Am 22. Dezember 2011 war das die Titelseite der Gratiszeitung „Blick am Abend“:
Ja, denkt man sich. Stimmt schon. Lieber Freunde statt Konsum.
Aber dann schaut man sich das Bild nochmals an. Lieber Freunde? Statt Konsum? Wie jetzt, die Weinflasche ist aus dem eigenen Weinberg? Die Mützen wurden nicht gekauft, sondern selbst gemacht? Und um das Wasser im Winter aufzuheizen, wurde Holz verbrannt, aus dem eigenen Wald? Und wo sind die Bikinis her und die Gläser?
Die „Studie 2012“, die auf den Seiten 2 und 3 dann unter dem vielsagenden Titel „Das Glück gibt es nicht bei Gucci“ ausgebreitet wird, stammt von Parship.ch – eine Partnersuchwebsite und gleichzeitig ein guter Zeitungswerbekunde. Die Studie ist repräsentativ, steht da, befragt wurden „1009 Personen im Alter zwischen 18 und 69 Jahren in der deutschen und französischen Schweiz“. Die Befragten gehen sehr optimistisch in die Zukunft, lediglich 8.7 Prozent sind „eher verunsichert“.
Anders sieht es aus, wenn man sich in der Wirtschaft umhört. Von 45 von der „Sonntagszeitung“ befragten Managern schätzten 88 Prozent die Konjunkturaussichten für die hiesige Volkswirtschaft negativ ein. Das eine hat mit dem anderen nur sehr bedingt etwas zu tun, aber die Diskrepanz ist beachtlich.
Wir haben uns alle so an unsere Luxusleben gewöhnt, dass wir uns nichts mehr anderes vorstellen können. Die Generationen, die noch Krieg und Hunger erlebt haben, sind am aussterben, fast alle anderen haben nur immer wachsenden Wohlstand erlebt. Und wenn mal gar nichts mehr klappte, dann half der Sozialstaat aus. Gerade meine Generation wuchs weitgehend anstrengungslos auf. First World Problems, wohin man blickt.
Die nächsten Jahre könnten dieser Zeit ein Ende bereiten. Die Bewahrung des Luxus für alle hat nämlich viel gekostet, viel mehr, als wir, die westliche Welt, uns hätten leisten können. 2011 hat gezeigt, dass tatsächlich irgendwann eine Obergrenze kommt, in der das immer noch mehr Schulden machen Konsequenzen hat: Höhere Zinsen, ein Ausfall der regulären Käufer von Staatsanleihen, ein Einbruch bei den Ratings. Gelernt daraus haben die Staaten bisher nicht viel. Sie machen weiter neue Schulden, und wenn es niemanden mehr gibt, der aushelfen könnte, dann kommt die Europäische Zentralbank mit ein paar Milliarden daher und springt ein – von den Folgen für die Zukunft, die so ein Vorgehen haben wird, will niemand etwas wissen. Die Sehnsucht nach einem Ende der Krise, die gar noch nicht richtig begonnen hat, ist zwar überall zu spüren, wohl aber bedeutungslos.
Was uns 2012 zeigen wird, wissen wir nicht. Gespart wird jetzt schon nicht wohlüberlegt, sondern punktuell und überhastet, das wird sich in Zukunft kaum ändern. Wie man es dreht und wendet: Sparen schmerzt, schmerzt sehr. In Spanien geht zum Beispiel das bisherige Wissenschaftsministerium auf in einem Ministerium für Wirtschaft und Wettbewerb. In Griechenland passiert viel, selbst wenn die Medien derzeit kaum darüber berichten, die angekündigten Neuwahlen wurden auf irgendwann im April verschoben. Auch wenn es niemand hören will: Sparen, also das Zurückfahren, das Streichen von direkten und indirekten staatlichen Leistungen, ist die einzige Lösung aus der Misere. Je länger wir abwarten mit den Reformen, desto schmerzlicher werden sie. Es ist wie beim Zahnschmerz – meistens geht er nicht einfach wieder weg.
So notwendig Sparen ist, so unpopulär ist es. Welcher Politiker wird sich schon auf einem Plakat mit dem Spruch „Für ein gesundes Budget streiche ich Zahlungen, von denen Du bisher profitiert hast“ sehen lassen? Gewählt, das haben die letzten Jahre gezeigt, werden eher jene, die mit grossen Versprechungen ankommen – ob sie sie halten wollen oder können, ist nicht immer klar. Die letzten Jahrzehnte verantwortungsvoll Schulden abgebaut haben nur die wenigsten Regierungen.
Ein Blick auf die anderen auf der Titelseite des „Blick am Abend“ angepriesenen Themen: Eine Teilnehmerin des Dschungelcamps, ein Film am Fernsehen, ein Kuss zweier Soldatinnen, „Kuh-Aktien“, das Wetter und eine Werbung für ein Skigebiet.
Nein, WIR machen uns keine Sorgen.
Siehe dazu auch: „Crash Coming“ (5. Juni 2011)
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