Phoenix, fass!

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Je länger ich hier in Berlin die öffentlichen Verkehrsmittel benutze, desto überzeugter bin ich, dass Zeitungen, speziell Gratiszeitungen, nichts Erstrebenswertes sind. Hier lesen die Menschen Bücher oder sie gucken etwas vor sich hin. Manchmal entwickelt sich ein Gespräch. Wenn man um 17 Uhr in Zürich ein volles Abteil mit je einem Heute sieht, so sieht man in Berlin um diese Zeit ein volles Abteil mit je einem Buch. Nicht dass in Büchern immer schlaue Texte stehen, aber Gratiszeitungen, so erfolgreich sie sind, vermüllen den Alltag. Anders die Informationen im Internet, von denen man nicht zwangsweise belästigt wird.

Der Mann um die Vierzig mit dem Karl-May-Buch in der Hand. Am Strassenrand stehend.

Die Frau, die in der S-Bahn mit geschlossenen Augen vor sich hin lächelt, den Rucksack mit dem Diddl dran wie einen Schatz umklammert.

Die andere Frau, die schläft, aber genau bei „Tempelhof“ die Augen aufklappt und aussteigt.

Eine Thüringer Extra Lang. 2 Euro.

„Was, ein Blogger? Blogger akzeptieren wir grundsätzlich keine.“

Die Frau um die Fünfzig im Bus, die Klingeltöne ausprobiert und während Sekunden wie ein DJ der noch verschlafenen Menge einen geilen Bass gibt.

Die Journalistin im Medienbüro, die am Handy plaudert: „Ich hatte drei oder vier Gläser Rotwein. Ich war ja sooo besoffen.“ Etwas später: „Ich hab so viel Restalkohol in der Rübe…“

Der Schnauzbärtige an der IFA mit der Laufschrift auf dem T-Shirt.

Der Mann in der U-Bahn, der sich an die Kante einer Sitzgelegenheit setzt und dann hinter sich blickend auf eine unglaublich sanfte Weise zweimal über den an sich sauberen Sitz wischt. Und sich dann richtig hinsetzt.

Der junge Türke in Neukölln, der laut „Phoenix, fass!“ ruft, als ich an ihm vorbeijogge.

Der Junge, um die 8 oder 9, der mit seinem Vater vom Hertha-Spiel kommt. Aus ihm sprudelt es nur so: „Papa, ich bin ja so glücklich, dass Hertha heute gewonnen hat. (…) Und Wolfsburg hat verloren, verloren, verloooren (…). Ich hab ja nichts gegen Schiris, aber der heute, der war ja sooo schlecht (…). Weisst du, Papa, ich fahr so gern mit dir ins Stadion.“. Dann küsst er seine Hände und sagt: „Papa, ich lieeebe dich einfach.“

Die goldenen High-Heels.

Eine plötzliche Erinnerung an diese Abenteuersendung auf einem französischen TV-Kanal (TF1?): Ushaia. (Gegoogelt: Es ist TF1 und schreibt sich ushuaia – nur echt mit zwei Punkten auf dem i, die ich jetzt aber nicht suchen mag)

Wie mir der türkische Italiener die riesige und fantastisch schmeckende Lasange über die Theke reicht. Als würde man einen Vulkan entgegen nehmen. Vier Euro Fuffzig.

Die Tintenflecken auf dem hellen Lederrucksack der Frau um die Fünfzig. Ich tippe mal auf Lehrerin.

Vor dem Ifa-Ausgang ein engagierter Schlagzeugspieler, alleine. Vor ihm die grosse, offene Box des grössten Beckens mit ein paar Münzen drin.

Die automatische Ansage klappt nicht in der S-Bahn, es wird immer die übernächste Station ausgerufen. Nachdem dreimal „Nächste Station Bundesplatz“ gemeldet wird, knackt es plötzlich in der Leitung. Der Fahrer spricht: „Die nächste Station heisst Heidelberger Platz, nicht Bundesplatz. Der Automat hier ist etwas durcheinander“.

Der Blumenladen „Ewiger Frühling“ an der Sonnenallee.

3 Gedanken zu „Phoenix, fass!“

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