Die EMEK als staatsnahe Hüterin des Status quo

Die 2013 vom Bundesrat einberufene Eidgenössische Medienkommission EMEK hat bisher zwei Berichte veröffentlicht, einen zur Medienförderung und einen zum Service public. Im Auftrag der Stiftung für MeinungsFreiheit und MedienVielfalt habe ich mir erlaubt, auf diese mit einem kritischen Bericht zu antworten (hier zum Download).

Diese Broschüre, herausgegeben von der Stiftung für MeinungsFreiheit und MedienVielfalt, wurde anlässlich der Debatte «Weniger Staat, mehr Fernsehen – ein Jahr danach» am 21. April 2016 in Zürich veröffentlicht. Weitere Auskünfte zur Stiftung können unter meinungsfreiheit@medienvielfalt.ch eingeholt werden.

Wer den Text lieber in HTML liest, kann das hier tun:


Medien und Service public: Die EMEK als staatsnahe Hüterin des Status quo

Ein kritischer Bericht zu den Berichten der Eidgenössischen Medienkommission

Im Auftrag der Stiftung für MeinungsFreiheit und MedienVielfalt

Weshalb dieser Bericht?
Im Dezember 2015 veröffentlichte die vom Bundesrat eingesetzte Eidgenössische Medienkommission (EMEK) einen Diskussionsbeitrag zu den Service-public-Medien in der Schweiz. Zuvor, im August 2014, veröffentlichte sie das Papier «Medienförderung: Standortbestimmung und Empfehlungen für die Zukunft».

Nach der Veröffentlichung des Service-public-Berichts zeigten sich die Medienbeobachter in ihren Erwartungen fast einhellig ernüchtert. Obwohl viel Zeit und Geld investiert worden war, hatte die Kommission kaum mehr vorgeschlagen, als den Status quo beizubehalten, der sich, wie immer wieder betont wurde, «bewährt» habe. Innovationen, Ideen, konkrete Szenarien zur Zukunft suchte man vergeblich. «Die EMEK fordert die Debatte ein, stösst sie aber selbst nicht an», stellte etwa Medienjournalist Philipp Cueni fest. Aber die Frage lautet: War das von der EMEK zu erwarten?

Gemäss Geschäftsreglement wurde die Kommission aus folgenden Gründen ins Leben gerufen:

«Die Eidgenössische Medienkommission gestaltet die Zukunft des Medienplatzes Schweiz mit. Sie unterstützt den Bundesrat und die Verwaltung im Bestreben, die Existenz der Schweizer Medien auch in einem sich stark wandelnden Umfeld langfristig zu sichern und so die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu gewährleisten. Ihr Fokus richtet sich in erster Linie auf die Analyse und die Beantwortung von zukünftigen Herausforderungen des Medienplatzes Schweiz aus einer ganzheitlichen Sicht.»

Konnte die EMEK etwas dazu beitragen, die Frage zu beantworten, wie der Medienplatz Schweiz mit künftigen Herausforderungen umgehen soll? Nach zwei veröffentlichten Berichten und dreieinhalb Jahre nach Einberufung durch die Regierung ist es an der Zeit, die steuerfinanzierte Kommission einer kritischen Zwischenbilanz zu unterziehen. Weil sich die Deutungsmacht der Kommission in politischen Entscheiden niederschlagen kann, soll ihre Sichtweise nicht unwidersprochen bleiben.
Mit diesem Gegenbericht wird auch dem Wunsch der EMEK entsprochen, die zur Diskussion gestellten Papiere sollen ernsthaft wahrgenommen und geprüft werden. «Die Debatte darüber, welche Medienleistungen unsere Demokratie braucht, muss geführt werden», sagt der EMEK-Präsident richtig.

Wie ist der Bericht aufgebaut?
Nach der Auflistung der Forderungen der beiden publizierten EMEK-Berichte (1.2) beschäftigten sich mehrere Kapitel mit den Inhalten (1.3). Weiterhin wird die Zusammensetzung der EMEK analysiert, die durch den Bundesrat bestimmt wurde. Diese Zusammensetzung hat einen grossen Einfluss auf das Ergebnis der Arbeit der EMEK (2). Zusätzlich zu diesen beiden Hauptteilen beschreibt der Bericht die von der EMEK von externer Stelle angeforderten Studien (3) und listet die Teilnehmer der Anhörungen auf, bei denen es darum ging, weitere Stimmen anzuhören (4). Neben den Reaktionen auf den EMEK-Service-public-Bericht (5) und dem Fazit (7) werden Fragen zur Zukunft der Kommission (6) und der Medienpolitik (8) erörtert.

Wie ist der Bericht entstanden?
Der Autor des vorliegenden Gegenberichts, der freie Journalist Ronnie Grob, wurde von der Stiftung für MeinungsFreiheit und MedienVielfalt beauftragt. Inhaltliche oder formale Vorgaben zum Bericht oder zu seiner Ausrichtung wurden nicht gemacht. Der Bericht entstand unabhängig nach bestem Wissen und Gewissen des Autors unter Berücksichtigung der verfügbaren Quellen. Leider gab es keine Wortprotokolle der EMEK-Sitzungen, auf die sich die Recherche hätte stützen konnte. Protokolle seien keine geführt worden, so der EMEK-Präsident, nur zusammenfassende Beschlussprotokolle: «Wir sind eine nicht-parlamentarische Kommission und Teil der Behördenstruktur. Und in der Behördenstruktur unterliegen wir den Vorgaben, welche die Behörden haben. Das betrifft einerseits die Verpflichtung zur Publikation gemäss Öffentlichkeitsgesetz, andererseits aber auch die Einhaltung des Amtsgeheimnis. Was wir in Auftrag gegeben haben, wurde also publiziert. Was die Behörden mit uns kommunizierten, unterliegt dem Amtsgeheimnis.» Doch auch EMEK-Beschlussprotokolle waren für die Recherche keine verfügbar; sie wurden lediglich auf ein explizites schriftliches Gesuch hin in Aussicht gestellt, was aus Zeitgründen nicht erfolgte. Mit einer Vertretung von EMEK und Publicom wurden persönliche Gespräche geführt. Von den im Bericht vorkommenden Zitate des EMEK-Präsidenten stammt eines aus einem E-Mail-Verkehr. Alle anderen aus einem rund 90-minütigen Gespräch, das am 2. Februar 2016 in Zürich auf Initiative der EMEK geführt wurde, weil sie es ablehnte, Fragen schriftlich zu beantworten. Zitate aus dieser Unterhaltung wurden dem EMEK-Präsidenten mehrfach und nachdrücklich zur Freigabe vorgelegt. Leider reagierte er darauf nicht. Im Sinne der Medienfreiheit sind sie dennoch im Bericht. Weil es im Bericht um grundsätzliche strukturelle Probleme geht und nicht darum, einzelne Individuen zu kritisieren, sind Personen darin nicht mit ihren Namen, sondern nur mit ihren Funktionen erwähnt. Ausgenommen davon ist die Tabelle zur Staatsnähe der EMEK-Mitglieder auf Seite 16/17.

Der Autor: Ronnie Grob
Ronnie Grob, geboren 1975 in Schlieren bei Zürich, ausgebildeter kaufmännischer Angestellter, arbeitet seit 2007 als freier Journalist in Berlin. Die Haltungen und Interessen des Autors finden sich unter www.ronniegrob.com/author.

1. Die EMEK-Berichte
1.1. Übersicht

Damit es bei den zwei EMEK-Hauptberichten und den von der EMEK angeforderten Berichten und Studien nicht zu Verwechslungen kommt, werden sie wie folgt abgekürzt:

SP für den Bericht zur SRG «Service-public-Medien in der Schweiz: Diskussionsbeiträge und Gestaltungsvorschläge», erschienen im Dezember 2015, von der EMEK erstellt, einsehbar unter www.emek.admin.ch/de/themen/service-public/uebersicht

MF für den Bericht «Medienförderung: Standortbestimmung und Empfehlungen für die Zukunft», erschienen im August 2014, von der EMEK erstellt, einsehbar unter www.emek.admin.ch/de/themen/medienfoerderung

PC für die Publicom-Studie «Kosten und Finanzierung des öffentlichen Rundfunks im europäischen Vergleich», erschienen im September 2015, von der EMEK angefordert, einsehbar unter www.emek.admin.ch/de/themen/service-public/studien

IF für die IFAA-Studie «Top-Themen und deren inhaltliche Korrelationen. Das inhaltliche Profil von 17 ausgewa?hlten Medien-Websites», erschienen im Juli 2015, von der EMEK angefordert, einsehbar unter www.emek.admin.ch/de/themen/service-public/studien

BR für den Bericht des Bundesrats «Sicherung der staats- und demokratiepolitischen Funktionen der Medien», erschienen im Dezember 2014, einsehbar unter www.bakom.admin.ch/themen/radio_tv/00509/01188/04815/index.html?lang=de

1.2. Die Forderungen, Empfehlungen und Anregungen der EMEK
Im «Diskussionspapier zu den Service-public-Medien in der Schweiz» (SP) und im Bericht «Medienförderung: Standortbestimmung und Empfehlungen für die Zukunft» (MF) sind Forderungen, Empfehlungen und Anregungen der EMEK zu lesen. Hier ein kurzer Überblick:

Gefordert wird:

• Die Einrichtung einer «Stiftung Medienförderung», «um neue Formen zu institutionalisieren» (MF 7 und MF 8)
• Die Etablierung einer unabhängigen Regulierungsbehörde für die Gesamtheit der Telekom- und Medienmärkte (SP 9.1)
• Der Abbau der ermässigten Postzustellung für Printerzeugnisse – «zugunsten anderer Instrumente» (MF 6.1, gemäss Postverordnung VPG, Art. 36, betrifft einen Subventionsbeitrag von 50 Millionen Franken jährlich)
• Die Überprüfung der Regelung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes für Zeitungs-Abonnements: «Die EMEK schlägt vor, einen einheitlichen reduzierten Mehrwertsteuersatz auf alle identischen Produkte publizistischer Medien anzuwenden, unabhängig davon, ob die Verbreitung via Papier, Internet oder auf andere Weise erfolgt.» (MF 6.3, betrifft gemäss MF 4.3 73 Millionen Franken jährlich)
• Die Förderung eines kontinuierlichen Monitorings der Medienbranche (MF 7.2.3)
• Die Förderung einer interessenunabhängigen angewandten Media- und Publikumsforschung (MF 7.2.3)
• Die Verpflichtung der SRG zum Betrieb eines publizistischen Qualitätsmanagementsystems per Konzession (SP 10.1)
• Die Verpflichtung der SRG zur Information der Öffentlichkeit über ihre unternehmerische Entwicklung per Konzession (SP 10.1)
Empfohlen wird:
• Die Definition und Publikation der Programmziele für jede Sprachregion sowie Aufnahme dieses Verfahrens in die Konzession (SP 10.1)
• Die Formulierung der eigenen Beschränkungen durch die SRG in der Konzession (SP 10.1)
• Ein Audit-System für die SRG als zweistufiges Modell (SP 10.2)
Angeregt wird:
• Die zeitlich begrenzte Förderung von Startup-Unternehmen (MF 7.2.1)
• Die Förderung von Recherchefonds und Trend Scouting für den Medienplatz Schweiz (MF 7.2.2)
• Die vermehrte Kooperation der SRG mit privaten Unternehmen (SP 10.4)

1.3. Die EMEK-Berichte: Was steht drin, was ist zu kritisieren?
Die beiden publizierten Berichte sind das Ergebnis der bisherigen Arbeit der EMEK und sollen dem Bundesrat und dem Parlament bei der medienpolitischen Entscheidungsfindung dienen. Die Lektüre zeigt verschiedene Auffälligkeiten, hier nach Themenblöcken geordnet.

1.3.1. Der Aufwand
Gemäss den veröffentlichten Jahresberichten hielt die EMEK Plenarsitzungen (2013: 3,5 Tage, 2014: 7 Tage) und Subkommissions- bzw. Redaktionssitzungen (2013: 1,5 Tage, 2014: 3 Tage) ab. Der EMEK-Präsident bestätigt, dass es den Mitgliedern nicht erlaubt war, sich vertreten zu lassen und versichert, dass die Präsenzzeit an diesen Sitzungen mit deutlich über 80 Prozent sehr hoch war und auch darüber hinaus viel gearbeitet wurde. Das muss man sich mal vorstellen: Ein vermutlich sehr beschäftiger Mensch wie der AZ-Verwaltungsratspräsident verbrachte 2014 volle sieben Tage in Plenarsitzungen – und das in einer Kommission, die am Ende die Ausgangssituation als die bestmögliche, da «bewährte» Lösung präsentierte. Das Ergebnis jedoch schmälert nicht das ernsthafte Bemühen der Mitglieder, ihr Know-how im Sinne des Milizprinzips sinnvoll einzubringen – was durchaus wertzuschätzen ist.
Zusätzlich zur Spesenentschädigung erhielten die EMEK-Mitglieder für ihre Arbeit pro Sitzung 400 Franken, ab 2016 werden sie 500 Franken erhalten. Das Sitzungsgeld des Präsidenten wird 2016 von 500 Franken auf 625 Franken erhöht. Sie werden dabei gemäss der höchsten Entschädigungskategorie gesellschaftsorientierter Kommissionen, G3, entschädigt. Diese wird angewendet, «wenn die Tätigkeit der Kommission von ihren Mitgliedern ein hohes spezifisches Expertenwissen verlangt, namentlich wenn die Mitglieder fachliche Autoritäten auf dem Gebiet der Kommission sein und Kenntnisse besitzen müssen, die nicht kurzfristig zu erwerben sind». G2-Kommissionen erhielten bisher ein Taggeld von 300 Franken, G1-Kommissionen ein Taggeld von 200 Franken.

1.3.2. Die Ideenarmut
Nach den vielen Sitzungen gelangte die EMEK zum Schluss, «dass sich das aktuelle Modell bewährt». «Eine gesellschaftliche und politische Diskussion über Programme und unerwünschte wie erwünschte Inhalte» sei deshalb «notwendig und legitim» (SP 10). Der Leser gerät ins Stutzen. Wäre es nicht gerade die Aufgabe der EMEK gewesen, zu diskutieren, was hier relativ bequem an Gesellschaft und Politik weitergereicht wird? War es nicht der Grund, weshalb die Kommission überhaupt gegründet wurde? Eine Nachfrage beim EMEK-Präsidenten ergibt, dass sich die EMEK nicht dafür zuständig sieht, zu entscheiden, was denn nun zum SRG-Leistungsauftrag gehört und was nicht. Auch wenn das Kritiker der SRG immer gerne beschrieben haben möchten, wisse niemand, so der EMEK-Präsident, ob Jassen, Unterwasserrugby oder Eishockey nun zum Leistungsauftrag gehören oder nicht: «Die EMEK legt nicht den Leistungsauftrag für Radio und Fernsehen fest. Die EMEK hat nichts mit Konzessionen zu tun. Die Konzession ist Sache der zuständigen Instanzen gemäss RTVG. Hier agieren, auf rechtlichem Fundament, der Bundesrat, vor allem das UVEK, und das BAKOM. Die EMEK hat nicht zu evaluieren, ob und wer gegebenenfalls seinen Leistungsauftrag auch im Jahre 2015 beispielsweise wieder sehr gut erfüllt hat. Wir verteilen keine ‹Noten›, wir beurteilen keine ‹Programme›. Für Programmanalyse und -kritik gibt es, bei der SRG, eigene Instanzen.» Die Frage sei erlaubt, wofür die EMEK dann eigentlich zuständig ist.
Das Fazit der EMEK (SP 9.4) ist in weiten Teilen ein Abbild des bestehenden Modells. Die Nöte der Privatwirtschaft, neben dem Riesen SRG existieren zu können, werden mit dem Satz «Das Modell ist, trotz der damit verbundenen Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit, angemessen» abgetan. Aus den Überlegungen zur Finanzierung der SRG (SP 10.3) spricht vor allem die Bewahrung des Status quo. Die Formulierungen lauten: «nicht mehr benötigt als sie heute hat», «hat sich insgesamt bewährt», «soll im bisherigen Umfang erlaubt bleiben», «eine Mehrheit äusserte sich für die Beibehaltung». Diese Formulierungen wirken eher verhüllend als erhellend. Weder wird erklärt, inwiefern sich das heutige Finanzierungsmodell bewährt hat, noch, welche Mehrheit sich dafür ausgesprochen hat. Weite Teile des Berichts bestehen aus wiederaufbereiteten Informationen, die für die der EMEK gestellte Aufgabe nur eine marginale Rolle spielen. Kaum sichtbare Auswirkungen haben die angeforderten Studien, deren Schlussfolgerungen von der EMEK teilweise aktiv ignoriert werden (-> 3. Die von der EMEK angeforderten Studien).
Erwähnenswert im Service-public-Bericht sind immerhin die Forderungen an die SRG, transparenter zu werden, Qualitätssicherung zu betreiben und mit dem Publikum in einen Dialog zu treten (SP 10.1). Diese Forderungen folgen aber einem allgemeinen Trend. An sich sollte es für eine gebührenfinanzierte Organisation selbstverständlich sein, sich um Transparenz zu bemühen. Darüber hinaus will die EMEK die SRG via Konzession dazu verpflichten,
• publizistische Qualitätsmanagementsysteme zu betreiben (SP 10.1),
• die Öffentlichkeit kontinuierlich und differenziert zu informieren (SP 10.1),
• Daten über die publizistische Programmleistung zu erheben (SP 10.2),
• Daten über die publizistische Programmleistung zu publizieren (SP 10.2).
Der Nutzen von solchen, in aller Regel kaum wahrgenommenen Erhebungen und Kommunikationsleistungen ist fraglich. Sicher dagegen ist, dass das Mehr an Regulierung, das eine Umsetzung dieser Forderungen mit sich brächte, zu Mehrkosten und zu mehr Bürokratie führen würde.
Fast alles, was im «Diskussionspapier zu den Service-public-Medien in der Schweiz» (SP) steht, hätte man herausfinden können, ohne auch nur einmal zu tagen oder überhaupt Personen zur Anhörung einzuladen. Die SRG in ihrer aktuellen Ausprägung wurde unreflektiert als gegeben hingenommen. Das stellt den Sinn und die Existenz der Kommission als unbefangene Marktanalystin in Frage. Der Erwartung, dass sich die EMEK auch ein Szenario ohne SRG vorstellen kann und diese Möglichkeit in ihren Bericht aufnimmt, wurde nicht entsprochen. Lediglich das rein duale Modell – eine SRG ohne Werbeeinnahmen – wurde vorgestellt (und ohne aussagekräftige Argumente verworfen, SP 9.3.1).
Innovative Ideen wurden nur ansatzweise vorgebracht. Gar nicht geliefert wurden konkrete Szenarien, wie sich verschiedene Budgetvarianten auf die Zukunft auswirken könnten. Auch eine Antwort auf die Frage, was zum Service public gehört und was nicht, blieb die EMEK schuldig. Dass der Bericht am Ende tatsächlich kaum mehr als das bereits Existierende abbildete, hat selbst diejenigen Branchenbeobachter überrascht, die vom Bericht nur wenig erwarteten (-> 5. Die Reaktionen).

1.3.3. Die Negierung der Eigenverantwortung
Bereits in der Medienmitteilung zum Service-public-Papier lässt sich eine etatistische Grundhaltung erkennen: «Privat finanzierten Medien ist ein ausreichender Entfaltungsspielraum zu sichern», heisst es darin hinsichtlich der «staatlich organisierten Förderung von Radio- und Fernsehinhalten», welche die EMEK für «notwendig» erachtet. Das ist eine ganz grundlegende Verkehrung der Verhältnisse: Nicht der Staatsapparat sollte den Privaten Spielraum zugestehen, sondern die Privaten dem Staatsapparat. Die Tatsache, dass die Privaten im Rundfunkmarkt aufgrund einer übermächtigen SRG nur wenig Spielraum haben, ist in der von der EMEK in Auftrag gegebenen Studie der Publicom nachzulesen (-> 3.1. Die Publicom-Studie), wird jedoch von der EMEK selbst kaum diskutiert.
Die Eigenverantwortung der hiesigen Wirtschaft redet die EMEK klein: «Die zahllosen kostenfreien Internetangebote und die Gratiszeitungen haben eine ‹Gratiskultur› geschaffen», steht in MF 2.2, ohne auf die Verursacher dieser Gratiskultur einzugehen. Tatsächlich haben die hiesigen Verleger aus eigener Initiative Gratis-Pendlerzeitungen und Gratis-Webseiten gegründet, welche nun das Geschäftsmodell ihrer journalistischen Bezahlzeitungen gefährden. Dass sie gefordert sind, wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle für ihre journalistischen Online-Angebote zu entwickeln, das ist auch die Sicht des Bundesrats. In BR 1.2 heisst es: «Sie müssten nach Wegen suchen, um mit dem laufenden Strukturwandel und den damit einhergehenden Schwierigkeiten fertig zu werden». Der Bundesrat will deshalb nicht vorschnell regulieren: «Die voreilige Einführung neuer und weitgehend ungeprüfter Förderansätze könnte zu Fehlanreizen führen, weshalb der Bundesrat derzeit gegenüber neuen Fördermassnahmen zurückhaltend ist.» (BR 7) Der Bundesrat fordert hier also mehr Eigenverantwortung, als das die EMEK tut, von der man das eigentlich erwarten könnte.
Die Schweizer Zeitungsverleger werden von der EMEK verklärt: «Während traditionelle Medienunternehmen meist mittelständische (Familien-)Unternehmen mit lokalem oder regionalem Marktverständnis sind, agieren Telekom- und IT-Unternehmen oft als internationale Konzerne», steht in MF 2.2. Ob mit «traditionellen Medienunternehmen» die beiden Grossunternehmen Tamedia und Ringier gemeint sind? Beide wenden sich «zunehmend nicht-publizistischen Geschäftsfeldern» zu, wie die Publicom-Studie feststellt (PC 6.1). Auch die AG für die Neue Zürcher Zeitung ist eine grosse Aktiengesellschaft – es handelt sich also nicht gerade um mittelständische Unternehmen. Von den Top 5 der grössten Verlagshäuser nach Umsatz 2014 bleiben die Subventionsempfänger AZ Medien («Aargauer Zeitung») und Somedia («Südostschweiz»). Auf Platz 6 stehen die Basler Zeitung Medien, und dann ist die Liste der grossen Verlagshäuser auch schon zu Ende. Zwei Seiten weiter (MF 2.4) beklagt man dann: «Die landesweite Presselandschaft wird von wenigen Unternehmen dominiert – mit zunehmender Tendenz dieser Konzentration» – und schon sind die «mittelständischen (Familien-)Unternehmen» Makulatur. Übrigens bemerkt auch der Bundesrat eine seit den 1980er-Jahren «immer stärkere Ökonomisierung des Pressewesens» – diese habe «das Primat der Publizistik abgelöst, welches in der Vergangenheit viele Herausgeber parteinaher Zeitungen angeleitet hat» (BR 2.2.1).
Angeprangert wird weiter die neue Konkurrenz durch Unternehmen im Internet (MF 2.2), die «jetzt die Marktstellung publizistischer Medien» bedrohen. Dabei sind das mitunter selbst publizistische Produkte, zumindest teilweise. Netflix beispielsweise bietet viele Eigenproduktionen an, zum Beispiel Dokumentarfilme, und auch Veröffentlichungen in Blogs und Sozialen Netzwerken können als publizistische Produkte gewertet werden. Den neuen Unternehmen im Internet wird gar vorgeworfen, mit Hinweisen auf die Artikel der Verleger Geld zu verdienen: «Sie nutzen dabei auch die publizistische Leistung der Medienunternehmen und generieren zunehmend auch Werbeerlöse.» Weshalb sollten sie das auch nicht machen, solange sie das Zitatrecht einhalten und keine Urheberrechtsverletzungen begehen? Blogs, Suchmaschinen und Soziale Medien würden überdies genauso gut ohne die Inhalte der klassischen Verleger funktionieren – ohne sie würden eben vermehrt alternative Inhalte geteilt oder eigene Inhalte erstellt.
«Ein Preis-Leistungsbewusstsein für publizistische Produkte war beim Publikum seit jeher wenig ausgeprägt und lässt sich auch heute schwerlich entwickeln», ist weiter zu lesen. Doch weshalb haben denn die Konsumenten freiwillig über Jahrzehnte für diese Produkte bezahlt, obwohl sie sich auch ausschliesslich über das gebührenfinanzierte Radio und Fernsehen hätten informieren können? Die Schweizer Bezahl-Tageszeitungen leiden zwar auch unter dem Medienwandel, vor allem aber unter den kostenlosen Pendlerzeitungen und Webseiten aus den gleichen Verlagen, die ähnliche und gleiche Inhalte gratis anbieten.

1.3.4. Die Marktfeindlichkeit
SP 9.2 spricht von einem «Marktversagen insbesondere in kleinen Medienmärkten». Doch nicht der Markt versagt; aufgrund der Übermacht der gebührenfinanzierten SRG (-> 3.1. Die Publicom-Studie) kann keine natürliche Marktsituation entstehen. Besteht eine echte Nachfrage nach einem Angebot, so finden sich auch Anbieter – die Grösse des Marktes ist dabei freilich zu berücksichtigen. Denn auch wenn die Rätoromanen sicher gerne mehrere romanischsprachige Zeitungen und TV-Sender zur Auswahl hätten, gibt es dafür keine ausreichende Anzahl an bezahlenden Kunden und Werbern. Der kleine Markt der romanischsprachigen Medienkonsumenten kann aber glücklicherweise auf die SRF-Angebote zählen. Die Befriedigung ihres Anspruchs auf Informationen entspricht genau dem gesetzmässigen Auftrag an die SRG – deswegen wurden die Service-public-Angebote auch einst geschaffen.
Hinsichtlich eines Wechsels zu einem rein dualen Modell (SP 9.3.1) mit einem Werbeverbot für die SRG wird die Befürchtung geäussert, dass die aktuell von der SRG realisierten Werbeeinnahmen «nicht vollständig den inländischen privaten Anbietern oder einem neuen nationalen Anbieter zugutekämen» – profitieren würden ausländische Fensterprogramme und Onlineangebote ohne publizistische Leistung für die Schweiz. Warum sollte das auch nicht der Fall sein? Ausländische Fernsehkanäle – vor allem private aus den Nachbarländern – konnten zuletzt die grössten Marktanteile bei den Zuschauern ausweisen: «gesamtschweizerisch durchschnittlich 63,4 Prozent», stellt SP 6.3 fest, und dazu: «Das Angebot von SRG-TV-Kanälen nutzen eher ältere Personen.» Wenn die Schweizer sich am Liebsten von französischen und deutschen Privatsendern und Webseiten unterhalten lassen, dann ist es auch das gute Recht dieser Anbieter, dabei Werbung zu verkaufen.
Dass sich mit einem Werbeverbot für die SRG, wie es der Präsident des Verbands Schweizer Medien im Januar 2015 gefordert hatte, dank einem frei werdenden Werbevolumen von 370,6 Millionen Franken neue Chancen für bestehende und neue private Schweizer TV-Kanäle bieten, erwähnt die EMEK nicht. Vorteile in der Bewertung dieses, rein dualen Modells sieht die EMEK «in einer langfristigen Profilierung der öffentlich finanzierten Angebote des Service public und als Klärung der Abgrenzung zur privaten Medientätigkeit, nicht zuletzt im Internet» (SP 9.3.1). Tatsächliche Nachteile des rein dualen Modells fallen der EMEK aber keine ein. Sie notiert lediglich, ohne näher auf das Thema einzugehen, dass ihre negative Bewertung des Modells «von den wesentlichen Branchenakteuren gestützt wird». Diese Branchenvertreter, zum Beispiel die Schweizer Werbeindustrie, profitieren offenbar vom Status quo. Doch weder sollte es um den Schutz des heimischen Marktes noch um das Aufrechterhalten althergebrachter Strukturen gehen, sondern darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Unternehmern Möglichkeiten bieten (-> 2.3. Die Mehrheit).
Der «Notwendigkeit staatsunabhängiger Medien» wird in MF 1.3 ein ganzer Absatz gewidmet. «Staatliche Einflussnahme auf Medien ist zwingend zu vermeiden», steht da, und gleich im folgenden Satz «Übermässig hemmende ökonomische Einflüsse sind ebenso zu begrenzen». Wie bloss will man ökonomische Einflüsse – auch bekannt als Konkurrenz oder Wettbewerb – begrenzen, ohne in staatlicher Form mit Gesetzen und Verordnungen auf Medien Einfluss zu nehmen? Private Förderung wäre eine Lösung, aber das meint die EMEK hier natürlich nicht, und diese findet so oder so bereits statt. Der Satz «Die Medienpolitik und jede Förderung von Medienleistungen haben sich dabei dem Imperativ der Staatsferne aller Medieninhalte zu stellen» wird von der aktuellen Realität einer wenig staatskritischen SRG und einer wenig staatskritischen Medienpolitik konterkariert. Korrekt hingegen ist, dass Medienförderung «ein überwiegend öffentliches Interesse» brauche. Ein solches ist wohl am ehesten in einer Volksabstimmung zu eruieren.

1.3.5. Der Innovationsmangel
Wenn die EMEK «die Medien» beschreibt (SP 8.2), so meint sie herkömmliche Medien wie Print oder TV. Für fast alles, was bei ihnen heute schlecht läuft, wird der Medienwandel verantwortlich gemacht. Dass ein vergleichsweise neues Videoportal wie Netflix gar keine Werbung zeigen muss, weil es seinen Kunden eigene und eingekaufte Inhalte erfolgreich gegen eine Monatsgebühr anbietet, kommt im Bericht nicht zur Sprache.
Die Standortbestimmung Medienförderung (MF 9) kommt zum Schluss, «die in der Schweiz ansässigen Unternehmen» seien «nur bedingt in der Lage, die notwenige Innovation allein zu tragen. Die Digitalisierung bietet zwar neue Möglichkeiten, doch sie stellt die bestehenden Geschäftsmodelle in Frage. Die Anpassungen erfolgen in einer Geschwindigkeit, die viele traditionelle Organisationen überfordert.» Was, wenn andere Branchen auch so auf technische Veränderungen reagieren würden? Unternehmer, deren Geschäftsmodell erodiert, sind dazu gezwungen, es anzupassen. Mit etwas Fantasie könnte jede Branche Gründe vorbringen, weshalb gerade sie für die Schweiz unverzichtbar ist (und ebenfalls Unterstützungsleistungen beanspruchen).

1.3.6. Die Unbestimmtheit
Marktteilnehmer wie Swisscom, Google, Netflix oder Facebook werden kaum je konkret benannt – die Rede ist stattdessen von «Plattformen, Content-Providern oder OTT-Anbietern (Over-the-Top)» (SP 5.5). Auf Nachfrage erklärt der EMEK-Präsident: «Die EMEK wollte das nicht spezifisch thematisieren, sie hat sich nicht damit beschäftigt. Wir machen eine Kernargumentation und bauen darum Teilbereiche auf. Aber wir können nicht alles ausführen, da müssten wir ja Hunderte von Seiten schreiben.» Wenn stets gerätselt werden muss, welche Plattform denn nun gemeint ist, verliert der Bericht an Klarheit und Eindeutigkeit. Es ist unverständlich, weshalb die Berichte so vage bleiben, anstatt konkret zu werden. Gefordert war ein Blick auf die konkrete Situation mit einem Ausblick auf die Zukunft. Ein Anspruch auf Allgemeingültigkeit, wie das die EMEK-Berichte suggerieren, war gar nicht notwendig. Mit einer bewusst gewählten Unbestimmtheit ist man jedoch viel besser vor allfälliger Kritik geschützt.

1.3.7. Die Behauptungen
«Ohne Service-public-Angebote wäre die robuste mediale Abbildung der politischen Willensbildung gefährdet», warnt die EMEK in der Zusammenfassung ihres Service-public-Berichts. Da stellt sich die Frage: Wie konnte sich die Schweiz bloss – ohne die erst 1931 gegründete SRG – überhaupt 1848 zum modernen Bundesstaat zusammenfinden? Und wie bloss konnte die Schweiz – angeblich in ihrer «politischen Willensbildung» gefährdet – Bürgerrechte wie das fakultative Referendum 1874 und die Volksinitiative 1891 in die Bundesverfassung aufnehmen?
Der Bericht unterstellt mehrfach Evidenz, ohne die entsprechenden Behauptungen zu belegen oder auch nur weiter auszuführen. So wird etwa ohne nachvollziehbar schlüssige Herleitung behauptet, die Entscheidung für Medienförderung und Service-public-Medien lasse sich mit vier Kernargumenten begründen (SP 9.2) oder dass aufgestellte «Ziele der eidgenössischen Medienpolitik» mit aufgestellten «Grundvoraussetzungen» zu erreichen seien (SP 9.4). Der Grundpfeiler des Service-public-Berichts jedoch, auf dem die weitere Argumentation aufbaut, ist der Abschnitt «Service-public-Medien: Grundversorgung und öffentliches Interesse» (SP 2.3). «Privatwirtschaftlich organisierte Medien allein können die Produktion der journalistischen Medienangebote, die für die Demokratie notwendig sind, weder als einzelnes Medium noch in ihrer Summe nachhaltig garantieren», steht da etwa. Oder: «Die Schweiz als föderalistisch organisiertes Land benötigt Werte, Institutionen und Organisationen, die zur Kohäsion des Landes beitragen.» Argumente, weshalb privatwirtschaftlich organisierte Medien das nicht können oder weshalb die Schweiz (mit Steuergeldern finanzierte) Institutionen benötigt, um den nationalen Zusammenhalt zu sichern, sind allerdings keine zu finden. Auf Nachfrage sagt der EMEK-Präsident, man habe sich dabei auf die unbestrittene politisch-kulturelle Idee der Schweiz als direktdemokratische, mehrsprachige Willens- und Bildungsnation gestützt und diese dann normativ abgeleitet. «Im Bereich der Publizistik gibt es eine Situation der Konzentration, nicht der Marktzutritte. Dieser Prozess hat zur Folge, dass eine Unsicherheit herrscht, ob die Märkte in den drei jeweiligen Sprachregionen gross genug sind. Können private Medien in diesen Sprachregionen einen Markt garantieren? In der Romandie hat Tamedia einen Marktanteil von 69 Prozent. Im Tageszeitungsbereich gibt es nur Marktabgänge, das ist für die Medienvielfalt nicht förderlich. Es geht grundsätzlich um die Sicherstellung eines vielfältigen, pluralistischen, nicht einseitig zusammengesetzten Marktes und eine hinreichende Versorgung auf allen Gebieten, lokal, regional, kantonal. Der Konsens in der EMEK ist, dass reine Marktmedien das nicht sicherstellen könnten.» Dass die demokratische Willensbildung ohne öffentliche Medienangebote zusammenbricht und sich nicht im publizistischen Wettbewerb der privaten Medienanbieter ergeben kann, bleibt zu bezweifeln. Diese Frage könnte nur eine Praxis ohne öffentliche Medienangebote beantworten.

1.3.8. Die Auslassungen
Obwohl die von der EMEK angeforderte Publicom-Studie in aller Deutlichkeit einen fehlenden Spielraum der Privaten gegenüber der SRG-Übermacht im Publikums- und im Werbemarkt darstellt (PC 7.5), wird das in den EMEK-Berichten selbst kaum zur Sprache gebracht. Eine «starke Stellung der SRG in den sprachregionalen Gebieten» wird einzig beim (aktuell existierenden) dualen Modell mit Mischfinanzierung (SP 9.3.2) als Nachteil erwähnt – im gleichen Abschnitt kommt man allerdings zum Schluss, dass sich dieses Modell «grundsätzlich bewährt» habe.
Nicht hinterfragt wurde die Rolle von Staatsbetrieben als Infrastruktur- und Medienanbieter. Unter «Neue Rolle der Infrastrukturbetreiber als Medienanbieter» (SP 4.1) hätte man fragen können oder vielmehr müssen, ob es der mehrheitlich staatlich kontrollierten Swisscom und ihren Tochterfirmen überhaupt erlaubt sein soll, mit Swisscom-TV ein IPTV-Angebot, mit Teleclub ein Bezahlfernsehen und mit Bluewin.ch ein als E-Mail-Dienst verkauftes, werbefinanziertes Online-Boulevardportal anzubieten – diese ganze Problemlage bringt die EMEK nicht zur Sprache. In SP 6.3 dann fällt eher beiläufig der Satz: «Pro Monat schauen über 3 Millionen Schweizerinnen und Schweizer TV auf internet-verbundenen Geräten wie Handy, Tablet und PC über Dienste wie Zattoo oder Swisscom TV.» 3 Millionen pro Monat, das sind über 36 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung, auf die hier nicht weiter eingegangen wird; hinzu kommen all jene, die alternative Medien wie zum Beispiel YouTube oder Netflix konsumieren. Mit dem 2006 gestarteten Swisscom-TV (1,331 Millionen) überholte die Swisscom 2015 die UPC Cablecom (1,302 Millionen) bei der Anzahl Digital-TV-Kunden. Wie bedeutend die Entwicklung der Nutzung hin zu digitalen elektronischen Medien ist, stellt der Bundesratsbericht klar: «Wird der Zeit, die für das Lesen aufgewendet wird, die Nutzung von elektronischen Medien gegenübergestellt, so wird klar: Der Löwenanteil der zeitlichen Zuwendung zu Medien entfällt auf elektronische Medien. Wenn Online auch dazu gerechnet wird, entfallen mehr als 90 Prozent des Medien-Zeitbudgets in der Schweiz auf elektronische Medien.» (BR 2.3) Es sind – Stand 2016 – also die Alten und die Eliten, die noch gedruckte Zeitungen lesen.
«Die Bemühung um die Aufmerksamkeit und die automatisierte Verwendung von Nutzerdaten bestimmen zunehmend den Wettbewerb der Verbreitungswege und damit den Kampf um die Werbeerlöse», stellt MF 2.1 korrekt fest. Statt auf die ordnungspolitisch hochproblematischen Verquickungen des geplanten Joint Ventures zwischen Swisscom, SRG und Ringier hinzuweisen und die einen Freischein ausstellende Wettbewerbskommission zu kritisieren, notiert die EMEK dazu lediglich, dass die drei Partner so einen «Wettbewerbsvorteil» erhalten würden (SP 5.6). Wem gegenüber, nämlich gegenüber der Privatwirtschaft, die nicht so staatsnah ist wie Swisscom und Ringier, erwähnt die EMEK ebenfalls nicht. Empfohlen wird dafür eine verstärkte Kooperation zwischen der SRG und Privaten (SP 10.4) und ein «kontinuierliches Monitoring der Medienbranche» (MF 7.2.3) – was neben den grundsätzlichen ordnungspolitischen Fragen auch Fragen zur Organisation, zur Verfügbarkeit der Daten und zum Datenschutz aufwirft. Welche Medienanbieter können und wollen solche Daten bereitstellen und was beinhalten sie? Was sagen ihre Konsumenten und Kunden dazu: haben sie ihr Einverständnis zur Verwendung erklärt?

1.3.9. Die Quote
«Zur Stärkung des publizistischen Wettbewerbs kann der Service public einen Beitrag leisten», steht in SP 2.3. Doch gebührenfinanzierte Service-public-Angebote befinden sich eben nicht im publizistischen Wettbewerb, sie müssen auch keinen herstellen, wie das in SP 2.2 behauptet wird. Ihr Auftrag ist es, klar definierte Leistungen zu erbringen, für die sie im Gegenzug Gebührengelder erhalten. Die SRG «orientiert sich auch an der Nachfrage und ist bestrebt, die Zuschauerquote zu optimieren», steht weiter in SP 2.1. Das stimmt zwar. Aber nur weil es so ist, heisst das noch lange nicht, das es auch so sein soll. Die Idee von öffentlichen Angeboten ist es ja gerade, Leistungen zu ermöglichen, die sich nicht dem Quoten-Wettbewerb stellen müssen. Unter dem vermeintlichen Druck der Quote kopieren öffentliche Medien deshalb heute die Ideen der Privaten und strahlen sie unter Service-public-Label zur Unterhaltung und Zerstreuung des Volkes aus: Klatschsendungen, Horoskope, Spielshows, Castingshows, nicht-bildende Filme, Sportsendungen und weiteres mehr zeugen davon – alles Leistungen, die Private problemlos erbringen könnten und mit denen die öffentlichen Medien die privaten auf unfaire Weise konkurrenzieren. Entspricht es tatsächlich der Erfüllung eines Service-public-Auftrags, wenn ein SRF-Digitalredaktor dazu aufruft, mit ihm zusammen das Prügelspiel «Street Fighter V» zu spielen und davon einen Live-Stream zu produzieren? Oder wenn er zusammen mit SRF3-Mitarbeitern das Schiessspiel «Star Wars Battlefront» spielt?
Dass auch SRF-Sendungen eine hohe Akzeptanz beim Massenpublikum, sprich eine hohe Quote aufweisen müssen, wird behauptet, um vom eigentlichen Auftrag abweichen zu können und mehr Werbung verkaufen zu können. Der AZ-Verwaltungsratspräsident brachte es nach der knappen Annahme des RTVG durch die Stimmbürger auf den Punkt: «Werbung verlangt Quote, das führt zu Boulevardisierung, und das sollte man den Privaten überlassen». Die Messung der Aufmerksamkeit als Gefahr für den einordnenden Journalismus hat auch die EMEK erkannt: «Das ständige Schielen auf die Klick-Raten führt dazu, dass für solchen Journalismus immer weniger Zeit bleibt, bzw. dieser gar nicht mehr angeboten wird» (MF 2.1). Traditionell werbefreie Ausstrahlungen wie jene der SRF-Radiosender haben denn auch für lange Zeit den Service-public-Auftrag am Besten erfüllt – eben weil sie vom Schielen auf Klicks und Quoten befreit waren.
SP 2.4 geht ganz selbstverständlich von einem Bürger aus, der angeleitet werden muss. «Der Service-public-Auftrag» lasse sich «auf nationaler und sprachregionaler Ebene» «in Form von Leitbildern konkretisieren», heisst es, wobei Political, Cultural und Social Citizenship angesprochen und erklärt werden. Es ist darin von einem Verständlichmachen der politischen Kultur die Rede, von einem Vermitteln des kulturellen Erbes durch Schulfernsehen und von der Notwendigkeit, Beiträge zur Sozialisation und somit zur gesamtgesellschaftlichen Integration zu leisten. Schulfernsehen? Kulturelles Erbe? Integration? Das wäre fraglos im Sinne des Service-public-Auftrags. Doch bis jetzt hat niemand geprüft, welche aktuellen SRF-Produkte das überhaupt leisten.
Eine reine Finanzierung der Service-public-Anbieter über Haushaltsabgaben hätte eine grössere Abhängigkeit von der Politik zufolge (SP 9.3.1). Und die politische Abhängigkeit der Service-public-Anbieter würde durch eine kommerzielle Finanzierung sinken (SP 9.3.2). Dass die EMEK zweimal das gleiche Argument hinschreibt, macht es nicht wahrer. Richtig ist, dass eine vom (durch die Kommerzialität gegebenen) Quotendruck befreite SRG ihren Service-public-Auftrag besser und klarer erfüllen könnte. Die Frage, welches Ausmass die Service-public-Angebote annehmen sollen und ob ihr Budget in Zukunft höher oder tiefer sein soll, sollte den Bürgern und ihren parlamentarischen Vertretern überlassen werden – nicht der Regierung (-> 8. Politischer Ausblick).

1.3.10. Die Finanzen
Auch einige Drohungen spricht die EMEK aus. Bei einem Werbeverbot für die SRG glaubt man, die Gebühren erhöhen zu müssen (statt Leistungen abzubauen und zu sparen): «Die SRG finanziert sich heute zu einem Viertel aus Werbegeldern. Ein Wegbrechen dieser Erträge würde sich auf die SRG-Angebote auswirken, sofern das Wegbrechen nicht mit einer Gebührenerhöhung wettgemacht wird.» (MF 2.4). Und: «Sollte in Sachen Medienförderung politisch nichts unternommen werden, geht die EMEK davon aus, dass internationale Unternehmen an Bedeutung in der Schweiz zunehmen werden und Schweizer Medienunternehmen jeder Grösse noch stärker unter Druck geraten.» (MF 3)
Sparen will die EMEK, in dem sie entgegen den Vorstellungen des Bundesratsberichts (BR 4.3) die Posttaxenverbilligung für die Printpresse abschaffen will (MF 6.1, 6.2). So könnten rund 50 Millionen Franken pro Jahr eingespart werden. Beim 33 mal so grossen Budgetposten aber, bei den 1647,8 Millionen Franken Betriebskosten der SRG, von denen 1210,4 Millionen Franken vom Gebührenzahler getragen werden, ist angeblich nichts zu machen. Zu mehr als zum Satz «Die EMEK ist der Ansicht, dass die SRG zur Erfüllung des geltenden Leistungsauftrages nicht mehr finanzielle Mittel benötigt als sie heute hat» (SP 10.3) kann sie sich nicht durchringen. Von den jährlich ausgeschütteten 1334,8 Millionen Franken an Medienförderbeiträgen gehen über 90 Prozent an die SRG (BR 3.4).

1.3.11. Die Fragwürdigkeiten

«Die Kommission spricht sich im Interesse der Medienfreiheit auch gegen eine prinzipielle Beschränkung der Service-public-Inhalte auf sogenannte direkt demokratierelevante oder ausschliesslich eigenproduzierte Inhalte aus.» (Zusammenfassung SP)

Service-public-Inhalte, die zu mindestens 75 Prozent gebührenfinanziert sind, sollen beinhalten können, was immer die Anbieter wollen, und das «im Interesse der Medienfreiheit»? Dass die EMEK der Beliebigkeit einen Freipass gibt, ist bemerkenswert. Medienfreiheit gilt dem einzelnen Bürger, nicht jenen, die sich von ihm finanzieren lassen.

«Heute kann sich Werbung von den Medien und deren Finanzierung emanzipieren.» (SP 8.1)

Werbung konnte sich schon immer von den Medien emanzipieren: Plakate an Litfasssäulen oder Wänden beispielsweise stehen für sich und begleiten kein anderes Medium. Werbung kann aber immer dort verkauft werden, wo die Aufmerksamkeit ist – und die schwindet bei den herkömmlichen und wächst bei den neuen Medien.

«Die neuen technischen Möglichkeiten könnten dazu führen, dass die Produktionskosten in bestimmten Bereichen sinken.» (SP 8.5)

Neue technische Möglichkeiten haben schon immer dazu geführt, dass die Produktionskosten sinken. Technische Innovationen, die das Gleiche machen wie alte Technologien, aber teurer sind, wird niemand kaufen.

«Die EMEK empfiehlt, dass die SRG die Programmziele für jede Sprachregion definiert und publiziert. Das Verfahren sollte Teil der Konzession sein. Zur Definition von Zielen und Absichten gehört auch, dass die SRG ihre Beschränkungen formuliert: Wo ist sie nicht tätig, von welchen Aktivitäten und Produkten nimmt sie bewusst Abstand? Für welche Dauer gelten diese Strategien?» (SP 10.1)

Eine erstaunliche Verkehrung: Verfassungsartikel und Konzessionen umfassen einen vom Gesetzgeber klar erteilten Auftrag, innerhalb dem die SRG einen gewissen Spielraum hat. Sollte es tatsächlich umgekehrt sein, und die SRG wäre in der Lage, sich nach eigenem Ermessen Beschränkungen aufzuerlegen, so würde das zeigen, dass die Wahrnehmung der SRG durch Kritiker als unkontrollierbares Riesenwesen nicht verkehrt ist. Eine Konzession jedoch, von lateinisch «concedere» («zugestehen», «erlauben»), berechtigt zu gewissen Aktivitäten. Alles nicht Konzessionierte ist per Definition ausgeschlossen. Die SRG ist also gar nicht in der Lage, sich im bestehenden – durch den EMEK-Service-public-Bericht gestützten – System selbst zu beschränken.

2. Die EMEK-Mitglieder: Wer sind sie und was für Interessen verfolgen sie?
Die vom Bundesrat, also der Regierung, eingesetzten EMEK-Mitglieder sind der Schlüssel zum Inhalt der EMEK-Berichte. Denn die Zusammensetzung der Kommission hat eine entscheidende Auswirkung auf ihre Schlussfolgerungen. Eine Betrachtung zeigt Auffälligkeiten, die hier nach Themenblöcken sortiert aufgelistet werden.

2.1. Das Alter
Die beiden jüngsten EMEK-Mitglieder werden dieses Jahr 46 Jahre alt. Das Durchschnittsalter der Kommission beträgt 56 Jahre. Das dreiköpfige Präsidium weist gar ein Durchschnittsalter von 62 Jahren auf. Als die Präsidiumsmitglieder Ende der 1960er-Jahre in ihren Teenager-Jahren waren, wurde eben das Farbfernsehen eingeführt. Sie sind nicht mit Apps, Streams und Webseiten aufgewachsen, sondern mit Radiogeräten und Printprodukten. Den Internetboom um die Jahrtausendwende erlebten sie als Menschen um die 50. Es sind also Kinder des TV- und Printzeitalters, nicht des Internetzeitalters, die sich hier mit der Zukunft der Medienbranche befassen, welche sich im wahrscheinlich grössten Umbruch seit der Erfindung des Buchdrucks befindet. Es ist fraglich, ob sie in der Lage sind, die «zukünftigen Herausforderungen des Medienplatzes Schweiz aus einer ganzheitlichen Sicht» zu beantworten. Weil keine Person unter 40 Jahren bei den Beratungen dabei war, um die Betrachtungsweise jüngerer Menschen einzubringen, konnten die Ergebnisse der Diskussion nur rückschrittlich, im besten Falle bewahrend herauskommen. Am ehesten ein Beispiel für das mangelnde Zukunftsbewusstsein dieser Kommission liefert der Vizepräsident: Als CEO und späterer Verwaltungsratspräsident der Publigroupe begleitete er das einst als Publicitas bekannte Unternehmen auf seinem langen Weg in die Bedeutungslosigkeit. Am Ende verkaufte er das Stammgeschäft der Anzeigenvermittlung nach Deutschland und das, was noch übrig blieb, an die staatlich beherrschte Swisscom. Und dieser Mann soll Antworten geben können auf die «zukünftigen Herausforderungen des Medienplatzes Schweiz»?

2.2. Die Homogenität
Zu homogen ist die EMEK nicht nur bezüglich ihres Alters. Als am 27. März 2013 die EMEK-Mitglieder vom Bundesrat gewählt wurden, waren unter ihnen ausschliesslich Interessenvertreter des seit Jahrzehnten etablierten Mediensystems. Immerhin den Nachbesetzungen ist die Bemühung zu attestieren, dieses Manko auszugleichen: Mit der Verwaltungsratspräsidentin von Zattoo ist seit 2015 ein Mitglied eines relativ neuen Mediums dabei (das sich allerdings der nicht unbedingt zukunftsträchtigen linearen TV-Verbreitung anschliesst – Zattoo gibt es etwa seit zehn Jahren). Und Ende 2015 wurde ein Strategieberater in die Kommission gewählt, der als Ex-NZZ-Chefredaktor mit den Problemen, die privatwirtschaftliche Medien heute herausfordern, zumindest vertraut ist.

2.3. Die Mehrheit
«Alle beiden Papiere sind Konsenspapiere. Sie sind von allen Mitgliedern der Kommission im Konsens festgehalten worden», sagt der EMEK-Präsident, der bestätigt, dass so lange diskutiert wurde, bis man zu einer gemeinsamen Haltung gefunden hat, die alle mittragen konnten. Abstimmungen, so der EMEK-Präsident, seien so gar nicht nötig gewesen. Wichtig ist es deshalb, genau zu lesen, wenn von der Mehrheit der Kommission die Rede ist, welche sich beispielsweise «für die Aufrechterhaltung der SRG auf gemischtfinanzierter Basis» ausspricht (SP 10). Gut möglich, dass einige der 15 Kommissionsmitglieder zunächst gegen so ein Fazit waren, vielleicht sogar der Präsident selbst – sich dann aber dem durch die Mehrheit aufgebürdeten «Konsens» fügen mussten. In Plenarsitzungen diskutieren, bis sich eine Meinung findet, die dann alle mittragen müssen? Das erinnert einerseits an das Kollegialitätsprinzip des Bundesrats, andererseits aber auch an Studenten-WGs. Wäre es nicht die reifere Lösung gewesen, bei Dissens abzustimmen und die Ergebnisse öffentlich zu machen? Doch Transparenz, von der SRG deutlich eingefordert, will die EMEK selbst nur teilweise erbringen.
Stark spürbar ist der Druck der Werbewirtschaft und der Werbevermarkter auf die EMEK, die «eine Einschränkung der Werbung im Fernsehbereich von SRG für nicht angezeigt» (SP 9.3.1) halten. Verständlich: die Werber möchten keine Einschränkungen und streben eine für sie komfortable Situation an. Für sie ist ein simples Modell mit nur einem Ansprechpartner, der SRG, ideal. Der Service Public muss aber den Interessen des Bürgers entsprechen und nicht jenen der Werber. Letztere können und werden sich mit jeder von den politischen Kräften ausgehandelten Situation arrangieren. Dass die staatsnahe, mit der SRG und der Swisscom verbandelte Werbewirtschaft überhaupt und dann gleich doppelt Einsitz in der EMEK genommen hat, ist unverständlich. Denn es ist wahrscheinlich, dass jene EMEK-Mitglieder, die im Geschäft mit Klicks und Quoten direkt von der Werbung abhängig sind, sich mit der Werbewirtschaft verbünden; schliesslich beisst niemand die Hand, die ihn füttert. Überzeugt diese Gruppe noch das eine oder andere Mitglied, zum Beispiel Vertreter der staatlichen Infrastrukturanbieter, der SRG, der SDA oder der Universitäten, so bilden sie bereits eine Mehrheit. Nicht nur die Anliegen der Werber, sondern auch jene der SRG finden schnell einmal Gehör, weil die Kommission nicht einen ausgewiesenen SRG-Gegner, aber viele heimliche SRG-Befürworter versammelt. Neu zum Beispiel der Ex-NZZ-Chefredaktor, der die SRG journalistisch für «ein spannendes Unternehmen» hält und sich «gut vorstellen» könnte, für das Schweizer Fernsehen zu arbeiten. Das ist nachzuvollziehen, denn die SRG offeriert äusserst komfortable Arbeitsbedingungen für Journalisten.
Die etablierten Privaten und öffentliche Player streben gemeinsam mehr Marktdominanz auf Kosten der Gebührenzahler an. Dazu sind sie auch bereit, sich enger zu verzahnen (SP 10.4). Es geht hier um die Bewahrung von Pfründen, aber auch um die Erlangung und Sicherung zukünftiger Vorteile: In SP 10.5 wird verlangt, dass die für die SRG aufgestellten Empfehlungen bezüglich Kontrolle durch die Öffentlichkeit und Erfüllung des Programmauftrags an die privaten Anbieter «angepasst» werden – «aus Praktikabilitätsüberlegungen» können diese Anforderungen angeblich «nicht in derselben Tiefe übernommen werden». Kurz: Die Privaten beanspruchen Einnahmen aus Steuergeldern, wollen dafür aber höchstens ein bisschen kontrolliert werden.

2.4. Die Praxisferne
Die Journalisten waren in der EMEK kaum vertreten, am ehesten noch durch den Chefredaktor der Nachrichtenagentur SDA, die für ihre «Informationsleistungen» jährlich rund 3 Millionen Franken von der Bundeskanzlei erhält (BR 4.2, MF 4.3). Als Journalistenvertreter wählte der Bundesrat anstelle von tatsächlich im Journalismus tätigen Personen, die die Probleme des Medienwandels aus der eigenen Erfahrung kennen, Funktionäre linkskonservativer Gewerkschaften wie Impressum und Syndicom aus. Das Wissen, mit welchen Problemen sich die Redaktionen heute konfrontiert sehen, ist folglich nur indirekt vorhanden.
In MF 7.1.2. macht sich die EMEK für die Förderung von «betriebsübergreifenden Aus- und Weiterbildungsprogrammen» stark. Journalismus, so der Tenor des Absatzes, benötige nicht etwa nur hervorragende Berufsleute, sondern möglichst vielfältige vorgängige Ausbildungen. In der Realität aber überschwemmen Abgänger von geförderten und nicht-geförderten Journalistenschulen einen übersättigten Markt mit nur wenigen attraktiven journalistischen Stellen. Ein Grossteil der Abgänger landet deswegen entweder in Praktika mit wenig Aussicht auf eine journalistische Karriere. Oder in Kommunikationsberufen, wo ihnen dann nicht selten der Auftrag gestellt wird, Öffentlichkeit, also Journalismus zu verhindern. Nicht die mangelnde Ausbildung von jungen Journalisten ist das Hauptproblem im Journalismus, sondern die fehlende Heterogenität und Diversität in den Redaktionen. An sich ist Journalist ein freier Beruf, den ergreifen kann, wer sich dazu berufen fühlt. Je unterschiedlicher die Schichten, aus denen Journalisten stammen, desto grösser ist die Medienvielfalt. Gute Journalisten haben eine überdurchschnittlich rasche Auffassungsgabe, sind auf natürliche Weise wissbegierig und bilden sich deshalb ständig weiter. Sie benötigen keine standardisierten Ausbildungsvorlagen, sondern Erfahrung, praktische Anleitung im Beruf und ausreichend Zeit, ihre Produkte erstellen zu können. Gefordert, dass Journalisten eine bestimmte Ausbildung benötigen, um überhaupt als Journalist tätig sein zu dürfen, hat die EMEK allerdings nicht – mit gutem Grund, denn das würde der Medienfreiheit widersprechen. Das Bundesamt für Kommunikation BAKOM unterstützt «Aus- und Weiterbildungsinstitutionen für Medienschaffende» jedes Jahr mit rund 1 Million Franken und denkt darüber nach, diesen Betrag «über eine Erhöhung des BAKOM-Gesamtaufwandes» zu verdoppeln (BR 4.5).

2.5. Die Staatsnähe
Drei EMEK-Mitglieder sind heute nicht mehr in jenen Positionen, die sie zum Zeitpunkt ihrer erstmaligen Wahl durch den Bundesrat innehatten (Regionalsekretärin Syndicom, Leiter Mergers & Acquisitions bei Swisscom, Direktorin MAZ), sondern in neuen (Mitarbeiterin von SP-Staatsrat Bertoli, Direktor ProLitteris, diverse Mandate). Aber da die EMEK ihre Mitglieder nicht als Interessenvertreter, sondern als «Fachpersönlichkeiten» ansieht, scheint es nicht so wichtig zu sein, wem jemand das Auskommen finanziert.
Nichtsdestotrotz lohnt es sich, einmal zu prüfen, mit welchen staatlichen oder staatsnahen Betrieben die Mitglieder verbandelt sind. Rein privat aufgestellt ist von den 15 EMEK-Mitgliedern nämlich nur eine Minderheit:

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3. Die von der EMEK angeforderten Studien
3.1. Die Publicom-Studie

Die EMEK beauftragte die Marktforschungsfirma Publicom AG in Kilchberg, einen «internationalen Vergleich zu Kosten, Finanzierung und Leistungen des öffentlichen Rundfunks auf Basis einer einheitlichen Datengrundlage» zu liefern. Im Bericht «Kosten und Finanzierung des öffentlichen Rundfunks im europäischen Vergleich» wird das auf 222 Seiten geliefert. Auf den Seiten 91 bis 116 kann man etwa detailliert nachlesen, wie genau sich das Rundfunkprofil von Belgien in seiner französischen, flämischen und deutschen Gemeinschaft darstellt. Neben Belgien und der Schweiz wurden Rundfunkprofile von Dänemark, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Irland, Italien, Österreich und Schweden erstellt. Die Liste der zum Vergleich vorgeschlagenen Länder stellte die EMEK zur Verfügung. Der Fokus lag dabei auf der Vergleichbarkeit zur Marktlage in der Schweiz (kleine Märkte, Mehrsprachigkeit, grosses Nachbarland mit gleichsprachigen Angeboten).
Liberale, überwiegend privat dominierte Rundfunkmodelle wie das der USA, von Brasilien, Luxemburg, Argentinien, Chile oder Uruguay wurden gar nicht erst in den Vergleich aufgenommen. Angeblich seien sie zu wenig gut mit dem Schweizer Modell vergleichbar. Doch ist das so? Der Medienforscher Roger Blum charakterisiert dieses, von ihm als «liberal» gekennzeichnete Medienmodell als eines, «das für Länder passt, die demokratisch, kapitalistisch und technisch modern sind». Es bleibt ein Rätsel, weshalb die EMEK die öffentlich-rechtlichen Mediensysteme von Deutschland und Frankreich hat untersuchen lassen, die mit Bürokratie und politischer Einflussnahme zu kämpfen haben, nicht aber die freien Mediensysteme der Vereinigten Staaten oder von Brasilien – denn über kleine, mehrsprachige Märkte mit grossem Nachbarland gleicher Sprache verfügen sie alle vier nicht. Nach Auskunft der EMEK-Kommissionssekretärin kostete die angeforderte Publicom-Studie 45’000 Franken.
Dennoch ist die Publicom-Studie in vielen Bereichen informativer und nützlicher als die EMEK-Berichte. Sie versammelt zahlreiche Fakten, die dann in den EMEK-Berichten kaum erwähnt wurden. Um daraus zu zitieren:
• «Die SRG SSR ist mit einem Umsatz von über 1.6 Milliarden Franken das grösste Medienunternehmen der Schweiz.»
• «Die starke Stellung der SRG SSR wird noch deutlicher, wenn berücksichtigt wird, dass die beiden anderen grossen Medienunternehmen, Tamedia und Ringier, sich zunehmend nicht-publizistischen Geschäftsfeldern zuwenden und überhaupt nicht (Tamedia) oder nur in geringem Umfang (Ringier) elektronische Medien in ihrem Portfolio haben.»
• «Werden nur die Radio- und Fernsehunternehmen des Landes betrachtet, ist die Dominanz der SRG SSR noch eindrücklicher. (…) Das zweitgrösste Radio- und Fernsehunternehmen des Landes, die AZ Medien, beschäftigt nur 170 Personen in seinem Bereich ‹Elektronische Medien› und erwirtschaftet gerade mal 2.1% des SRG SSR-Gesamtumsatzes.»
• «Anhand dieser Grössenordnungen lässt sich die Marktmacht der SRG SSR im Fernseh- und Radiomarkt Schweiz erahnen. Sie manifestiert sich nicht zuletzt auch im Beschaffungsmarkt, wo z.B. das zu drei Vierteln mit öffentlichen Mitteln finanzierte SRF die private Konkurrenz beim Programmeinkauf locker überbieten kann.»
• «Die Personalkosten pro Vollzeitstelle liegen bei der SRG SSR um 44% höher als bei den Privaten.»
Auch das Fazit, das der Publicom-Bericht zieht, ist eindeutig. Die SRG dominiere den Schweizer Rundfunkmarkt «in beiden relevanten Märkten (Publikums- und Werbemarkt)» und lasse der privaten Konkurrenz kaum Spielraum. Auch zu den Löhnen innerhalb der SRG hat der Publicom-Bericht einen Vorschlag: «Würde die Lücke zu den Privaten bei den Personalkosten bloss um die Hälfte geschlossen, könnte die SRG SSR jährlich über 100 Millionen Franken an Gebührengeldern einsparen.»

3.2. Die IFAA-Studie
Die Studie «Top-Themen und deren inhaltliche Korrelationen. Das inhaltliche Profil von 17 ausgewählten Medien-Websites» des Instituts für Angewandte Argumenten Forschung IFAA (2015) kostete die EMEK nach Auskunft der EMEK-Kommissionssekretärin 25’000 Franken. In der Interpretation der Studie des Berner Instituts durch die EMEK steht: «Die Kommission ist zum Schluss gekommen, dass die Resultate des IFAA mit Zurückhaltung zu interpretieren sind.» Die Ergebnisse waren für die Arbeit der EMEK offensichtlich nur in Ansätzen zu gebrauchen.

4. Die Anhörungen: Wer wurde angehört?
Im Zeitraum zwischen dem November 2014 und dem Juli 2015 wurden an sieben verschiedenen Tagen Anhörungen durchgeführt. Man traf sich dafür in Bern, Zürich und Biel. Zuerst angehört wurden die SRG und einige Verbände. Dann die Rechtswissenschaftler. Dann der Verlegerverband, die Journalisten und ihre Gewerkschaften. Dann die Parteien. Dann die Infrastrukturanbieter. Dann verschiedene Vereinigungen von der Aktion Medienfreiheit über die Pro Senectute bis zum Schweizerischen Gewerkschaftsbund. Zum Schluss lud man dann auch noch zwei Vertreter des Privatfernsehens ein. Von den insgesamt 53 eingeladenen Personen findet sich bloss eine Person unter 30 Jahren: die Vertreterin von Junge Journalisten Schweiz.

Die angehörten Personen verteilen sich wie folgt:

3. Juli 2015 (2 Personen)
3 Plus TV Network AG: Dominik Kaiser, Gründer und CEO
Joiz: Kurt Schaad, Mitgründer und Verwaltungsratspräsident

8. Mai 2015 (7 Personen)
Schweizerischer Gewerkschaftsbund: Dore Heim, Zentralsekretärin
Fédération Romande des Consommateurs: Mathieu Fleury, Secrétaire général
Pro Infirmis: Benoît Rey, Chef du Département Prestations de services Suisse romande et Tessin
Pro Senectute: Alain Huber, Secrétaire romand, Peter Burri Kommunikation
Arbus, Vereinigung für kritische Mediennutzung: Urs Allemann, Vorstandsmitglied
Aktion Medienfreiheit: Gregor A. Rutz, Vorstandsmitglied

20. April 2015 (6 Personen)
Swisscom: Urs Schäppi, CEO
UPC Cablecom: Eric Tveter, CEO
Sunrise: Dominik Koechlin, Verwaltungsratspräsident
Openaxs: Franz Stampfli, Präsident
Swisscable: Stefan Flück, Geschäftsführung, Leiter Rechtsdienst
Services industriels Lausanne SiL: Philippe Jacquet, Chef de Service

24. März 2015 (6 Personen)
Vertretung SVP: Natalie Rickli, Nationalrätin
Vertretung SP: Edith Graf-Litscher, Nationalrätin
Vertretung CVP: Martin Candinas, Nationalrat
Vertretung FDP: Christian Wasserfallen, Nationalrat
Vertretung Grüne: Balthasar Glättli, Nationalrat
Vertretung GLP: Jürg Grossen, Nationalrat

27. Februar 2015 (13 Personen)
Vertretung Chefredaktorinnen, -redaktoren: Hansi Voigt, Chefredaktor Watson, Pierre Ruetschi, Chefredaktor Tribune de Genève
Vertretung Junge Journalisten Schweiz/Impressum: Luzia Tschirky
Vertretung SRG SSR: Pascal Crittin, Chef Dépt Affaires Générales, RTS, Milena Folletti, Responsabile dipartimento Programmi e Immagine, RSI, Nathalie Wappler, Abteilungsleiterin Kultur, SRF
Vertretung SSM: Philipp Cueni; Ruedi Bruderer
Vertretung Syndicom: Nina Scheu
Vertretung Verband Schweizer Medien: Pietro Supino, Verleger und Verwaltungsratspräsident Tamedia, Marc Walder, CEO Ringier, Axel Wüstmann, CEO AZ Medien, Roger Elsener, UL-Mitglied, Verantwortlicher TV-Sparte, AZ Medien

30. Januar 2015 (4 Personen)
Giovanni Biaggini, Universität Zürich
Mira Burri, Universität Bern
Bertil Cottier, Universität Lugano
Urs Saxer, Universität Zürich

11. November 2014 (15 Personen)
SRG, SSR: Roger de Weck, Generaldirektor SRG SSR, Ladina Heimgartner, Direktorin Radiotelevisiun Svizra Rumantscha, Walter Bachmann, Generalsekretär SRG

Verband Schweizer Privatradios (VSP) / Radios Régionales Romandes (RRR): Jürg Bachmann, Präsident VSP, Martin Muerner, Vizepräsident VSP, Pierre Steulet, Sécretaire RRR, Philippe Zahno, président RRR

Union nicht-kommerzorientierter Lokalradios (UNIKOM): Lukas Weiss, Präsident UNIKOM Verband der Schweizer Regional Fernsehen Telesuisse, Marc Friedli, Geschäftsführer Telesuisse, André Moesch, Präsident Telesuisse

Verband Schweizer Medien (VSM): Valérie Boagno, Présidente Médias Suisses, Daniel Hammer, Secrétariat général Médias Suisses, Peter Keller, Geschäftsführer Stampa Svizzera, Hanspeter Lebrument, Präsident Schweizer Medien, Verena Vonarburg, Direktorin Schweizer Medien

Stellungnahmen zur Service-public-Diskussion wurden bisher nur drei rückgemeldet: Der Schweizer Werbe-Auftragnehmerverband, der Verband Schweizer Musikschaffende Schweiz und Arbus gaben unter www.emek.admin.ch/de/themen/service-public/anhoerungen/stellungnahmen ihre Position bekannt.

5. Die Reaktionen
5.1. Wie reagieren Beobachter der Medienpolitik auf den EMEK-Bericht zum Service public?

«Papiertiger»: Peter Meier, Berner Zeitung, 14. Dezember 2015
Was die EMEK in ihrem Bericht vorstelle, grenze an Arbeitsverweigerung, schreibt Peter Meier. Die strittigen Fragen zum medialen Service public, zur SRG und zur künftigen Medienordnung seien fast ausnahmslos umschifft worden. «Nur ja nichts ändern – schliesslich habe sich das Bestehende als geeignet erwiesen», sei der Tenor des Papiers. Statt die SRG-Leistungen zu definieren, fordere die EMEK lediglich ein neues bürokratisches System zur besseren Kontrolle derselben.
Fazit: «Ein Papier, in dem so ziemlich alles fehlt, was man von einer unabhängigen Expertengruppe eigentlich erwarten dürfte: Ideen, Inspirationen, Alternativen, Visionen. Statt Vorschläge zur Lösung der anstehenden Probleme zu liefern, fordert die Emek lediglich mehr Bürokratie zu deren Verwaltung. (…) Er ist ein Papiertiger, den man gleich wieder vergessen kann.»

«Verpasste Chance»: Nick Lüthi, Medienwoche.ch, 12. Dezember 2015
Der EMEK-Bericht lese sich «über weite Strecken wie eine Verteidigungsschrift der SRG für ihr (Geschäfts)modell», findet Nick Lüthi. Alternativen zur aktuellen Medienordnung seien gerade mal zwei geprüft worden – und natürlich habe man beide verworfen. Antworten auf die Frage, welche publizistischen Inhalte und Formen den medialen Service public ausmachen und in welchem Mass etwa Unterhaltungssendungen dazugehören, findet er keine.
Fazit: «Der Emek-Bericht zum Service-public ist eine verpasste Chance. (…) Was vor allem irritiert, ist das Auseinanderklaffen von Aufwand und Ertrag.»

«Keine Überraschungen»: Philipp Cueni, Edito.ch, 21. Dezember 2015
«Überraschungen bietet das Papier der EMEK keine», konstatiert Philipp Cueni. Wie der Service public und die SRG ihren Auftrag ausgestalten sollen, ob und wie der Auftrag genauer formuliert werden soll, wo sich die SRG pointierter von Marktmedien abheben soll, wo weniger kommerziell agieren, darüber findet Cueni im EMEK-Bericht nur wenig.
Fazit: «Die EMEK fordert die Debatte ein, stösst sie aber selbst nicht an.»

«Standardeinführung für Publizistikstudenten»: Kleinreport.ch, 12. Dezember 2015
Der EMEK-Bericht sei ein «34-seitiges Papier, das mehrheitlich Marktstudien der letzten Jahre zusammenfasst und sich um den Begriff Service-public-Medien dreht», steht im «Klein Report». Es sei zwar «gut zu lesen und sollte als Standardeinführung für Publizistikstudenten aufgelegt werden». Eine von der EMEK erkannte Notwendigkeit einer staatlich organisierten Förderung von Radio- und Fernsehinhalten kann aber nicht erkannt werden: «Weshalb sollten nicht völlig unabhängig produzierte Inhalte möglich sein? (…) Wo liegt das Problem, ein paar Journalisten zu finanzieren?»
Fazit: «Status quo mit Ausdehnung zu den Online-Medien. Ein Neuanfang sähe anders aus, findet der Klein Report. Unabhängigkeit sieht anders aus.»

«Status quo»: Rainer Stadler, Neue Zürcher Zeitung vom 12. Dezember 2015
Hinsichtlich der Rolle der SRG wolle die EMEK grossenteils am Status quo festhalten, stellt Rainer Stadler fest. Das verwundere nicht, da ihr Diskussionspapier auf der Anhörung von Vertretern der Gesellschaft, der Medien und der Politik beruhe und darum die derzeit vorherrschenden Meinungen spiegele.
Fazit: «Das 34-seitige Papier der Emek plädiert für eine Weiterentwicklung der bestehenden Zweckbindung, dies unter Wahrung der journalistischen Unabhängigkeit, die auch für die SRG ‹in jeder Form› gelten soll.»

«Schwammig»: Blick.ch, 11. Dezember 2015
Blick.ch fasst die Positionierung der EMEK als auch ihr Bericht als «schwammig» zusammen. Das Problem sei, dass sich die Kommission in vielen Punkten nicht einig war: «So auch in der umstrittenen Frage, ob SRF und co. künftig Werbung im Internet machen darf. Eine Minderheit – wohl unter anderem die SRG-Vertreter selbst – findet Ja, der Grossteil meint Jein.»
Fazit: «Am Ende resultierten viele SRG-freundliche Positionen..»

5.2. Wie reagieren Organisationen auf den EMEK-Bericht zum Service public?

«Rückwärtsorientiert»: Aktion Medienfreiheit (überparteiliche Vereinigung), 11. Dezember 2015
Die Aktion Medienfreiheit enttäuscht der «rückwärtsorientierte» EMEK-Bericht «auf der ganzen Linie». Es handle sich um «ein etatistisch geprägtes Auftragspapier, welches lediglich auf die SRG und die Erhaltung des Status Quo» fokussiere – die entscheidenden Fragen blende es aus.
Forderung: «Der Bundesrat ist gut beraten, das Mandat der EMEK per Ende Jahr zu beenden und die Kommission aufzulösen. Die ‹Service public›-Debatte muss nun in aller Offenheit und von der Politik geführt werden.»

«Konstruktive Grundlage»: Verband Schweizer Medien VSM (Medienverband, mehrheitlich Print), 11. Dezember 2015
Der Verband Schweizer Medien begrüsst den EMEK-Bericht «als konstruktive Grundlage für die Diskussion des Service-Public-Auftrages». Auf Werbung in digitalen Kanälen sei, wie von der EMEK festgehalten, weiterhin zu verzichten.
Forderung: «Der Verband Schweizer Medien ist der Meinung, dass der Staat für die Schaffung idealer Rahmenbedingungen für eine vielfältige Medienlandschaft Schweiz sorgen muss. Eine direkte Presseförderung lehnt er aber ab.»

«Förderung bleibt notwendig»: Syndicom (Gewerkschaft Medien und Kommunikation), 14. Dezember 2015
«Die staatlich organisierte Förderung von Radio- und Fernsehinhalten ist und bleibt notwendig», schreibt die Syndicom. Dass die Kommission die Veränderungen der Medienlandschaft durch die fortschreitende Konvergenz und Digitalisierung in ihre Analyse aufgenommen habe, wird begrüsst. Es sei sinnvoll, in Zukunft auch Plattformen und Anbieterinnen digitaler Medien mittels Leistungsauftrag zu regulieren.
Forderung: «Wie die EMEK spricht sich auch syndicom für eine vergleichbare Förderung von journalistischen Print- und Online-Medien aus.»

«An den Empfehlungen orientieren»: Schweizer Syndikat Medienschaffender SSM (Journalistengewerkschaft elektronischer Medien, mehrheitlich SRG), 11. Dezember 2015
Das SSM hält es für richtig, dass die EMEK den bisherigen Leistungsauftrag und die bisherige Finanzierungsbasis der SRG befürwortet. Dass die EMEK eine prinzipielle Beschränkung des SRG-Auftrages ablehne und auch die publizistischen Online-Aktivitäten der SRG zum Auftrag zähle, unterstützt das SSM.
Forderung: «Das SSM erwartet deshalb vom Bundesrat, dass er sich in seinem angekündigten Bericht an den Empfehlungen der EMEK orientiert.»

«Richtige Richtung»: Impressum (Journalistengewerkschaft), 11. Dezember 2015
Für Impressum geht der EMEK-Diskussionsbeitrag zum medialen Service public in die richtige Richtung, die sachliche Diskussion müsse weitergehen. Der EMEK-Vorschlag einer vergleichbaren Förderung von journalistischen Print- und Online-Medien wird begrüsst.
Forderung: «Dementsprechend müsste künftig der Service-Public-Begriff weiter gefasst werden und die demokratierelevanten Funktionen aller Medien berücksichtigen.»

6. Die Überführung der EMEK in eine SMS: Wie wahrscheinlich ist das?
In MF 8 wird die Idee einer «Stiftung Medienförderung Schweiz» (SMS) ausgebreitet:

«Ziel der Stiftung Medienförderung Schweiz wäre es vor allem, branchenübergreifende Vorhaben zu unterstützen oder zu ermöglichen. Die Stiftung, in deren massgeblichen Gremien Vertreter der Branche, der Politik, Gesellschaft und Wissenschaft Einsitz haben sollten, würde zudem dazu dienen, den Dialog über die Medienentwicklung übergreifend zu führen. Im Kern ist es Aufgabe der Stiftung, die Weiterentwicklung von Qualitätsmedien und von Journalismus voranzubringen. Über eine solche Stiftung könnten Projekte aller Mediengattungen unterstützt werden wie z.B.: Startup-Projekte im Internet, Beitragszusprechung für einzelne Ressorts bei Printmedien oder Onlineplattformen, Finanzierung von Korrespondentinnen oder Reporter von verschiedenen Medien, Unterstützung von Sonderkorrespondentinnen oder Korrespondenten in besonders wichtigen und journalistisch schwierig zu bearbeitenden Märkten (z.B. China), Ausbildungsbeiträge in Form von Stipendien, Förderung von besonderen Projekten und Forschungsvorhaben, Einrichtung eines Recherchefonds für gattungsunabhängige Rechercheprojekte, Aufbau eines Recherche-Teams für aufwändige Recherchen. Für die Finanzierung einer solchen Stiftung braucht es vertiefte Abklärungen. Grundsätzlich könnte man sich vorstellen, die Stiftung mit den bisherigen Förderbeiträgen zu alimentieren. Ebenfalls ins Auge zu fassen sind Werbesteuern, Online-Transaktionssteuern als Kompensation zur Finanzierung von Inhalt sowie zusätzliche Bundessubventionen.»

«Vertreter der Branche, der Politik, Gesellschaft und Wissenschaft» in einer Stiftung, welche die «Weiterentwicklung von Qualitätsmedien und Journalismus» voranbringen soll? Wer würde sich da anbieten? Natürlich die EMEK! Auch wenn kaum alle EMEK-Mitglieder für den Einsitz in so einer Kommission gewonnen werden könnten, so nähme ein guter Teil von ihnen eine solche Berufung mit Handkuss an. Wie wahrscheinlich ein solches Szenario ist und ob eine Entwicklung in diese Richtung gar von Anfang an geplant war, bleibt der Spekulation überlassen.
In MF 8 ist jedenfalls unverhohlen von einer gebührenfinanzierten «Medienförderung» die Rede: «Es wäre denkbar und würde die Unabhängigkeit der Stiftung fördern, wenn die Stiftung einen Teil der heute für Radio und Fernsehen reservierten Empfangsgebühren beanspruchte. Da die Stiftung mit Ausnahme möglicher Spenden und Zuwendungen keine Einnahmen hätte, wäre ihre laufenden Ausgaben jeweils entsprechend der Budgets mit Bundesmitteln zu decken. Natürlich sind auch private Stiftungen und die Zuwendung von Privaten an eine Stiftung zu begrüssen.» Unter so einer Stiftung könnten Förderungen ihren Lauf nehmen, wie sie die EMEK unter MF 7.2 propagiert:
• Anschubfinanzierung für «innovative Projekte» (MF 7.2.1)
• Förderung von Medien-Startups in der Anfangsphase, auch als «Ausgründungen existierender Medienunternehmen» (MF 7.2.1)
• Förderung von «Projekten, Initiativen oder Produkten von herausragender journalistischer Qualität und Innovationskraft» (MF 7.2.2)
• Förderung von Redaktionen (MF 7.2.2)
• Förderung von Recherchefonds (MF 7.2.2)
• Förderung eines kontinulierlichen Monitorings der Medienbranche (MF 7.2.3)
• Förderung einer interessensunabhängigen angewandten Media- und Publikumsforschung (MF 7.2.3)
Sätze wie «Die EMEK hält es für sinnvoll und erforderlich, vorrangig demokratierelevante Medien zu fördern» (MF 5) zeigen auf, welche Gefahren hier lauern. Eine kleine, demokratisch nicht legitimierte Gruppe würde sich so, finanziert von Steuergeldern, darauf einigen, welche Medienangebote demokratierelevant sind und welche nicht. In den insgesamt zehn unter MF 5 versammelten Anforderungen an die Medienförderung lauern Bürokratie (1, 3, 8), personelle Massnahmen (3), das Giesskannen-Prinzip (4) und ein Widerspruch zur freien Marktwirtschaft (8). Die Punkte 6 (Infrastrukturförderung) und 7 (Innovationsförderung) wollen gleichzeitig das Bestehende und das Neue fördern, propagieren also doppelte Subventionen in entgegengesetzte Richtungen. Die Position des Bundesrates zu den Vorschlägen der EMEK zur Medienförderung (BR 6.2) ist differenziert und eher zurückhaltend: «Der Bundesrat würde es ebenfalls als heikel erachten, wenn staatliche Stellen gestützt auf die Bewertung konkreter journalistischer Leistungen Unterstützungsbeiträge sprächen.»

7. Das Fazit
Die EMEK ist ein steuerfinanziertes Beschäftigungsprogramm für an sich gut beschäftigte Leute. Ihre Einberufung dient wohl hauptsächlich dazu, den Status quo der aktuellen Medienlandschaft pro forma «demokratisch» zu legitimieren. Das erlaubt es der UVEK-Vorsteherin, behaupten zu können, das aktuelle System habe sich nach der Anhörung von allen relevanten Teilnehmern als die beste Lösung herausgestellt. Zum Fazit, der Status quo sei die beste Lösung, kommt die EMEK, weil die Auswahl ihrer Mitglieder durch den Bundesrat zu einseitig getroffen wurde. Während die Vertreter des etablierten Systems überdurchschnittlich vertreten sind, fehlen darin die Ansichten der Steuerzahler, der Bürger, der Konsumenten. Vor allem aber wurde jene jüngere Generation, die mit dem zukünftigen Mediensystem zu leben haben wird, ausgeschlossen. Einer dreiundzwanzigjährigen, frischgebackenen Steuerzahlerin, die kaum je mit Print und TV in Berührung kommt, werden viele Passagen in den Berichten aus der Zeit gefallen vorkommen. Hätte man auch nur eine solche Person zur Diskussion zugelassen, so hätten deren Aussagen viele vermeintliche Gewissheiten der homogenen Gruppe in Frage stellen können.
Doch selbst mit einer anderen Besetzung der EMEK wäre das Problem nicht gelöst. Mögliche Marktteilnehmer, die ohne die marktbeherrschende SRG entstehen und existieren könnten, bleiben unsichtbar und unfassbar, solange die Übermacht der SRG besteht. Würde jedoch die SRG mit einem rein dualen Modell auf ihren eigentlichen Service-public-Auftrag zurückgebunden, so könnte das Zusammenspiel von Fortschritt, Angebot und Nachfrage neue Player hervorbringen.
Die EMEK ist gescheitert und kann per sofort aufgelöst werden. Richtig wäre es gewesen, sie gar nie einzuberufen. Solange die SRG Jahr für Jahr die riesige Summe von 1,2 Milliarden Franken an Gebührengeldern (und damit 90 Prozent aller Medienförderbeiträge) verschlingt, ist es müssig, zu diskutieren, was auch noch gefördert werden könnte. Nur eine grundsätzliche Reform kann die Service-public-Zuwendungen wieder ihrem eigentlichen Zweck zuführen. Gemessen am Anspruch, zukünftige Herausforderungen des Medienplatzes Schweiz aus einer ganzheitlichen Sicht zu beantworten, hat die Kommission versagt. Ihre Berichte können von der Politik getrost ignoriert werden. Fakten, Tatsachen und Statistiken wie sie zum Beispiel in der Publicom-Studie stehen, sind eine bessere Grundlage zur Entscheidungsfindung. Das zentrale Problem der Schweizer Medienlandschaft stellt die übergrosse, marktbeherrschende SRG dar, die mit ihrer Finanzkraft nicht nur das schrumpfende journalistische Angebot, sondern auch den journalistischen Arbeitsmarkt immer stärker dominiert. Private Anbieter und unabhängige Journalisten geraten so mehr und mehr in die verhängnisvolle Abhängigkeit von Subventionen; selbst wenn sie gut geschäften und gerne vom Staat unbehelligt bleiben möchten.

8. Politischer Ausblick
Der in der Form der SRG zum dominanten Ungetüm aufgeblähte öffentliche Rundfunk muss auf seinen eigentlichen Auftrag zurückgebunden werden. Das gelingt langfristig durch eine Konzentration des Verfassungsartikels (Art. 93) und des Programmauftrags (Art. 2) in der SRG-Konzession auf die wesentlichen Service-public-Elemente. Gestrichen werden muss insbesondere der Verfassungsauftrag an die SRG, «zur Unterhaltung» beizutragen. Eine Neuformulierung von Art. 93, Abschnitt 2 könnte so lauten: «Mit einer sachgerechten und akkuraten Darstellung der Ereignisse tragen die Service-public-Medien zur freien Meinungsbildung bei. Sie bringen die Vielfalt der Ansichten angemessen zum Ausdruck und berücksichtigen dabei die Besonderheiten des Landes und die Bedürfnisse der Kantone.»
Geschaffen werden muss ein duales System mit einem absoluten Werbeverbot für das öffentliche Radio und Fernsehen und einem vom Volk und Parlament kontrollierten Budget. In einem klassisch dualen System kann sich die SRG voll und ganz ihrem Gründungszweck widmen, der Ausführung des Service-public-Auftrags. Unbehelligt von der SRG können sich die werbefinanzierten Privaten einerseits auf Quoten und Klicks und andererseits auf Bezahlmodelle konzentrieren. Privaten Medienunternehmern eröffnen sich so in allen Mediengattungen neue Möglichkeiten – wovon auch die klassisch-journalistisch arbeitenden Medien profitieren.
Umgekehrt muss dann allerdings auch gelten: Service-public-Inhalte sollten nicht von der Art des Mediums abhängig sein müssen. Die SRG sollte frei sein, mit dem technischen Fortschritt mitzugehen. Hinsichtlich des Mehrwertsteuersatzes sieht das auch der Bundesratsbericht zur Medienförderung so: «Vergleichbare Produkte sollten unabhängig vom Verbreitungsweg gleich behandelt werden» (BR 4.1). «Publizistische Online-Aktivitäten» (Zusammenfassung SP) zählt die EMEK bereits jetzt zum Service public, publizistische Printprodukte dagegen wird kaum jemand erwarten. Wenn die SRG – im Rahmen des ihr zugesprochenen Budgets – alle Medienformen bespielen darf, erreicht sie auch alle Bevölkerungsschichten, was wiederum die Legitimation der SRG bewahrt.
Auf kurze Frist muss die Medienpolitik unter anderem diese Aufgaben lösen:
• Das ordnungspolitisch höchst fragwürdige Werbe-Joint-Venture zwischen Swisscom, SRG und Ringier muss gestoppt und rückgängig gemacht werden
• Die weiteren geplanten Private-Public-Partnerships müssen genau auf ihre grundsätzliche ordnungspolitische Verträglichkeit geprüft werden
• Die Konzessionsverletzungen der SRG müssen aufgedeckt und unterbunden werden
• Die SRG-Konzession läuft am 31. Dezember 2017 aus – um sie neu formulieren zu können, müssen bereits jetzt Ideen gesammelt werden
• Die staatsnahen Mediengiganten SRG und Swisscom müssen besser kontrolliert werden
• Die «Melde- und Konzessionspflicht» zur «Veranstaltung schweizerischer Programme» (RTVG Art. 3 ff.) muss für private Medienanbieter abgeschafft oder eingeschränkt werden
Eine ausführliche Vision einer möglichen Zukunft des öffentlichen Rundfunks wurde unter dem Titel «Schimpfen bringt nichts» im «Schweizer Monat» publiziert.

Foto: CC BY-SA 3.0 Commons Wikipedia / Kabelleger.


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