Der Schweizer Vizekanzler Oswald Sigg findet die direkte Demokratie super. Aber offenbar nur, wenn sie auf den ihm vertrauten Wegen verläuft.
Ich frage mich immer noch, warum die NZZ am Sonntag vom 21.12.2008 zum Artikel „Die Demokratie geht Online“ diesen Untertitel gewählt hat:
Internet begünstigt spontane Volksbegehren – Gefahr für die direkte Demokratie?
Ist das nicht völlig unlogisch? Müsste es nicht heissen:
Internet begünstigt spontane Volksbegehren – Chance für die direkte Demokratie?
Bild: Flickr Creative Commons hublera
Im Artikel zu Wort kommt als kritische Stimme der derzeit in den etablierten Medien omnipräsente Vizebundeskanzler Oswald Sigg (SP), der feststellt, „dass man heute praktisch unter Umgehung einer öffentlichen Diskussion ein Referendum einreichen kann“. Er sagt auch, es sei problematisch, dass Referenden „in völliger politischer Anonymität“ ergriffen werden könnten.
Im Bundesgesetz über die politischen Rechte heisst es in Artikel 61:
1 Der Stimmberechtigte muss seinen Namen handschriftlich und leserlich auf die Unterschriftenliste schreiben sowie zusätzlich seine eigenhändige Unterschrift beifügen.
1bis Schreibunfähige Stimmberechtigte können die Eintragung ihres Namenszuges durch einen Stimmberechtigten ihrer Wahl vornehmen lassen. Dieser setzt seine eigene Unterschrift zum Namenszug der schreibunfähigen Person und bewahrt über den Inhalt der empfangenen Anweisungen Stillschweigen.
2 Der Stimmberechtigte muss alle weiteren Angaben machen, die zur Feststellung seiner Identität nötig sind, wie Vornamen, Geburtsdatum und Adresse.
3 Er darf das gleiche Referendumsbegehren nur einmal unterschreiben.
Es ist also jeder und jede, der für das Referendum steht, überprüfbar. Was ist daran anonym?
Und was ist eine öffentliche Diskussion? Etwa nur das, worüber die Medien schreiben? Skroll.ch ist anderer Meinung:
Ich würde eher sagen: Trotz Totschweigen in den traditionellen Medien kann man heute ein Referendum zustande bringen. Wenn eine laufende Unterschriftensammlung in Bern keine Beachtung findet, liegt das Problem dort und nicht im neuen Medium Internet.
Wer den Eindruck gewonnen hat, in der Schweiz könne tatächlich mit ein paar Klicks ein Referendum unterstützt werden, wird enttäuscht. Die Unterschriftenliste kann lediglich online zur Verfügung gestellt und dann ausgedruckt werden.
Ich bin dafür, dass Volksrechte in einer sehr einfachen Form wahrgenommen werden können. Ich begrüsse es, wenn ich meinen Beitrag zur Staatsführung im Internet vornehmen kann. Und ich wünschte mir, dass mir die Bundeskanzlei diese Möglichkeiten weder vergraulen noch vorenthalten möchte, sondern dass sie ihren grossen Apparat dafür einsetzt, mir diese Möglichkeiten auf einfache Weise zur Verfügung zu stellen. Dafür ist sie nämlich da. Verantwortlich ist Oswald Sigg, dem die „Sektion Elektronischer Behördenverkehr“ untersteht.
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