Glanz geht vor Verantwortung: Karl-Theodor und Stephanie zu Guttenberg waren bislang die Lieblinge vieler Politikjournalisten in Deutschland.
Die letzten Monaten und Jahre schrieben deutsche Politikjournalisten das Ehepaar Karl-Theodor und Stephanie zu Guttenberg zum neuen Kanzler und zur neuen First Lady empor. Überraschend ist das nicht, da Journalisten eine Vorliebe haben für elitäre Kreise, die sich vom Fussvolk abheben. Tatsächlich hat Guttenberg auch im Volk gute Beliebtheitswerte – was wiederum mit den Journalisten zu tun hat, die ihn so positiv darstellen (vom Gegenteil kann Guido Westerwelle ein Lied singen).
Es lohnt sich, nochmals die „Spiegel“-Titelgeschichte vom 18. Oktober 2010 (Ausgabe 42) zu lesen, in der Guttenberg vom „Spiegel“ als „Der Bürgerkönig“ verkauft wird.
Als ich das Cover das erste Mal erblickte, dachte ich an eine witzige, distanzierte Titelgeschichte. Stattdessen las ich ein gänzlich unironisches Stück, das die Guttenbergs als neues Kanzlerpaar zu inthronisieren versuchte.
Ich picke hier mal einige Passagen heraus (in chronologischer Reihenfolge):
Nach der Diskussion stellte sich Guttenberg an die Theke, gleich neben dem Eingang. Die Massen schoben sich schmachtend an ihm vorbei, ihr Blick zeugte von tiefer Achtung. Die wenigsten trauten sich, ihn anzusprechen, viele nickten anerkennend, worauf Guttenberg sein Bierglas hob. Die Szene hatte etwas von der Huldigung für einen König. (…)
Auf seinem Rundweg durch das Dorf ist Bürgermeister Hain am Schlagbaum vor dem Schloss angelangt. Ein Warnschild verkündet „Einfahrt verboten“. Dies ist die Grenze zwischen bürgerlicher und adliger Welt. (…)
Kein anderer Spitzenpolitiker hat eine Herkunft wie diese. Die meisten kommen aus kleinen oder gutbürgerlichen Verhältnissen. Es wirkt wie ein Witz, dass ausgerechnet der Mann, der hinter einem Schlagbaum aufgewachsen ist, die Hoffnung der Bürger sein soll. Aber es ist so. Was hat er politisch gemacht aus seinem Leben im Schloss?
Guttenbergs Aufstieg zur politischen Lichtgestalt begann mit dem Fall Opel. (…)
Guttenberg wurde vom Faszinosum zum Star. (…)
Zwar gab es unter den Bürgern keine Bewegung, die Wehrpflicht abzuschaffen. Aber es gibt die Verehrung für Guttenberg, die hohe Zustimmung in den Meinungsumfragen. Da alle immer auf die Umfragen starren, ist er damit fast unangreifbar. (…)
Guttenberg hat eine gekonnte Art, sich an seine Gegenüber anzuschmiegen, er ist ein Menschenfischer, einer, der bald gemocht wird, weil er anderen das Gefühl geben kann, dass er sie mag, sich für sie interessiert. (…)
Er ist sich seiner so gewiss, dass er unbefangen, ohne jede Verklemmung auf andere zugehen kann. Und die, sind sie simpler gestrickt, fühlen sich geschmeichelt, dass der hohe Herr ihnen ein Ohr schenkt. (…)
Sein Lieblingsspiel ist das mit den Kameras. Theatralik kennt er von seinem Vater, die musste er nicht eigens lernen. Das ist ein weiterer Vorteil. Da sich in der Medienwelt simple Botschaften besonders gut durchsetzen, haben Bilder eine ungeheure Kraft. Und Guttenberg ist ein Mann für Bilder, noch mehr als Gerhard Schröder. (…)
Auch bei Staub und 40 Grad im Schatten tritt er so makellos auf wie im Berliner Kabinettssaal. (…)
Er ist seinen Weg weitgehend allein gegangen, er gehört zu keiner Seilschaft, keinem Flügel. Gegner hat er dafür reichlich, vor allem den bayerischen Gesundheitsminister Markus Söder und den Kanzleramtsminister Ronald Pofalla. Sie sind selbst ehrgeizig und halten Guttenberg für einen überschätzten Schnösel. (…)
Was gibt es Edleres als den Kampf gegen Kindesmissbrauch? Stephanie zu Guttenberg weiß den öffentlichen Eindruck der Makellosigkeit derer zu Guttenberg noch zu steigern.
Ein weiterer Höhepunkt der Guttenberg-Verübermenschlichung sicher dieser Kommentar in der „Bild am Sonntag“ vom 23. Januar 2011, der Karl-Theodor zu Guttenberg mit einem Einhorn verglich:
Warum jubeln Journalisten, die Politiker eigentlich kritisch begleiten sollten, einem Guttenberg zu? Waurm stellen sie ihn dar, als wäre er ein Kronprinz?
Handfeste kommerzielle Interessen:
Politiker, die sich glamourös geben, sich gut inszenieren lassen, vielleicht sogar aktiv mitwirken an einem erarbeiteten Drehbuch, erleichtern die Arbeit bei der Lancierung und beim Weiterdreh einer Story oder Kampagne. An dieser Stelle lohnt es sich, darüber nachzudenken, warum der im Volk ebenfalls sehr beliebte Kurt Beck (SPD) nicht mehr in der ersten Reihe der Spitzenpolitiker ist.
Wer als attraktives Paar daherkommt und „mitarbeitet“, hat die besten Chancen auf eine Fahrt mit dem Fahrstuhl in die allerobersten Etagen. Von einem „Glamourpaar“ an der Spitze, wie es derzeit in den USA und in Frankreich der Fall ist, versprechen sich nicht wenige in der Medienbranche bessere Verkäufe. Die Zurückhaltung des Ehepaars Angela Merkel und Joachim Sauer kommt diesen Träumen nicht entgegen.
Elitismus:
Guttenberg gleicht den eitlen deutschen Politikjournalisten fast auf’s Haar, sie erkennen sich in ihm wieder (bei Kai Diekmann ist es augenscheinlich, doch es sind auch andere gemeint).
Guttenberg von allem einen Tick mehr als die Politikjournalisten: eine bessere Herkunft, ein Schloss statt ein Haus, mehr und schönere Autos, eine bessere Ausbildung, einen wichtigeren Job. Gemeinsam spulen sie unermüdlich Anlass um Anlass ab, um ganz nach oben zu kommen. Sie sind dabei im weltweiten Jet-Set und sehen natürlich immer gut aus. Gemeinsam haben sie Deutschland (und die Welt!) im Griff – glauben sie.
Die Gestaltung der Wirklichkeit:
Längst haben Politikjournalisten herausgefunden, dass sie viel mehr Macht haben als ihnen von der Allgemeinheit zugesprochen wird. Kurzfristige Ziele, zum Beispiel ein Rücktritt, werden zwar nur noch selten erreicht. Langfrisitig aber zeigen die Meinungskampagnen Wirkung.
Für demokratisch gesinnte Personen sind diese Jubelarien allerdings eine Katastrophe. Ein echt demokratischer Staat braucht keine Führungsfiguren, die ihr Privatleben in den Medien ausbreiten. Sondern kluge, vernünftige Köpfe, die verantwortungsvoll und nachhaltig handeln.
Fazit:
Von und zu Guttenberg könnte in jeder Partei sitzen, denn bei ihm geht es um Macht, Glanz und Ruhm, nicht um Inhalte. Es ist kein Zufall, dass ein Gerhard Schröder (SPD) Sozialabbau durchgesetzt hat und ein Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) massgeblich für eine kleinere Armee und für eine Aussetzung der Wehrpflicht ab Mitte 2011 verantwortlich ist.
Die Elitenwirtschaft in Deutschland wird weitergehen, solange das Volk nicht wirkungsvoll mitentscheiden kann. Ich verweise an dieser Stelle auf das Blog „Direkte Demokratie“, das ich zusammen mit Martin Steiger führe.
Dieses „Stern“-Cover aus dem Sommer 2009 fasst eigentlich alles, was hier steht, nochmals zusammen:
Schreibe einen Kommentar