Der Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) feiert das von der Polizei ausgesprochene Verbot einer Anti-Islamisierungskundgebung als „ein Sieg der demokratischen Kräfte“. Ist das so?
Menschen beteiligen sich am Samstag, 20. Sept. 2008, in Koeln an der Protestkundgebung „Wir stellen uns quer“. Bild: Keystone, Hermann J. Knippertz
Nur mal kurz zur Rekapitulation:
Der deutsche Gewerkschaftsbund DGB, eine Dachorganisation von Einzelgewerkschaften, ruft zu einer Kundgebung und Demonstration gegen eine Gruppe auf, die sich treffen will, um ihre Bedenken zu einer angeblichen Islamisierung Deutschlands zu diskutieren. Als Grund dafür gibt Wolfgang Uellenberg – van Dawen, der DGB Regionsvorsitzende von Köln – Leverkusen – Erft und Berg (das ist kein Scherz, nur ein langer Name und Titel) folgendes an:
„Die demokratischen Kräfte, die Kölner Zivilgesellschaft wollen den Rassistenkongress nicht hinnehmen. Sie wissen: Es geht den Initiatoren von Pro Köln nicht um die Moschee, nicht um den Islam, sondern nur darum, Ängste zu schüren, Konflikte auszunutzen und unsere Stadt für ein schäbiges Wahlkampfmanöver für die Kommunalwahlen und die Europawahlen zu missbrauchen. Denen werden wir einen Strich durch die Rechnung machen und auch nach dem 20. September uns dafür engagieren, dass Rassisten im politischen Leben unseres Landes keinen Platz haben“
Die Kundgebung des DGB und anderer findet wie angekündigt statt, die der Bedenkenträger einer angeblichen Islamisierung Deutschlands nicht, denn die Polizei hat sie verboten, da die Veranstaltung die Sicherheit der Bürger gefährde.
An dieser Veranstaltung spricht Fritz Schramma, der Oberbürgermeister von Köln, Mitglied der CDU, eine bislang als rechtskonservativ bekannte Partei. Er zeigt sich gemäss Spiegel Online erleichtert über das Verbot:
„Es ist ein Sieg der Stadt Köln, ein Sieg der demokratischen Kräfte dieser Stadt.“
Weiter rief er:
„Dieser verfaulten Clique des Eurofaschismus, diesen Haiders und Le Pens, und wie sie alle heißen, rufe ich zu: Da ist der Ausgang, da geht’s nach Hause!“
Fragen dazu:
1. Gewerkschaften, wir erinnern uns, setzen sich für bessere Arbeitsbedingungen von Arbeitern ein. Warum ruft ein Gewerkschaftsbund zu einer Demonstration auf, die offensichtlich nichts mit ihrem „Kerngeschäft“ zu tun hat? Was sagen Gewerkschaftsmitglieder zu dieser Verwendung ihrer Mitgliederbeiträge?
2. Wie kommt es, dass Vertreter von rechtskonservativen Parteien Gruppen, die klassische rechtskonservative Themen diskutieren wollen, eine „verfaulte Clique des Eurofaschismus“ nennen?
3. Ist es tatsächlich „ein Sieg der demokratischen Kräfte“, wenn sich offensichtlich nicht gewaltbereite Gruppen nicht öffentlich treffen können? Artikel 8 des Grundgesetzes sagt: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“ Und: „Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.“
Update am 20.09.2008, 16 Uhr: Jochen Hoff glaubt aufgrund von diesem Beitrag, ich würde „völlig austicken“, denn ich mache damit „Reklame für die Nazis von Pro Köln“:
Genau das ist der Grund, warum ich nur sehr selten und auch ungern über diese Themenfelder schreibe. Denn fast jedesmal wird man ohne Angabe von Gründen zu einem Sympathisanten von Rassisten gemacht.
Nachtrag am 23.09.2008, 16 Uhr: Falls aufgrund der Diskussion der Eindruck aufgekommen ist, ich würde extreme Fragen stellen – Bettina Klein vom Deutschlandfunk stellt in einem Interview mit Wolfgang Thierse ähnliche Fragen wie ich sie gestellt habe. Zum Beispiel:
– Wenn es einer erkläglichen Anzahl von Bürgern gelingt, eine genehmigte Demonstration zu verhindern, ist das nur ein Grund zum Feiern?
– Ich frage jetzt mal provokativ. Man stelle sich die umgekehrte Variante vor: Eine Bewegung zur Unterstützung einer multikulturellen Gesellschaft wird von einer Mehrheit der Bürger, die eine andere Meinung vertreten, am Demonstrieren gehindert. Das würde vermutlich gar nicht gut ankommen, wäre aber juristisch gesehen das gleiche, oder?
– Wenn viele Fragen im Zusammenhang mit Einwanderung und Integration zu besprechen sind, die über Jahre vielleicht nicht offen genug thematisiert wurden, in dieser Beziehung sind wir mit den Grabenkämpfen und den Gut-Böse-Konstellationen am Wochenende allerdings nicht viel weiter gekommen oder doch?
Ich fürchte, wir sind tatsächlich nicht viel weiter gekommen „mit den Grabenkämpfen und den Gut-Böse-Konstellationen“.
Nachtrag am 24.10.2008, 9 Uhr: Ein Hinweis auch auf den Text „Politischer Kampf als Wellnessprogramm„, geschrieben vom CvD bei Fokus, Michael Klonovsky. Im Lead heisst es da: „Ein Gutteil des vermeintlichen Kampfes gegen ‚rechts‘ ist nichts weiter als ein seelisches Wellnessprogramm für seine Betreiber. Gegen ‚rechts‘ zu kämpfen, schafft definitiv ein gutes Gefühl. Schließlich weiß man ja heutzutage nicht mehr so genau, wofür und wogegen man zu sein hat, die Globalisierung ist zu anonym, George Bush oder Sarah Palin sind zu weit weg, die Klimakatastrophe ist unzuverlässig, Hitler letztlich nun doch irgendwie tot, und die Mülltrennung allein bringt das emotionale Gleichgewicht auch nicht ins Lot – also engagiert man sich gegen ‚rechts‘.“
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