Die falsche Kommunikationsstrategie der Energiegesetz-Gegner

Es war ein Fehler, den GOAL-Werber Alexander Segert für die Kampagne gegen das Energiegesetz zu beauftragen. Unentschiedene Stimmbürger wurden durch die lebensfremden Übertreibungen ins Befürworter-Lager getrieben.

Ich habe das Energiegesetz abgelehnt – leider war ich in der Minderheit, das Gesetz wurde mit 58,2 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Das gilt es zu akzeptieren. Nun werden wir also unser Verhalten beschränken, mehr Vorschriften befolgen und höhere Stromrechnungen bezahlen müssen. Es wird sehr viel Geld umverteilt werden für eine zweifelhafte Energiezukunft mit Flatterstrom, der bekanntlich nicht immer dann produziert wird, wenn er gebraucht wird. Die Speicherung von Strom ist – Status heute – nach wie vor Zukunftsmusik.

Der SVP ist es hoch anzurechnen, dass sie das Referendum gegen dieses planwirtschaftliche Gesetz ergriffen hat. Dagegen ist festzustellen, dass die Führung der bürgerlichen Parteien FDP und CVP in diesem Fall versagt hat. Die Spitzen dieser Parteien haben sich, gemeinsam mit vielen Lobbygruppen aus der Wirtschaft, von den vom Staat bereitwillig verteilten finanziellen Zückerchen kaufen lassen.

Doch verloren wurde die Abstimmung mit der gewählten Kommunikationsstrategie. Statt die vielen Nachteile des aufgeblähten Gesetzes auseinanderzunehmen und die Kosten und der Nutzen aufzuzeigen, wie das etwa die Partei UP getan hat, wurde versucht, das Energiegesetz mit einer Kampagne des GOAL-Werbers Alexander Segert zu bekämpfen.

Segerts oft zweifelhaft vereinfachenden Kampagnen können SVP-Kandidaten und reine SVP-Anliegen zur Wahl führen. Womöglich können sie auch emotionsgeladene Abstimmungen für sich entscheiden. Keinesfalls jedoch überzeugen sie eine unentschiedene, teilweise unpolitische Mitte, die über die konkreten Vor- und Nachteile einer komplexen Energiestrategie nachdenkt. Ich behaupte, dass die Nein-Kampagne von sehr vielen Stimmbürgern als masslos übertrieben, als nicht realitätsgerecht wahrgenommen wurde. Hier zwei der vom NEIN-Komitee im Abstimmungskampf eingesetzten Beispiele:

Kalt duschen

Keine Ferien mehr

Wenn die eine Seite von 40 Franken Kosten pro Jahr redet und die andere von 3200 Franken, dann fühlt sich der Stimmbürger zurecht verschaukelt. Und zwar von beiden Seiten. Die NZZ stellte fest, dass sowohl der Bundesrat als auch das überparteiliche Referendumskomitee gegen das Energiegesetz unredlich argumentiert hatten.

Ausgesprochen schlecht umgesetzt wurde zudem die Regionalisierungstrategie – eine Pseudo-Regionalisierung, von der man sich nur verschaukelt fühlen kann. Wenn man schon regionale Vorteile ausschlachten will, dann bitte mit Argumenten, nicht mit Copy & Paste:

Die Kampagne von Alexander Segert baute auf Ängste, die viel zu weit von der Realität entfernt waren. Schweizer, die nicht rund um den 2. Weltkrieg oder in einer Holzhütte in einem Berggebiet aufgewachsen sind, mussten noch nie kalt duschen. Nur sehr wenige von ihnen kennen zudem die Situation, aus finanziellen Gründen nicht in die Ferien fahren zu können. Dass der Ausbau von erneuerbaren Energien direkt dazu führen könnte, schien vielen zwar nicht wie eine völlig unmögliche, aber doch reichlich absurde Vorstellung. Auch mir, der ich das Energiegesetz aus sachlichen Gründen vollumfänglich ablehne.

Die GOAL-Kampagne hat versagt, weil sie eben genau jene Stimmbürger abschreckte, die mit Fakten zu überzeugen gewesen wären. Diese Unentschiedenen, die eine solche Abstimmung entscheiden, haben sie vom Stil her ganz richtig als eine reine SVP-Kampagne wiedererkannt. Dabei war das bei dieser Abstimmung gar nicht der Fall, die SVP war mitnichten alleine. Ich jedenfalls habe die Ablehnung als ebenso breit wie die Zustimmung empfunden: sie ging durch alle Lager, durch Stadt und Land, durch gebildete und ungebildete, durch konservative und progressive Kreise. Nicht nur die FDP war tief gespalten zwischen Spitze und Basis, auch in der SVP selbst tat sich ein Graben auf zwischen liberalen und etatistischen Anhängern.

All jene, die daran gezweifelt haben, ob die SVP nicht mal wieder etwas übertreibe, haben mit «Nein» gestimmt. Und sie haben recht. Macht sich am Stammtisch oder im Büro nicht lächerlich, wer behauptet, er könne wohl nicht mehr in die Ferien fahren und müsse wohl kalt duschen, wenn dieses neue Energiegesetz angenommen werde? Die Antwort lautet ganz einfach: Ja.

Nichts gegen Emotionen schürende Kampagnen, so funktioniert Politik. Aber diese Kampagne war weit weg von den tatsächlichen Sorgen und Problemen der Bürger. Die SVP ist gut beraten, ihre längst zur Routine gewordene Zusammenarbeit mit Alexander Segert mal grundsätzlich zu überdenken. Mit solchen Kampagnen jedenfalls gewinnt man auch in Zukunft keine Abstimmungen.

Nachtrag, 22. Mai 2017: Peter Blunschi von Watson.ch hat die Kritik dieses Artikels aufgenommen und weitergesponnen: «Energie-Flop zeigt: Die Angstmacherei der SVP funktioniert nicht mehr». In den Kommentaren sind die Meinungen verschieden, aber einige untermauern die These durchaus. Hier drei Beispiele:

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