Ein «Komitee für rassistische Süssigkeiten» prangert die Firma Dubler in Waltenschwil an, Süssspeisen als «Mohrenköpfe» zu verkaufen:
«Warum besteht die Firma Dubler darauf, das einzige Produkt, das sie herstellt mit einem rassistischen Namen zu versehen? (…) Zusammengefasst lässt sich festhalten: Es gibt KEINEN Grund, ein Stück Patisserie mit einem rassistischen Namen zu bezeichnen. Deshalb rufen wir die Firma Dubler und alle Bäckereien, sowie alle Verkaufsstellen der Dubler-Produkte dazu auf, ihre süssen Stückchen umzubennen in etwas nicht-rassistisches.»
Gender-Forscherin Franziska Schutzbach (Uni Basel), die ich in meinem NZZ-Text zum Thema zitiert habe und die die Petition unterstützt, besteht darauf, das Komitee habe «kein Verbot» gefordert. Soweit ist das korrekt: Ein Verbot wird keines gefordert durch das Komitee. Es appelliert lediglich, den Namen des verkauften Produkts zu ändern.
Aber was ist das für ein «Appell»? Die Firma Dubler wird als Firma hingestellt, die rassistische Süssigkeiten, also rassistische Produkte produziert. Da sich Süssigkeiten nicht selbst produzieren und verkaufen und Schaum und Zucker selbst im Team nicht die geistig-moralische Höhe aufbringen, von sich aus rassistisch sein zu können, fällt der Vorwurf des Rassismus auf deren Hersteller zurück. Es wird nahegelegt, dass die Produzenten und Verkäufer dieser Süssigkeiten rassistische Absichten oder Gedanken hegen. Und was sind das für Menschen, die rassistische Süssigkeiten kaufen? Niederträchtige Monster?
Das Thema wurde inzwischen von 20min.ch in 8 (!) Beiträgen zum Thema in den verschiedensten Facetten aufgegriffen. Das geschieht nicht aufgrund der Relevanz des Themas, sondern aufgrund der hohen Resonanz des Publikums. Die Beiträge dazu wurden tausendfach kommentiert und auf Sozialen Medien geteilt. Eine Umfrage zum Thema (siehe Grafik) hat über 100’000 Antworten erzeugt. Das Resultat? Etwa 97 Prozent der Antwortenden finden es nicht problematisch, wenn der «Mohrenkopf» weiterhin «Mohrenkopf» genannt wird.
Dazu ist einerseits dies hier zu bemerken:
Die alte Diskussion: Können wir den Herabgewerteten auferlegen, was sie als herabwertend empfinden sollen und was nicht?
— Andreas Stricker (@AnStricker) 13. September 2017
Andererseits stellt sich die Frage, wie viele dunkelhäutige Menschen tatsächlich vom Begriff «Mohrenkopf» herabgewertet fühlen. In den Kommentaren auf 20min.ch und weiteren Berichten habe ich einige gegenteilige Aussagen von dunkelhäutigen Menschen gelesen, die den Begriff selbst verwenden, sich nicht davon angegriffen fühlen. Auch Adrian Spahr, Co-Präsident der Jungen SVP des Kantons Bern lässt sich – «in einer Medienmitteilung, die dem BLICK exklusiv vorliegt» – so zitieren: «Den Begriff Mohrenkopf als rassistisch zu bezeichnen, ist einfach nur lachhaft. Ich als Dunkelhäutiger fühle mich vom Namen dieser Süssigkeit in keinster Weise diskriminiert».
Ich bin kein Nostalgiker. Von mir aus kann der Begriff «Mohrenkopf» gerne aus dem Sprachgebrauch verschwinden. Vielleicht wird er das auch, in einigen Jahren oder Jahrzehnten. Nicht in Ordnung finde ich es aber, Menschen, die gewisse Begriffe aus Tradition, aus Unwissen, aus Unbedarftheit oder auch aus Trotz verwenden, direkt oder indirekt Rassismus zu unterstellen. So werden nicht nur Nicht-Rassisten in die Nähe des Rassismus gerückt. So wird auch der Begriff «Rassismus» entwertet. In meinem Text in der NZZ schrieb ich dazu:
Begriffe sterben dann, wenn sie niemand mehr gebraucht. Bedenklich hingegen ist, dass das Komitee «rassistisch» zu einem beliebigen Begriff abwertet und geradezu inflationär verwendet. Wenn gar Süssspeisen «rassistisch» sein können, dann ist jeder und jede, dann ist alles und nichts «rassistisch». Das ist kein Fortschritt im Kampf gegen den Rassismus, sondern ein Rückschritt.
Erstens ändert Sprachkosmetik nichts an den realen Verhältnissen. Und zweitens besteht das Problem der Sprachpolizei ganz grundsätzlich darin, dass ihr Kampf für eine angeblich politisch korrekte Sprache nie ein Ende finden wird. Es werden sich immer neue Begriffe finden, von denen sich jemand verletzt fühlt oder von denen jemand glaubt, jemand könnte sich davon verletzt fühlen. Der sprachliche Ausdruck bedarf des Verstands des Einzelnen, nicht des Verbots von Wörtern. Sonst erwartet uns eine genormte und gehemmte Sprache ohne individuelle Ausdrucksmöglichkeiten, in der sich nur noch das Juste-Milieu – selbstverständlich in grösster gegenseitiger Hochachtung – korrekt unterhalten kann.
Dass Franziska Schutzbach nun offenbar Hassmails und Morddrohungen erhält, ist so unnötig wie bedauernswert. Selbst wer sich zu Unrecht in eine rassistische Ecke gestellt fühlt, sollte seinen Unmut nicht so ausdrücken. Es muss möglich sein, auch unbequeme Meinungen öffentlich zu äussern, ohne gleich auf einer ganz persönlichen Ebene angegriffen zu werden. Die Freiheit der Meinungsäusserung gilt für alle.
Bild: von 4028mdk09 (Eigenes Werk) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons vom Wikimedia Commons
Schreibe einen Kommentar