln zu reduzieren, könnte die Inflation in den Griff gekriegt werden. Immerhin gibt Journalist Wegelin «Ökonom:innen wie Hans-Werner Sinn» recht, die über ein Jahrzehnt lang vor der grossen Inflation gewarnt und auf eine Abkehr vom billigen Geld gedrängt haben (Studio Libero #36 mit Hans-Werner Sinn).
Es ist tollkühn, dass sich die EZB-Führung bisher verweigert, die anziehende Inflation mit Erhöhungen des Leitzinses zu bekämpfen. Weil China aufgrund der verrückten Zero-Covid-Politik des Parteiregimes aktuell kaum noch Waren ausliefert, werden in den kommenden Wochen und Monaten noch mehr Lieferungen später oder gar nie eintreffen. Also werden die Waren knapp und die Preise weiter steigen. Wer diesen Sommer Limbo tanzen will, sollte einen möglichen Unterbruch von Lieferketten antizipieren und sich schon mal karibischen Rum sichern. Sonst wird er seinen Sommerdrink mit Walliser Williams oder Zuger Kirsch mixen müssen.
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